15.12.2013

Straßenbrücken: Kommunen in Not

Notwendiger Investitionsbedarf bis 2030 bei etwa 16 Milliarden Euro

Straßenbrücken: Kommunen in Not

Notwendiger Investitionsbedarf bis 2030 bei etwa 16 Milliarden Euro

Brückenkunst – Zukunft ab 2030 ungewiss: Das \"Blaue Wunder\" wurde 1893 als fünfte Dresdner Elbbrücke erbaut. | © Ute Schwendt - Fotolia
Brückenkunst – Zukunft ab 2030 ungewiss: Das \"Blaue Wunder\" wurde 1893 als fünfte Dresdner Elbbrücke erbaut. | © Ute Schwendt - Fotolia

Ein großer Teil der Straßen in Deutschland befindet sich in der Baulastträgerschaft der Kommunen. Städte, Kreise und Gemeinden sind daher für Bau, Unterhalt und Betrieb zuständig und müssen die Kosten dafür tragen. Dies gilt nicht nur für Straßen, sondern auch für Straßenbrücken. Die rund 67.000 Straßenbrücken, für die die Kommunen zuständig sind, befinden sich häufig in schlechtem oder nur gerade noch ausreichendem baulichen Zustand.

Waren die Kenntnisse über den Erhaltungszustand der Straßenbrücken in der Baulast des Bundes vergleichsweise gut, lagen zu kommunalen Straßenbrücken bislang keine deutschlandweiten Daten vor. Selbst die Brückenzahl konnte bisher nur geschätzt werden. Es wurde aber vermutet, dass der Zustand der kommunalen Straßenbrücken im Vergleich noch schlechter eingestuft werden muss: Bekanntlich ist der Investitionsrückstand im Bereich der kommunalen Straßen und Verkehrsinfrastruktur besonders hoch – verursacht unter anderem durch die chronischen Haushaltsdefizite in vielen Gemeinden und Kreisen.

Erstmals repräsentative Zahlen zu kommunalen Straßenbrücken

Aus diesem Grund waren Straßenbrücken in kommunaler Baulast – speziell deren Ersatzneubaubedarf – Untersuchungsgegenstand einer aktuellen repräsentativen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), die nun zu dem Ergebnis kam, dass tatsächlich viele dieser Brücken bis zum Jahr 2030 entweder saniert oder sogar komplett neu gebaut werden müssen. Die dafür notwendigen Investitionsmittel für den Ersatz von Brücken beziffert das Institut auf rund elf Milliarden Euro bis 2030, hinzu kommen – grob geschätzt – noch etwa fünf bis sechs Milliarden Euro für den Ersatz von Brückenteilen („Teil-Ersatzneubau“). Knapp die Hälfte dieser kommunalen Brücken weist schlechte Zustände auf (Noten ab 2,5 und höher). Schlechte Zustandsnoten der kommunalen Straßenbrücken sind überproportional häufig in den neuen Bundesländern und in kleinen Gemeinden zu finden.


Mit der im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (BBS) und der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) erstellten Difu-Studie liegen damit erstmals deutschlandweit belastbare Daten zur Zahl, Länge, Fläche sowie zum Zustand der Straßenbrücken in kommunaler Baulast vor. Der Sanierungs- und Erneuerungsbedarf betrifft Kommunen deutschlandweit gleichermaßen. Sind im Osten überproportional viele Brücken betroffen, die vor 1945 gebaut wurden, so befinden sich im Westen viele Brücken mittlerweile „im kritischen Alter“ und müssen bald erneuert werden. Dazu gehören vor allem Brücken aus den 1960er bis 1980er-Jahren, die von einem starken Ausbau der Infrastruktur geprägt waren.

Verantwortlich für die sich dramatisch zuspitzende Situation sind außerdem:

  • erhebliche Zunahme des Schwerlastverkehrs,
  • Geschwindigkeitssteigerungen,
  • früherer massiver Streusalzeinsatz,
  • saurer Regen,
  • vorzeitige Alterungserscheinungen wegen unzureichender Baukonstruktionen bei einem Teil der Spannbetonbrücken der 1960er / 1970er-Jahre,
  • nicht ausreichende Brückenunterhaltung in den Kommunen über viele Jahre.

Hohes Investitionsdefizit bei großem Investitionsbedarf

Laut Studie müssen rd. 10.000 (15 %) der Brücken in Kommunen komplett ausgetauscht werden, dies ist aber bisher nach Auskunft der befragten Kommunen nur bei etwa der Hälfte tatsächlich bereits geplant und führt grob geschätzt zu einem jährlichen Investitionsdefizit von 500 Mio. €.

Unterlassener Ersatzneubau wiederum hat erhöhte Instandsetzungsausgaben zur Folge und kann zu Verkehrs­einschränkungen führen. Der durch Brückensperrungen entstehende Ausweichverkehr hat wiederum negative
Auswirkungen auf andere kommunale Straßenbrücken: So verursacht beispielsweise die Sperrung der Leverkusener Autobahnbrücke eine dreifache Verkehrsbelastung der Mülheimer Brücke in Köln.

Kleine Gemeinden (2.000 bis 5.000 Einwohner) haben durchschnittlich zehn Straßenbrücken, größere Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern im Durchschnitt 80 Straßenbrücken – die Spanne reicht bis zu 300 Brücken bei den größten befragten Städten. Die Stadtstaaten wurden aus methodischen Gründen nicht befragt. Gemessen an der Einwohnerzahl haben kleine Gemeinden überproportional viele Brücken mit „Ersatzneubaubedarf“ und damit den höchsten Investitionsbedarf pro Kopf. Absolut gesehen haben allerdings Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern den höchsten Investitionsbedarf, da sie mehr und größere Brücken besitzen.

Besonders hohen Ersatzneubaubedarf haben die Kommunen in Nordrhein- Westfalen mit einem Investitionsbedarf bis zum Jahr 2030 in Höhe von 2,5 Mrd. € – u. a. aufgrund überdurchschnittlich vieler Brücken mit hoher Verkehrsleistung. In Nordrhein-Westfalen als Bundesland mit hoher Bevölkerungs- und Verkehrsdichte ist die absolute Fläche der Straßenbrücken in kommunaler Baulast besonders hoch (6,3 Mio. m²).

Besonders hohen Ersatzneubaubedarf haben aber auch die ostdeutsche Kommunen. Diese angesichts der hohen Modernisierungsinvestitionen in den neuen Bundesländern überraschende Diagnose ist einfach zu erklären: Investitionsprogramme der neuen Bundesländer bezogen sich vorrangig auf Fernverkehrswege (z. B. Verkehrsprojekte Deutsche Einheit). Bei der Straßeninfrastruktur der Kommunen gibt es jedoch weiterhin erheblichen und überproportionalen Nachholbedarf, da auch das Städtebauförderprogramm „Stadtumbau Ost“ vor allem wohnungswirtschaftlich angelegt war und kaum Maßnahmen zum Rückbau oder zur Erneuerung von technischen Infrastrukturen förderte. So konnten Hauptverkehrsstraßen allenfalls mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz finanziert werden.

Investitionsstau stellt Gefahr für die Leistungsfähigkeit des Straßensystems dar

Für die Studie wurden teilweise neue methodische Vorgehensweisen gewählt, da die bisherige Datenlage für die kommunale Straßeninfrastruktur unzureichend war. Um die Zahl der kommunalen Straßenbrücken belastbar zu ermitteln, wurden erstmalig und in einem neuartigen Verfahren Daten aus geografischen Informationssystemen (GISDaten – OpenStreetMap) ausgewertet. Nach einer Methodenanalyse wurde ein flächenbezogener Ansatz zur Hochrechnung der Kosten für den Ersatzneubau gewählt. Die hier vorgenommene Hochrechnung geht insofern weiter als bisherige Studien, da sie auf den beschriebenen neu erschlossenen Datenquellen zu kommunalen Straßenbrücken fußt. Grundlage der Hochrechnung sind außerdem die Kenntnisse von Fachleuten in den befragten Kommunen über den Umfang des notwendigen Ersatzneubaubedarfs bis zum Jahr 2030.

Der Studie lag eine umfangreiche Kommunalbefragung bei etwa 2.000 Städten, Kreisen und Gemeinden zugrunde. Darin wurde nach Einschätzungen der kommunalen Brückenexperten zum Ersatzneubaubedarf und zur Struktur der kommunalen Straßenbrücken gefragt. Mit Antworten aus 500 Kommunen zur Situation der Straßenbrücken insgesamt (die etwa 14.000 Straßenbrücken repräsentieren) und ebenfalls vertiefende Angaben zu knapp 500 einzelnen Brücken sind die Ergebnisse repräsentativ für die kommunalen Straßenbrücken in Deutschland.

Die Unterfinanzierung der Kommunen beim Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur ist evident. Straßenbrücken sind komplexe und sehr teure Ingenieurbauwerke. Der jetzige Investitionsstau stellt jedoch zunehmend eine Gefahr für die Leistungsfähigkeit des Straßensystems in Deutschland dar. Hier entsteht dringender Handlungsbedarf. Ein mehrjähriges Brückenerneuerungsprogramm könnte den Investitionsstau auflösen, der insbesondere durch eine Häufung des vorzeitigen Ablaufs der Lebensdauer von Brücken aus den 1950er bis 1970er-Jahren resultiert. Mittel- und langfristig müssen aber andere Finanzierungsmodelle entwickelt werden.

 

Dr.-Ing. Wulf-Holger Arndt

Deutsches Institut für Urbanistik, Bereich Mobilität und Infrastruktur, Berlin
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