15.03.2015

Umfassende Qualitätsoffensive

Strukturänderungen im Krankenhausrecht geplant

Umfassende Qualitätsoffensive

Strukturänderungen im Krankenhausrecht geplant

Strukturreform im Krankenhausrecht: Qualität als Grundlage der Versorgung.|© Romolo Tavani - Fotolia
Strukturreform im Krankenhausrecht: Qualität als Grundlage der Versorgung.|© Romolo Tavani - Fotolia

Im Dezember 2014 hat – nach längeren Vorberatungen – eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Eckpunkte-Papier zur Reform des stationären Sektors vorgelegt. Das Leitmotiv lässt sich wie folgt umschreiben: „Qualität als Grundlage für eine künftige Kranken­haus­versorgung”. Geplant sind Änderungen vor allem im Bereich der Krankenhausplanung, des Entgeltrechts, des SGB V und der Krankenhausfinanzierung. Insgesamt soll die Krankenhausreform im Jahr 2015 voraussichtlich 900 Mio. Euro kosten, im Jahr 2016 1,3 Mrd. Euro und 2017 1,6 Mrd. Euro. Den Eckpunkten zufolge sollen dem erhebliche Minderausgaben in voraussichtlich dreistelliger Millionenhöhe gegenüberstehen, die durch Struktureffekte entstehen. Von den geplanten Änderungen, die noch in 2015 umgesetzt werden sollen, sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben:

Änderungen im Krankenhausplanungsrecht

Der Gesetzeszweck in § 1 Abs. 1 KHG soll um das Ziel der patientengerechten sowie qualitativ hochwertigen Versorgung als Grundlage für Entscheidungen der Krankenhausplanung erweitert werden. Damit wird erstmals „Qualität” als Parameter für staatliche Entscheidungen im Rahmen der Krankenhausplanung eingeführt. In diesem Zusammenhang soll es einen gesetzlichen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geben, bis zum 31. 12. 2016 erste Qualitätsindikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu entwickeln, die geeignet sind, rechtssichere Kriterien und Grundlagen für Planungsentscheidungen der Länder zu sein (planungsrelevante Indikatoren). Diese Qualitätsindikatoren sollen als „Empfehlungen” an die Länder ausgestaltet werden; durch landesrechtliche Regelungen sollen sie zum Bestandteil der Krankenhausplanung werden (können). Die Länder bleiben jedoch befugt, alternativ oder ergänzend auch eigene Indikatoren zu erarbeiten und zu verwenden.

Der Bundesgesetzgeber will zudem die rechtlichen Grundlagen schaffen, dass eine nicht oder nicht ausreichend qualitätsgesicherte Leistungserbringung eines Krankenhauses rechtliche Konsequenzen auch für die Aufnahme bzw. den Verbleib der Einrichtung im Krankenhausplan des Landes haben kann. Die Indikatoren und Maßgaben sollen im Rahmen des Auswahlermessens der zuständigen Behörde bei einer nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG notwendigen Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern verbindlich zugrunde gelegt werden. Zu diesem Zweck soll im KHG klargestellt werden, dass die Trägervielfalt bei krankenhausplanerischen Entscheidungen nur dann ausschlaggebend sein kann, wenn die Qualität der erbrachten Leistungen gleichwertig ist.


Entgeltrecht

Neben diesen eher strukturellen Instrumenten sollen die Qualitätsziele durch monetäre Anreize bzw. Sanktionen flankiert werden. So soll eine qualitätsorientierte Vergütung in die stationäre Versorgung eingeführt werden. Dafür soll der G-BA bis zum 31. 12. 2016 einen Katalog von Leistungen, Qualitätszielen und Indikatoren erstellen; auf dieser Grundlage sind im Rahmen der stationären Leistungserbringung Zu- oder Abschläge vorzusehen. Die Höhe sowie die nähere Ausgestaltung der Zu- und Abschläge sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene vereinbaren. Krankenhäuser sollen ein Jahr Zeit erhalten, beanstandete Mängel zu beseitigen, bevor sie Abschläge hinnehmen müssen. Zudem sollen Krankenhäuser, die Leistungen erbringen, obwohl sie die vom G-BA vorgeschriebene Mindestmenge unterschreiten, künftig für diese Leistungen nicht mehr bezahlt werden. Sowohl die Abschlagskalkulation als auch die Mindestmengenthematik werden praktische Umsetzungsprobleme mit sich bringen, steht doch zu erwarten, dass gerade dieser Aspekt rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen wird.

Krankenhäuser, die an der stationären Notfallversorgung teilnehmen, sollen künftig Zuschläge erhalten, die nach dem Ausmaß der vorgehaltenen Strukturen gestuft sind. Demgegenüber sollen Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen, Abschläge hinnehmen. Zudem sollen die Länder künftig bestimmen können, welche Krankenhäuser an der Notfallversorgung teilnehmen sollen.

Auch Zentren, die sich auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert haben und sich aufgrund medizinischer Kompetenz und Ausstattung von anderen Krankenhäusern abheben, sollen künftig Zuschläge erhalten. Die Höhe dieser Zuschläge sollen die Vertragsparteien vor Ort vereinbaren. Überdies sollen Universitätskliniken künftig mehr Geld erhalten. Dies soll insbesondere durch eine bessere Finanzierung der Notfallversorgung, durch Zuschläge für Zentren und durch Zuschläge für besondere Qualität erfolgen.

Künftig sollen Sicherstellungszuschläge für die Vorhaltung von Kapazitäten gezahlt werden, die aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs mit den Fallpauschalen nicht kostendeckend finanzierbar, aber zur Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Der Zuschlag wird gewährt, wenn ein entsprechendes Krankenhaus nicht nur in einzelnen Leistungsbereichen, sondern insgesamt Defizite erwirtschaftet. Die Höhe des Sicherstellungszuschlags wird durch die Vertragsparteien vor Ort verhandelt.

Förderungsinstrumente

Bund und Länder wollen einen Strukturfonds gründen, mit dem – neben der herkömmlichen Investitionsförderung durch die Länder – der Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von Krankenhausstandorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre lokale Versorgungseinrichtungen gefördert werden soll. Aus dem Gesundheitsfonds sollen dafür einmalig 500 Mio. Euro verwendet werden. Die Länder wollen noch einmal denselben Betrag zur Verfügung stellen; tun sie dies nicht, fließen auch keine Bundesmittel. Die Entscheidung über die Mittelvergabe soll im Einvernehmen mit den Krankenkassen erfolgen. Nicht verausgabte Mittel können von den anderen Ländern abgerufen werden.

Darüber hinaus wollen Bund und Länder ein Pflegestellenförderprogramm in Höhe von 660 Mio. Euro einrichten. Damit sollen ausschließlich Pflegekräfte eingestellt werden, die „am Bett” arbeiten. Bis spätestens Ende 2017 soll eine Expertenkommission zudem prüfen, ob im DRG-System ein erhöhter Pflegebedarf von demenzkranken, pflegebedürftigen und behinderten Patienten sachgerecht abgebildet ist.

In diesen Zusammenhang gehören auch die Planungen im Rahmen der laufenden SGB V-Novelle: So soll ab 2016 beim G-BA ein Innovationsfonds (§ 92a SGB V) geschaffen werden mit dem Ziel, innovative sektorenübergreifende Versorgungsformen und die Versorgungsforschung, wie bspw. Telemedizin oder Modelle zur Delegation und Substitution von Leistungen, zu fördern. Auf diese Weise sollen von 2016 bis 2019 insgesamt 300 Mio. Euro jährlich bereitgestellt werden, von denen 150 Millionen Euro von den Krankenkassen und 150 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden. Zur Durchführung der Förderung wird beim G-BA ein Innovationsauschuss als neues Gremium eingerichtet (§ 92b SGB V); er soll die konkreten Förderschwerpunkte und -kriterien festlegen und die Verteilung der Fördermittel regeln.

Weitere Maßnahmen

Zu den strukturellen und finanzierungstechnischen Elementen kommen weitere qualitätssteigernde Maßnahmen hinzu:

  • Der G-BA soll den Einsatz von OP-Checklisten verbindlich regeln.
  • Bei planbaren Eingriffen, die der G-BA als „mengenanfällig” eingestuft hat, sollen gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf eine Zweitmeinung erhalten.
  • Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) soll Krankenhäuser künftig unangemeldet kontrollieren können, um zu prüfen, ob die Häuser die Qualitätsvorgaben des G-BA einhalten.
  • In die Qualitätsberichte der Krankenhäuser sollen künftig „besonders patientenrelevante Informationen in übersichtlicher Form zusätzlich in einem speziellen Berichtsteil” aufgenommen werden, zum Beispiel Maßzahlen über die Personalausstattung, die Erfüllung von Hygienestandards oder die Anwendung gängiger Verfahren zur Arzneimittelsicherheit.
  • Der G-BA soll bis zum 31. 12. 2016 planbare Leistungen festlegen, für die Krankenkassen und Krankenhäuser sogenannte Qualitätsverträge abschließen sollen. Darin soll – zunächst einmal zeitlich befristet – erprobt werden, inwieweit Versorgungsverbesserungen „durch Vereinbarungen von Anreizen und die Vereinbarung höherwertiger Qualitätsstandards” zu erreichen sind.
  • Im Bereich des vertragsärztlichen Notdienstes sollen Kassenärztliche Vereinigungen dazu verpflichtet werden, mit Krankenhäusern zu kooperieren. Eine stärkere Kooperation soll auch im Bereich der Leitstellen erfolgen.
  • Bund und Länder wollen ein Transplantations- und ein Implantateregister einführen. Mit dem Transplantationsregister soll eine Zusammenführung und damit eine Auswertung der Daten von der Organentnahme bis zur Nachbetreuung ermöglicht werden. Beide Register sollen noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werden.

Umsetzungsschritte

Das umfangreiche Konzept soll nunmehr – beginnend noch in diesem Jahr – umgesetzt werden. Dazu bedarf es entsprechender Änderungen vorrangig im Bundesrecht, daneben aber auch der Anpassung in den einzelnen Ländergesetzen. Da die Vorstellungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe neben einiger Zustimmung auch schon vereinzelt Widerstände provoziert haben, dürfen sich alle Akteure auf einen spannenden Umsetzungsprozess einrichten. Dabei muss es vor allem darum gehen, der Praxis ein rechts- und anwendungssicheres Instrumentarium an die Hand zu geben, welches sich nicht pauschal in der Wiedergabe rechtspolitischer Absichtserklärungen erschöpft. Bei den Förderprogrammen sollte man es nicht bei einzelnen Strohfeuern belassen, vielmehr muss es gelingen, nachhaltig Strukturverbesserungen auf den Weg zu bringen.

 

Dr. Frank Stollmann

Leitender Ministerialrat
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