15.03.2015

Sicher ist sicher

BVerwG wertet Grippeschutzimpfung als Dienstunfall

Sicher ist sicher

BVerwG wertet Grippeschutzimpfung als Dienstunfall

Die Impfung erfolgte mit Einverständnis des Dienststellenleiters und während der Arbeitszeit.|© sharryfoto - Fotolia
Die Impfung erfolgte mit Einverständnis des Dienststellenleiters und während der Arbeitszeit.|© sharryfoto - Fotolia

Kann die Infizierung durch eine Grippeschutzimpfung ein Dienstunfall sein? Ja, entschied das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 29. 08. 2013 – 2 C 1.12), wenn die Krankheit in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Die Impfung sei als dienstliche Veranstaltung zu verstehen.

Rückenmarksentzündung durch Grippeschutzimpfung

Durch eine Grippeschutzimpfung hatte sich ein 54 Jahre alter Polizeibeamter mit einer „cervialen Myelitis” (Entzündung des Rückenmarks) infiziert. Die Folge war eine Störung der gesamten Motorik der rechten Körperhälfte. Die Impfung erfolgte mit Einverständnis seines Dienststellenleiters und während der Arbeitszeit. Er fuhr mit dem Dienstwagen zum polizeiärztlichen Dienst. Durch einen Aushang im Polizeirevier war er auf diese kostenlose Impfaktion aufmerksam geworden.

Der Polizist stellte bei der Polizeidirektion einen Antrag auf Anerkennung der Grippeschutzimpfung als Dienstunfall. Dieser wurde jedoch abgelehnt. Auch seine Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht (VG) erfolglos, so wie auch die Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG). Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass, selbst dann, wenn man unterstelle, die Impfung sei die wesentliche Ursache für die körperlichen Beschwerden des Polizeibeamten, dieser keinen Anspruch auf Anerkennung der Impfung als Dienstunfall habe. Vielmehr sei das schädigende Ereignis dem privaten Lebensbereich des Beamten zuzuordnen, weil er den Polizeiarzt vorrangig aus privaten Gründen aufgesucht habe. Weder der Besuch beim Arzt während der Dienstzeit noch die Impfung gehörten zu seinen Dienstaufgaben, auch stünden sie damit nicht im engen Zusammenhang.


Der Polizist ging gegen das Urteil in Revision – mit Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hob das Urteil des OVG auf und verwies die Sache an das OVG zur erneuten Entscheidung zurück.

Impfung als dienstliche Veranstaltung

Zur Begründung seiner Entscheidung (Urteil vom 29. 08. 2013 – 2 C 1.12) äußerte sich das BVerwG wie folgt: Ein Dienstunfall sei ein „auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist” (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz [BeamtVG]). Zum Dienst gehöre auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen (Satz 2 Nr. 2 der Bestimmung).

Die Zuordnung der Grippeschutzimpfung zur Risikosphäre des Dienstherrn nach den Kriterien Dienstzeit und Dienstort scheidet hier aus. Zwar ließ sich der Polizeibeamte während der Dienstzeit impfen. Das Dienstgebäude des polizeiärztlichen Dienstes war jedoch zum Zeitpunkt der Impfung nicht der Dienstort des Beamten, da dieser seine dienstlichen Pflichten in einem anderen Polizeirevier zu erfüllen hatte. Weder hatte der Dienstherr ihn angewiesen, sich beim polizeiärztlichen Dienst impfen zu lassen, noch hatte er auch nur eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

Schutzimpfung war der dienstlichen Risikosphäre zuzuordnen

Allerdings war die Grippeschutzimpfung nach Auffassung des Gerichts aus folgenden Gründen eine dienstliche Veranstaltung: Der Gesetzgeber hat mit der ausdrücklichen Aufführung der dienstlichen Veranstaltung den gesetzlichen Dienstunfallbegriff nicht erweitert. Lediglich sollte klargestellt werden, dass neben dem eigentlichen Dienst auch dienstlich anberaumte Veranstaltungen zum Dienst gehören.

Eine Veranstaltung erhält dabei ihre entscheidende Prägung, wenn sie:

  • im Zusammenhang mit dem Dienst steht,
  • dienstlichen Interessen dient und, sei es unmittelbar oder mittelbar,
  • von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen und damit in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen ist.

Zwar muss der Dienstvorgesetzte die Veranstaltung nicht ausdrücklich als „dienstlich” bezeichnet haben. Wichtig ist vielmehr, ob aus dem Verhalten des Dienstvorgesetzten auf einen entsprechenden Willen geschlossen werden kann. Laut dem BVerwG war dies hier der Fall.

Grippeschutzimpfung lag in der Verantwortung des Dienstherrn

Zum einen, so das BVerwG weiter, lag die Grippeschutzimpfung vollständig in der Verantwortung des Dienstherrn. Denn er hatte die Impfung sämtlichen Bediensteten seines Geschäftsbereichs durch einen Aushang angeboten. Auch hatte der Dienstherr, durch die Schilderung der echten Virusgrippe als lebensbedrohliche Erkrankung sowie durch den Hinweis auf eine gute Verträglichkeit des Impfstoffs, sein Interesse an der Teilnahme der Mitarbeiter deutlich zum Ausdruck gebracht. Ferner hatte es der Dienstherr gestattet, dass sich die Bediensteten während der Dienstzeit impfen lassen. Da der Dienstherr selbst den Impfstoff, das Personal und die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte und sämtliche Kosten der Impfung übernahm, war die Impfung als dienstliche Veranstaltung erkennbar.

Das OVG hat nunmehr die Frage zu klären, ob die Grippeschutzimpfung auch tatsächlich die wesentliche Ursache für die diagnostizierte Erkrankung ist.

 
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