15.10.2016

Beihilfenkontrolle – ein Update

Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand

Beihilfenkontrolle – ein Update

Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand

Beihilfenkontrolle – ein Update
Bei kommunalen Grundstücksgeschäften ist die Ermittlung eines beihilfenkonformen Marktpreises entscheidend. | © darknightsky - Fotolia

Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand können staatliche Beihilfen enthalten, wenn sie von den Konditionen abweichen, die üblicherweise zwischen Dritten vereinbart werden. Die Gewährung von Beihilfen unterliegt dem unmittelbar anwendbaren Durchführungsverbot in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, sofern keine Freistellung oder Genehmigung der Europäischen Kommission vorliegt. Rechtsgeschäfte, die gegen das Durchführungsverbot verstoßen, sind nach deutschem Recht nichtig (§ 134 BGB). Dieser Dreisatz enthält keine Neuigkeiten, selbst wenn er den Beteiligten, einschließlich des beurkundenden Notars, nicht in allen einschlägigen Fällen bewusst gewesen sein mag. Anlass für ein Update bieten aber die Fortentwicklungen und Präzisierungen in der Entscheidungspraxis von Kommission und Gerichten. Deren Beachtung gewinnt an praktischer Bedeutung, weil die „Grundstücksmitteilung” der Kommission aus dem Jahr 2007, die bislang eine wichtige Hilfestellung für ein beihilfenfreies Grundstücksgeschäft bot, im Juli 2016 aufgehoben wurde.

Ausschreibungspflicht

Die öffentliche Hand unterliegt bei Grundstücksgeschäften im Regelfall keiner förmlichen Ausschreibungspflicht. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Verkauf an den Meistbietenden nach einer Ausschreibung die sicherste Methode darstellt, den Marktwert zu realisieren, eine Begünstigung des Käufers und damit eine Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu vermeiden (EuGH, Rs. C-214/12 P „Bank Burgenland”). Die – nicht formgebundene – Ausschreibung soll sicherstellen, dass ein unbeschränkter Adressatenkreis angesprochen wird und potenzielle Interessenten ausreichend Zeit für die Abgabe ihres Angebots erhalten. Der sichere Nachweis, dass der Marktpreis vereinbart wurde und auch die übrigen Konditionen markgerecht sind, gelingt allerdings nur mit einer transparenten, diskriminierungsfreien und bedingungsfreien Ausschreibung. So dürfen nur Bedingungen gestellt werden, die entweder der Erlössicherung dienen oder die sich unmittelbar aus dem öffentlichen Planungsrecht ergeben.

Der Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken und vorhandenen Gebäuden ist von der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht explizit ausgenommen (§ 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Der Verkauf oder die Vermietung bzw. Verpachtung eines Grundstücks durch einen öffentlichen Auftraggeber können dagegen nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht unterliegen. Die Rechtsprechung nimmt insoweit eine „eingekapselte Beschaffung” an, wenn die zugrunde liegende Vereinbarung eine verbindliche und einklagbare Bauverpflichtung eines Dritten enthält und ein wirtschaftliches Eigeninteresse des öffentlichen Auftraggebers an der Realisierung des Baus besteht (grundlegend EuGH, Rs. C-451/08 „Helmut Müller”).


Aktive Ansiedlungspolitik

Eine aktive Ansiedlungspolitik ist auf Direktverkäufe ohne Ausschreibung angewiesen. Wird ein beihilfenfreier Verkauf zum Marktwert angestrebt, muss der Wertermittlung ein besonderes Augenmerk gelten. Marktwert, Verkehrswert oder auch der von den Haushaltsordnungen geforderte „volle Wert” sind als Synonyme zu verstehen, wobei in der Praxis der Verkehrswertermittlung gelegentlich Zweifel aufkommen, dass die Wertermittlung beihilfenrechtskonform auf den Preis ausgerichtet ist, zu dem ein privater Unternehmer an einen Dritten verkaufen würde (EuGH, Rs. C-239/09 „Seydaland”).

Der Grundstücksverkauf zu einem Preis unter Marktwert enthält regelmäßig eine Beihilfe, sofern die Handelsbeeinträchtigung nicht aufgrund des rein lokalen Charakters des Grundstücksgeschäfts ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann. Beihilfen müssen grundsätzlich der Europäischen Kommission notifiziert werden und dürfen nicht durchgeführt werden, bevor diese entschieden hat. In einer Vielzahl von Fällen greift jedoch ein Freistellungstatbestand. Bei Grundstücksgeschäften kommen insbesondere die Freistellungstatbestände des Beschlusses der EU-Kommission vom 20. 12. 2011 für den sozialen Wohnungsbau und für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sowie die Freistellung für regionale Investitionsbeihilfen gemäß Art. 14 AGVO oder für De-minimis-Beihilfen nach der VO 1407/2013 in Betracht.

Wertermittlung

Die Methode zur Ermittlung des Grundstückswerts ist unionsrechtlich nicht vorgegeben. Sie muss aber eine möglichst weitgehende Annäherung an den Marktwert gewährleisten. Da dieser am sichersten in einem offenen Bieterverfahren ermittelt wird, stellt sich in dem auch von Sachverständigen bevorzugt verwendeten Vergleichswertverfahren die Frage, ob die von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellten Vergleichswerte ihrerseits aus offenen Bieterverfahren stammen. Die Erfahrung zeigt, dass die Vorgabe des § 194 BauGB, wonach die zum Vergleich heranzuziehenden Grundstücksverkäufe „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr” zustande gekommen sein müssen, zu weit ausgelegt wird. Dies dürfte dem Mangel an Informationen über die Umstände des Vertragsabschlusses bei den zur Verfügung stehenden Vergleichsfällen und deren ohnehin zumeist unzureichender Anzahl geschuldet sein. Einige Gutachterausschüsse sind aber inzwischen dazu übergegangen, für ihre Kaufpreissammlungen abzufragen, ob dem Verkauf eine Ausschreibung vorangegangen ist.

Sofern bei der Wertermittlung auf einen Referenzwert, wie z. B. den Bodenrichtwert, zurückgegriffen wird, ist seine Aktualisierung sicherzustellen. Bei steigenden oder fallenden Grundstückspreisen ist in der Regel eine Fortschreibung des Bodenrichtwertes erforderlich, um dem Zeitablauf von der Bereitstellung der Daten bis zur Veröffentlichung des Bodenrichtwertes Rechnung zu tragen. Der Rückgriff auf Referenzwerte ohne Absicherung durch passende Vergleichswerte ist daher stets mit Unsicherheiten behaftet.

Bei der im Vorfeld eines Direktverkaufs durchzuführenden Wertermittlung stellt sich häufig die Frage, ob und wie von der öffentlichen Hand vorgegebene Nutzungseinschränkungen wertmindernd Berücksichtigung finden können, ohne dass der Abschlag auf den Verkehrswert als Beihilfe zu qualifizieren ist. Ein privater Grundstücksverkäufer würde keine wertmindernden Nutzungsbeschränkungen vorgeben, so dass die Annahme naheliegen könnte, dass der Erlösverzicht der öffentlichen Hand eine Beihilfe darstellt. Dabei ist aber die Doppelfunktion der öffentlichen Hand zu beachten. Sie ist in diesen Fällen nicht nur Grundstücksverkäufer, sondern erfüllt zugleich die öffentlichen Aufgaben der Stadtentwicklung und Bauplanung. Es ist daher nach der rechtlichen Natur der Nutzungsbeschränkungen zu differenzieren. Grundsätzlich können Nutzungsbeschränkungen, die sich aus der Bauleitplanung oder auch aus einem städtebaulichen Vertrag i.S.d. § 11 BauGB ergeben, wertmindernd berücksichtigt werden. Andere vertragliche Nutzungsvorgaben im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften bedürfen allerdings der beihilferechtlichen (und vergaberechtlichen) Einzelfallprüfung.

„Störangebote” von Wettbewerbern oder Projektgegnern können die Wertermittlung in Frage stellen. Angebote oberhalb des ermittelten Verkehrswertes werden von der Kommission gelegentlich als Indiz für einen höheren Marktwert des Grundstücks gewertet, da Angebote grundsätzlich eine bessere Annäherung an den Marktwert darstellen als Wertgutachten (EuG, Rs. T-268/08 „Bank Burgenland”). Nach der Rechtsprechung von EuG (Rs. T-244/08 „Konsum Nord”) und EuGH (Rs. C-39/14 „BVVG”) können diese Angebote aber unberücksichtigt bleiben, wenn sie offensichtlich spekulativen Charakter aufweisen, offensichtlich überhöht sind und die Vergleichbarkeit oder die Transaktionssicherheit nicht gegeben sind.

Reaktivierung von Industriebrachen

Der Erwerb einer Industriebrache mit dem Ziel, diese zu sanieren und ein bestimmtes Unternehmen dort anzusiedeln, lässt sich nicht nach dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers rechtfertigen, wenn die öffentliche Hand von Anfang an damit rechnen muss, die Anschaffungs- und Herstellungskosten durch den späteren Verkauf nicht decken zu können. Eine Beihilfe zugunsten des angesiedelten Unternehmens lässt sich jedoch gleichwohl ausschließen, wenn das Unternehmen das sanierte Grundstück bzw. die sanierten Bauten zu dem aus Vergleichswerten für sanierte Flächen und Bauten abgeleiteten Marktpreis erwirbt. Das negative wirtschaftliche Ergebnis des Geschäfts für die öffentliche Hand ist kein Indiz für eine Beihilfe. Die Kommission hat anerkannt, dass die Erschließung und Revitalisierung von Grundstücken eine hoheitliche Aufgabe darstellt (Beschluss zur GRW vom 27. 03. 2014, SA.36346).

Allerdings ist in diesen Fällen das Verursacherprinzip einzuhalten, um eine Beihilfe zugunsten des Verkäufers zu vermeiden. Bei der Bestimmung des Marktwerts für den Ankauf durch die öffentliche Hand sind die Altlasten abzusetzen, jedenfalls soweit den Eigentümer Beräumungs-und/oder Sicherungspflichten treffen.

Grundstücksüberlassung

Die kostenlose Überlassung kommunaler Grundstücke war zuletzt Gegenstand zweier beihilferechtlicher Entscheidungen. Diese haben gezeigt, dass die öffentliche Hand mithilfe ausgeklügelter Pachtmodelle Grundstücke ohne oder für ein geringes Entgelt zur Verfügung stellen kann, ohne dass dies in jedem Fall als Beihilfe zu werten ist.

Ausgangspunkt dieser beihilferechtlichen Bewertung ist die bei der öffentlichen Hand verbleibende Eigentümerstellung und die Wertsteigerung des Grundstücks durch das Projekt: Im Fall des neuen Stadions für den SC Freiburg bringt die Stadt das Grundstück in eine kommunale Projektgesellschaft ein, die das Stadion errichtet und an den SC verpachtet. Die Pachthöhe hängt vom sportlichen (und wirtschaftlichen) Erfolg ab, kann aber im Wesentlichen nur den Schuldendienst der Projektgesellschaft für die Baukosten decken. Das Wertsteigerungspotenzial für das weiterhin kommunale Grundstück ergibt sich vor allem aus der infrastrukturellen Anbindung an die Universität. In dem vom OVG Berlin-Brandenburg im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschiedenen Fall der pachtzinsfreien Überlassung eines denkmalgeschützten Gebäudes zur Nutzung als Jugendherberge (OVG 6 S 54.15) hat die Kommission auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass von einem marktüblichen Pachtzins die anfallenden Kosten und Lasten (Instandhaltung, Investitionen, Steuern, Abgaben und Gebühren) in Abzug gebracht werden können, soweit diese darüber hinausgehen, was ein Pächter üblicherweise zu tragen hat.

Fazit

Die Ausschreibung ist unverändert die erste Wahl, einen beihilfenfreien Grundstücksverkauf sicherzustellen. Die Erkenntnis, dass Angebote spekulativen Charakter aufweisen können, haben das für eine aktive Ansiedlungspolitik unverzichtbare Sachverständigengutachten rehabilitiert. Die Sachverständigen sind gehalten, die Wertermittlung stärker als bisher beihilfenrechtskonform auf den Preis auszurichten, zu dem ein umsichtiger privater Unternehmer an einen Dritten verkaufen würde.

 

Christoph von Donat

Rechtsanwalt und Partner, Müller-Wrede & Partner Rechtsanwälte
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