15.03.2015

Das Phänomen PEGIDA

Eine sicherheitspolitische Betrachtung

Das Phänomen PEGIDA

Eine sicherheitspolitische Betrachtung

Während Pegida- und Anti-Pegida-Demonstrationen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen.|© Denis Junker - Fotolia
Während Pegida- und Anti-Pegida-Demonstrationen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen.|© Denis Junker - Fotolia

Die seit Oktober 2014 aktive Organisation „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abend­landes” (PEGIDA) dominierte wochenlang die Berichterstattung in den Medien. Doch nach der Spaltung scheint die Protestbewegung ihr Ende gefunden zu haben. Schon zuvor waren die Anhänger der PEGIDA-Ableger in den meisten Städten zahlenmäßig den Gegendemonstranten deutlich unterlegen. Insgesamt bleibt das Phänomen einzigartig, es hinterlässt Fragen und auch Befürchtungen. Denn mittels dieser Bewegung wurden Bedürfnisse artikuliert, die mit deren Ende nicht zwangsläufig aufgelöst sind.

Gründung

Die Formierung der PEGIDA verlief in beispiellos rasanter Weise. Sie begann mit der Facebook-Gruppe „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” am 11. Oktober 2014 durch Lutz Bachmann. Seit dem 20. Oktober rufen die Organisatoren zum „Abendspaziergang” auf, seit dem 19. Dezember 2014 ist die Initiative ein eingetragener Verein. Anlass waren nach eigenen Angaben die gewalttätigen Eskalationen zwischen Kurden und Muslimen sowie die umstrittene Waffenlieferung Deutschlands an kurdische Kämpfer mit Bezug zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Irak im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Die Organisatoren richten sich u. a. gegen eine empfundene Islamisierung des Abendlandes, mit welcher Parallelstrukturen geltendes Recht unterwandern, und frauenverachtende Praxen aufgrund islamischer Glaubensinhalte.

Sie sprechen sich für eine Regulierung der Zuwanderung und des Asyls aus, mit dem hilfesuchenden Verfolgten Unterstützung und Zuflucht geboten, jedoch Armutseinwanderung unterbunden werden müsse. Das Positionspapier distanziert sich explizit von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass.


Umstrittene Organisatoren

Während die im Positionspapier vertretenen Grundsätze und Anliegen demokratischem Gedankengut entsprechen, ist die PEGIDA-Bewegung nicht zuletzt wegen der Organisatoren heftig umstritten. Nach offiziellen Angaben handelte es sich vor dem Zerwürfnis Ende Januar 2015 um zwölf Personen. Der Initiator Lutz Bachmann ist aufgrund von Wohnungseinbrüchen bereits inhaftiert gewesen und wegen Kokainbesitzes vorbestraft. Noch Bewährung darf er keine öffentlichen Ämter bekleiden. Bachmann sorgte wegen eines nachgestellten Hitlerfotos und rassistischen Facebook-Kommentaren für Negativschlagzeilen, die zum offiziellen Rückzug aus der PEGIDA-Führung führten. Das ehemalige Vorstandsmitglied der CDU, Thomas Tallacker, ist wegen Körperverletzung vorbestraft und ebenfalls wegen ausländerfeindlicher Parolen negativ aufgefallen. Ein ähnlicher Vorwurf wegen Facebook-Kommentaren wird Siegfried Däbritz gemacht. Anders verhält es sich mit der bislang unbekannten Wirtschaftsberaterin Kathrin Oertel, die auf den PEGIDA-Demonstrationen stets das friedliche Miteinander der Teilnehmer einforderte und über keinen bekannten rechtsextremen und kriminellen Hintergrund verfügt. Sie sollte als das Gesicht der Organisation für eine konservative Bewegung ohne rechtsextreme Inhalte stehen.

Politische Gesinnung der Teilnehmer

Am 14. Januar präsentierte ein Forscherteam um den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hans Vorländer von der TU Dresden die Ergebnisse von Umfragen innerhalb der PEGIDA-Teilnehmer. Dafür wurden ca. 400 von 1.200 angesprochenen Teilnehmer nach soziodemographischen Merkmalen und ihrer Motivation zur Teilnahme während drei Demonstrationen befragt. Demnach stehen 70 Prozent der befragten Demonstrationsteilnehmer im Beruf, der Altersdurchschnitt liegt bei 48 Jahren, der überwiegende Teil der Anhänger ist männlich.

Die befragten Teilnehmer der Demonstrationen gegen die „Islamisierung des Abendlandes” gaben nur knapp ein Viertel an, durch „Islam, Islamismus oder Islamisierung” motiviert zu sein. Das Hauptmotiv sei vielmehr eine generelle „Unzufriedenheit mit der Politik” und Kritik an Medien und Öffentlichkeit.

An dritter Stelle folgen grundlegende Ressentiments gegenüber Zuwanderern und Asylbewerbern. Klare Präferenzen für eine Partei gibt es nicht, 62 % geben an, keinerlei Parteiverbundenheit zu besitzen, 17 % bekunden Sympathien für die AfD, der Rest ist verteilt, 9 % befürworten eher die CDU, 4 % die NPD, 3 % die Linke. Somit sind die Anhänger der PEGIDA hinsichtlich ihrer politischen Gesinnung differenziert zu betrachten. Einzelne Politiker, wie unlängst Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, zeigten sich gesprächsbereit mit den Anhängern.

Gegenstimmen und Demonstrationen

Medien, Politiker und Personen in den sozialen Netzwerken äußerten sich seit Beginn der PEGIDA-Versammlungen empört über deren Inhalte und ordneten die Bewegung als neue rechtsextreme Welle ein. Die Bewegung wurde von an als „islamkritisch” oder auch „islamfeindlich” attribuiert. In der Tat grenzten sich die Veranstalter nicht von teilnehmenden Neonazis und Hooligans ab, baten diese jedoch, die Veranstaltung nicht an sich zu reißen, da sie friedlich demonstrieren wollen und Gewalt ihrem Anliegen schade. Am 26. Januar 2015 wurde bekannt, dass die Anzahl rassistischer Gewalttaten seit November 2014 stark zugenommen hat, was Politikwissenschaftler mit der medialen Präsenz von PEGIDA in Zusammenhang bringen.

Gegner der PEGIDA riefen in vielen Städten zu Gegenprotesten und -aktionen auf. Die wöchentlichen Demonstrationen von PEGIDA-Ablegern und deren Gegendemonstrationen sind für die Polizei deutschlandweit zu einer großen Belastung geworden. Während es auf Seiten von PEGIDA, vor allem bei den Ablegern in anderen Städten, vereinzelt zu Ausschreitungen rechtsextremer Personen sowie Akteure örtlicher Hooligan-Szenen kommt, griffen zunehmend linksextreme Aktivisten aus der Antifa-Szene in die Gegendemonstrationen ein und sowohl PEGIDA-Teilnehmer als auch Polizisten an.

Auswirkungen des personellen Zerwürfnisses bei PEGIDA

Am 28. Januar 2015 wurde bekannt, dass sich vier Mitglieder der PEGIDA-Organisation von selbiger zurückzogen. Begründet wurde dies sowohl mit mangelnder Abgrenzung zu rechtsextremen Personen und interpersonellen Streitigkeiten vor allem mit dem offiziell zurückgetretenen Lutz Bachmann. Diese Meldung kam völlig unerwartet und rief Spekulationen der Medien über ein nahendes Ende des Phänomens PEGIDA hervor.

Die Streitigkeiten der Führungsebene und auch eine Auflösung der Bewegung können unterschiedliche Auswirkungen haben. Mitunter können sie zu Verdrängungseffekten führen, die beispielswiese die rechtsradikale HoGeSa oder ähnliche gewaltbereite Bündnisse wieder aufleben lassen. Aktuell schrumpfen die Teilnehmerzahlen für PEGIDA, aber auch für die von Kathrin Oertel gegründete „Direkte Demokratie für Europa” lag die Teilnehmerzahl der ersten Demonstration am 8. Februar 2015 deutlich unter den Erwartungen von 5.000. Aufgrund der beherrschenden Präsenz in den Medien aber auch in den politischen Debatten ist zu vermuten, dass die proklamierten Inhalte weiter Thema in Deutschland sind.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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