15.12.2013

Die Ökonomie des Salafismus

Kosten und Nutzen der aggressiven Rekrutierung

Die Ökonomie des Salafismus

Kosten und Nutzen der aggressiven Rekrutierung

Wer finanziert eigentlich die vielen, in Deutschland kostenlos verteilten Korane? | © Rıza - Fotolia
Wer finanziert eigentlich die vielen, in Deutschland kostenlos verteilten Korane? | © Rıza - Fotolia

Anhänger der Salafiyya in Deutschland sorgen nahezu täglich für Schlagzeilen. Während sie sich in Hessen vor Schulen postieren, um Schüler von ihren Ansichten zu überzeugen, gründen sie vor allem in Nordrhein-Westfalen neue Vereine und laden zu groß angelegten Benefizveranstaltungen ein. Und nicht zuletzt das Projekt „Lies!“, in welchem seit letztem Jahr angeblich 25 Millionen Gratis-Korane verteilt werden sollen, spricht für solide finanzielle Ressourcen. Allerdings geht die Mehrheit der bekennenden Salafisten in Deutschland keiner geregelten Tätigkeit nach. Entsprechend stellt sich die Frage, wie sie ihre Aktionen, Kundgebungen mit Infomaterialien, diversen Webauftritten usw. finanzieren.

Strömungen der Salafiyya-Bewegung in Deutschland

Von derzeit in Deutschland lebenden rund 4,3 Millionen Menschen mit muslimischem Glauben sind nach Schätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) aus dem Jahr 2012 über 4.500 Salafisten. Damit entspricht der Anteil der salafistisch orientierten Muslime nur 0,1 Prozent der gesamten muslimischen Bevölkerung und steht in keinem Verhältnis zu dem Platz, den er innerhalb der hiesigen Islamdebatte einnimmt.

Durch die Verstärkung der Propaganda in den Fußgängerzonen deutscher Städte, Veranstaltungen mit mehreren Hundert Personen und ihre massive Präsenz im Internet erwecken die Anhänger jedoch den Anschein einer sehr großen Bewegung.


Bewusste Lebweise am Rande der Armut

Salafisten vertreten eine Lebweise, die sich nach Glaubensvorfahren um den Propheten Mohammed orientiert und ganz auf das Leben nach Allahs Willen ausgerichtet ist. Dies bedeutet nicht nur die Einhaltung aufwendiger Glaubensriten, sondern auch Bescheidenheit und ein Leben am Rande der Armut. Für einen freiwirtschaftlichen Arbeitgeber gegen Geld tätig zu werden, ist für die meisten Salafisten nicht mit ihrer Glaubensauffassung vereinbar, da sie niemandem dienen wollen außer Allah. Für Frauen ist eine bezahlte Tätigkeit durch ihre sehr eingeschränkte Rolle regelmäßig verboten. Darüber hinaus sind Tätigkeiten, die mit der traditionellen Vollverschleierung des Körpers konform gehen können, in Deutschland kaum vorhanden. Somit bezieht ein Großteil der Anhängerschaft staatliche Leistungen nach dem SGB II.

Rekrutierungsarbeit als Kostenfaktor

Der Auftrag zur Missionierung (Da`wa) macht das Bekehren von Menschen zur wichtigsten Aufgabe der Bewegung. Dieser Auftrag zur Rekrutierung neuer Anhänger kostet viel Geld. Die Methoden zur Mitgliederwerbung entsprechen diversifizierten Marketingstrategien. Neben unterschiedlichsten Onlineangeboten, von direkt als salafistisch betriebenen Seiten bis hin zu neutral aufgebauten Informationsplattformen und zeitweise sogar einer Online-Universität und Sprachkursen, sprechen die betreibenden Salafisten unterschiedliche Zielgruppen an. Auch die Wahl der Publikationen, vom Gratis-Koran bis über Informationsbroschüren zum Leben des Propheten, der Frau im Islam und das Verhältnis zum Christentum, soll unterschiedliche Personengruppen ansprechen. Darüber hinaus bemühen sich Salafisten immer mehr um eine jugendliche Zielgruppe, die sie ebenfalls mit altersgerechten Angeboten und häufig über Internetangebote versuchen anzusprechen.

Kleinspenden als alleinige Finanzierungsquelle?

Nach Angaben der Salafisten finanzieren sie all ihre Projekte, wie auch die großangelegte Koranverteilung in Deutschland, durch die Kleinspenden der Anhängerschaft. Bereits am Beispiel der ersten Koranausgaben, die verteilt wurden, muss man dies anzweifeln. Der mutmaßliche Initiator der Koranverteilung, Ibrahim Abou Nagie, erklärte im April 2012, dass die verteilten Korane in blauem Einband durch eine Sonder­edition an Koranen in rotem Einband finanziert wurden. Statt einen Euro, den die Herstellung gekostet habe, hätten die Anhänger drei Euro gezahlt und somit die Gratisausgaben gegenfinanziert. Eine Ulmer Druckerei hatte als erste Auflage einen Auftrag von 300.000 Exemplaren, die vorab überwiesen wurden (rund 300.000 Euro). In Deutschland wird die salafistische Szene inklusive Unterstützer auf etwa 5.000 Personen geschätzt. Wenn lediglich dieser Personenkreis Kleinspenden in oben beschriebener Weise beigetragen hätte, wäre die Aktion in dieser Weise nicht durchführbar gewesen.

Weitere Spendenformen

Der Bezug salafistischer Akteure vor allem nach Saudi-Arabien führt unweigerlich zu der Frage, inwieweit Salafismus von dort eine finanzielle Förderung erfährt. Der Stuttgarter Verfassungsschützer Benno Köpfer vermutet in der finanziellen Unterstützung Saudi-Arabiens den Grund, warum der Salafismus in Deutschland an Bedeutung und Größe stetig wachsen kann (vgl. Wehner, M. auf faz.net vom 02. Juli 2011: Saudi-Arabien unterstützt Salafisten in Deutschland). Aber auch im Inland finden Salafisten immer neue Strategien, Spenden zu generieren. So entstehen unterschiedliche Spendenplattformen und Benefizevents, in welchen für notleidende Muslime im Ausland gespendet werden soll. Besonders der neugegründete salafistische Verein „Helfen in Not e.V.“ aus Neuss betreibt aufwendige Aufrufe nach Spenden und produziert Videos über die Reisen der Anhänger nach Syrien, Bangladesch und Burma. Die Sammlung von Spenden zu ausschließlich wohltätigen Zwecken muss indes angezweifelt werden, vielmehr besitzen die Videos Werbecharakter.

Unternehmerische Tätigkeiten

Auch Salafisten zeigen zuweilen Geschäftssinn. So bieten sie mit „selisha.de“ eine Alternative zu Ebay an. Konzept ist eine Einkaufsplattform von Gläubigen für Gläubige. Der Begründer des Onlinehandels, Selim Reid, hat zu diesem Zweck eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, auf selisha.de eingestellt. In diesem wird festgestellt, dass der Handel eine im Islam empfohlene und vor allem traditionelle Praxis ist. Das Verkaufsportal selisha.de wird großflächig auf Internetseiten beworben, auf denen Salafisten für ihre Bewegung werben und Fragen von Anhängern beantworten. So können auch streng gläubige Muslime dort einkaufen. Selisha.de verdeutlicht das wirtschaftliche Kalkül der Salafisten. Auf dem Portal sollen sich etwa 5.000 Personen angemeldet haben, bis zu 100 Artikel würden täglich verkauft. Doch verbucht der Geschäftsinhaber offiziell keinerlei Gewinne. Erlöse gingen an die Gemeinde und soziale Projekte. Zusätzlich gründete Reid eine Mitfahrzentrale ausschließlich für Muslime. Was in deutschen Medien als Geschäftsidee gepriesen wurde, verschleiert die Tatsache, dass Reid Nicht-Muslimen unterstellt, dass sie Muslimen bereits durch persönlichen Kontakt schaden (Vgl. Dienstbühl, D. in Deutsche Polizei 9/2013: Die staatliche Grundsicherung radikaler Subkultur).

Fazit

Salafisten verfügen offensichtlich über hohe Geldmittel. Diese sind notwendig, um die Salafiyya am Leben zu erhalten und sie weiter auszubauen. Führende Köpfe der Bewegung kalkulieren sehr wirtschaftlich. Die Geldflüsse innerhalb der Bewegung nachzuvollziehen, ist unumgänglich, möchte man die Salafiyya und ihre Wirkweise in Deutschland verstehen. Gleichzeitig bietet die strenge Überprüfung der Herkunft der Gelder unter Umständen eine Möglichkeit, der Ausbreitung einer Ideologie entgegenzuwirken, die die demokratische Grundordnung als verwerflich ablehnt und bekämpft.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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