15.10.2016

Umsatzsteuer: Stichtag 31.12.2016

Ausschlussfrist für „Optionserklärung” und Beratungsvorlauf beachten

Umsatzsteuer: Stichtag 31.12.2016

Ausschlussfrist für „Optionserklärung” und Beratungsvorlauf beachten

In Kommunen, die das Optionsrecht ausüben wollen, besteht jetzt dringender Handlungsbedarf. | © psdesign1 - Fotolia
In Kommunen, die das Optionsrecht ausüben wollen, besteht jetzt dringender Handlungsbedarf. | © psdesign1 - Fotolia

Mit dem Wegfall des bisherigen § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) und der Einführung eines neuen § 2b UStG wird die Umsatzbesteuerung für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) einschneidenden Veränderungen unterworfen − und zwar prinzipiell ab dem 01. 01. 2017. Nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG kann allerdings jede jPdöR ihrem zuständigen Finanzamt gegenüber bis zum 31. 12. 2016 einmalig erklären, dass sie § 2 Abs. 3 UStG in der am 31. 12. 2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31. 12. 2016 und vor dem 01. 01. 2021 erbrachten Leistungen weiter anwendet (sog. „Optionserklärung”).

Auf diesem Weg kann sich die jPdöR erst einmal den notwendigen zeitlichen „Puffer” verschaffen, um den schwierigen Übergang hin zu den neuen Regeln für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand in einem möglichst geordneten Verfahren zu meistern. Wie Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, plant der wohl überwiegende Teil der jPdöR, eine entsprechende Erklärung abzugeben − oder hat dies sogar bereits getan.

BMF-Schreiben zu Einzelheiten

Weitere Einzelheiten zur „Optionserklärung” gemäß § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG enthält zum einen ein erläuterndes BMF-Schreiben vom 19. 04. 2016 (BStBl. I, S. 481); zum anderen haben zwischenzeitlich auch die Finanzverwaltungen einzelner Bundesländer ergänzende Hinweise zu diesem Thema veröffentlicht (so z. B. die OFD NRW in einem Rundschreiben aus dem Mai/Juni 2016 sowie zuletzt das rheinland-pfälzische Landesamt für Steuern). Danach ist diese Erklärung


  • grundsätzlich bei dem nach § 21 Abgabenordnung (AO) örtlich zuständigen Finanzamt
  • von dem gesetzlichen Vertreter der jPdöR oder einem Bevollmächtigten
  • für sämtliche von der jPdöR ausgeübte Tätigkeiten einheitlich (also keine gesonderte Abgabe für einzelne Dienststellen und kein „Rosinenpicken” für einzelne Tätigkeiten)
  • bis spätestens 31. 12. 2016

abzugeben. Eine besondere Form ist hierfür zwar nicht vorgeschrieben; schon zu Dokumentations- und Beweiszwecken dürfte eine schriftliche Abgabe der Erklärung sinnvoll sein.

Entscheidend ist, dass − sofern eine „Optionserklärung” für sinnvoll erachtet wird − diese jedenfalls bis spätestens 31. 12. 2016 wirksam gegenüber dem für die jeweilige jPdöR örtlich zuständigen Finanzamt abgegeben worden sein muss. Lässt man diesen Termin verstreichen, gilt (sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO in Betracht kommt) für Leistungen der jPdöR ab dem 01. 01. 2017 zwingend das neue Recht, da es sich hierbei nach Auffassung der Finanzverwaltung um eine grds. nicht verlängerbare Ausschlussfrist handelt.

Widerruf der Optionserklärung möglich

An die einmal abgegebene „Optionserklärung” ist die jPdöR andererseits nicht zwingend bis Ende des Übergangszeitraums (31. 12. 2020) gebunden: Jeweils mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe der „Optionserklärung” folgenden Veranlagungszeitraums (Kalenderjahres) kann die Erklärung nämlich widerrufen werden − mit der Folge, dass nunmehr das neue Recht anzuwenden ist. Ein solcher Widerruf, der sich – wie bereits die „Optionserklärung” selbst – zwingend auf das Unternehmen der jPdöR als Ganzes beziehen muss, wird nur dann Sinn machen, wenn die nach neuem Recht aus Eingangsumsätzen erwarteten Vorsteuerabzugsbeträge das gleichzeitige Plus bei den Umsatzsteuern übersteigen (dass eine solche „Günstigerprüfung” in den Folgejahren ebenfalls eine besonders sorgfältige Bestandsaufnahme der umsatzsteuerlichen Situation der jPdöR voraussetzt, sollte eigentlich auf der Hand liegen). Wie die o.g. erläuternden Hinweise der Länderfinanzbehörden verdeutlichen, soll der Widerruf der „Optionserklärung” sogar rückwirkend auf den Beginn eines auf 2016 folgenden Kalenderjahres erklärt werden können, sofern die betroffenen Veranlagungszeiträume nach den Vorschriften der AO noch änderbar sind (noch keine materielle Bestandskraft eingetreten ist).

Rücknahme des Widerrufs

Ist der Widerruf einmal erklärt, sind die erneute Abgabe einer „Optionserklärung” und damit eine spätere Rückkehr zum „alten Recht” ausgeschlossen. Wird die „Optionserklärung” mit Wirkung auf einen zukünftigen Zeitpunkt (z. B. Beginn des nächstfolgenden Kalenderjahres) widerrufen, soll dieser Widerruf −nach Auffassung der Finanzverwaltung − noch so lange zurückgenommen werden können, wie seine Rechtswirkungen noch nicht eingetreten sind (im Beispiel also bis zum Ablauf des aktuellen Kalenderjahres).

Wohl kein „Geschäft der laufenden Verwaltung”…

Nach dem BMF-Schreiben vom 19. 04. 2016 ist die „Optionserklärung” durch den gesetzlichen Vertreter der jPdöR (im Fall von Kommunen also grds. durch den Bürgermeister) oder durch einen Bevollmächtigten abzugeben. Fraglich ist, ob die Entscheidung hierüber seitens der Verwaltungsspitze in eigener Verantwortung getroffen werden kann.

Speziell für Kommunen stellt sich somit kurz zusammengefasst die Frage, inwieweit die Abgabe der „Optionserklärung” nach § 27 Abs. 22 UStG noch zu den „laufenden Angelegenheiten” bzw. „Geschäften der laufenden Verwaltung” gehört, die nach zahlreichen Gemeindeordnungen ausdrücklich in die Zuständigkeit fallen oder als von diesem auf den Bürgermeister übertragen gelten (vgl. z. B. § 44 Abs. 2 Satz 1 GO Baden-Württemberg; Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO Bayern; § 70 Abs. 2 HGO; § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NKomVG; § 41 Abs. 3 1. HS GO NRW, § 53 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO). Bei „Geschäft der laufenden Verwaltung” handelt es sich um einen gesetzlich nicht näher definierten unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung der Verwaltung zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht, zu dem allerdings auch bereits einige gerichtliche Entscheidungen sowie Kommentierungen vorliegen, an denen sich die Auslegung möglichst orientieren sollte.

Das OVG NRW beispielsweise hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1969 (Urteil vom 15. 12. 1969, III A1329/66, OVGE 26, S. 186, 193) die regelmäßige Wiederkehr der Angelegenheit und deren Erledigung nach feststehenden Grundsätzen als die prägenden Kriterien für ein Geschäft der laufenden Verwaltung in den Vordergrund gerückt. Nach den vom OVG NRW vorgegebenen Kriterien handelt es sich bei der Ausübung der „Optionserklärung” nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung: Von einer Wiederkehr und Erledigung nach feststehenden Grundsätzen kann nicht gesprochen werden. Die Möglichkeit, den bisherigen Rechtszustand für einen bestimmten Übergangszeitraum „konservieren” zu können, ist eine auf einer Gesetzesänderung basierende „einmalige” Besonderheit. Die Entscheidung hierüber ist auch nur einmalig möglich (in den Folgejahren ist allenfalls die ebenso bedeutsame „umgekehrte” Entscheidung über einen vorzeitigen Widerruf der „Optionserklärung” zu treffen; ihrerseits ebenfalls kein Geschäft der laufenden Verwaltung). Von einer routinemäßig, „auf eingefahrenen Geleisen” (so das OVG NRW) abzuarbeitenden Frage kann hier wohl keinesfalls gesprochen werden.

…aber zumindest Unterrichtungspflicht

Selbst wenn man aber zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei der „Optionserklärung” um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt, ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltung dann zumindest eine Unterrichtungspflicht treffen dürfte: Diese gilt gegenüber dem Rat regelmäßig bei allen Angelegenheiten, in denen „grundsätzliche” bzw. „wichtige” Entscheidungen zu treffen sind (vgl. z. B. § 43 Abs. 5 Satz 1 GO Baden-Württemberg; § 50 Abs. 3 HGO; § 85 Abs. 5 NKomVG; § 41 Abs. 1 Satz 1 GO NRW, § 52 Abs. 5 Satz 1 SächsGemO) − und um eine solche „grundsätzliche” bzw. „wichtige” Entscheidung wird es sich hierbei mit Blick auf die dadurch ausgelösten steuerlichen Folgewirkungen und -maßnahmen (z. B. Ausweitung der steuerlichen Pflichten, Überprüfung des künftigen Vorsteuerabzugs, Notwendigkeit von Vertragsanpassungen etc. ) allemal handeln.

Empfehlung für die Praxis

Soweit noch nicht geschehen, sollten daher nunmehr bei den betroffenen jPdöR zeitnah alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, um die eigenen Gremien (also z. B. den Rat oder den Hauptausschuss) über das geplante Vorgehen in Sachen „Optionserklärung” sowie weitere Umsetzung des neuen Rechts zumindest einmal zu informieren, sofern nicht sogar diesbezüglich eine ausdrückliche Gremienentscheidung herbeigeführt wird.

Eine entsprechende Gremienvorlage sollte insbesondere auf folgende Aspekte eingehen:

  • Geplante bzw. bereits in Angriff genommene Maßnahmen zum Aufsetzen einer geeigneten Projektstruktur für die weitere Umsetzung des § 2b UStG und zur Einleitung der dafür notwendigen umsatzsteuerlichen Bestandsaufnahme („Einnahmen- und Vertragsinventur”),
  • Begründung, warum − jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt − die Abgabe der „Optionserklärung” aus Sicht der jPdöR fürs Erste die vorteilhafteste Lösung darstellt (die gegenläufige Entscheidung dürfte wohl die absolute Ausnahme bilden), sowie
  • Ausblick auf das weitere geplante Vorgehen im Übergangszeitraum bis Ende 2020.

Vor dem Hintergrund, dass das Optionsrecht nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG zwingend bis zum 31. 12. 2016 ausgeübt worden sein muss und eine etwaige Gremieninformation/ -entscheidung in jedem Fall auch vernünftig vorbereitet werden sollte, besteht − je nach dem Stand der eigenen Vorbereitungen − jetzt u. U. dringender Handlungsbedarf.

 

Stefan Maier

Rechtsanwalt, Steuerberater, PwC AG Düsseldorf
 

Eike Christian Westermann

Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der KPMG AG WPG
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