15.03.2013

Steuerliche Mehrbelastungen ab 2018?

Die Umsatzbesteuerung von hoheitlichen Beistandsleistungen

Steuerliche Mehrbelastungen ab 2018?

Die Umsatzbesteuerung von hoheitlichen Beistandsleistungen

Auch die Abfallwirtschaft ist von der drohenden Besteuerung von Beistandsleistungen betroffen. | © Jürgen Fälchle - Fotolia
Auch die Abfallwirtschaft ist von der drohenden Besteuerung von Beistandsleistungen betroffen. | © Jürgen Fälchle - Fotolia

Der langjährigen Diskussion über die Umsatzbesteuerung der bisher als nicht umsatzsteuerbar behandelten Beistandsleistungen wurde durch jüngere Urteile des BFH neue Dynamik verliehen. Die Verwaltung sieht nun eine Übergangsregelung für die Umsatzsteuerpflicht für hoheitliche Beistandsleistungen voraussichtlich bis zum Jahr 2017 vor.

Unter einer „Beistandsleistung“ versteht man eine Unterstützungsleistung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Wege der Amtshilfe. Eine solche Unterstützungsleistung kann dabei in Form der Erfüllung hoheitlicher Tätigkeiten oder in Form der Erfüllung von Hilfsgeschäften oder Teilaufgaben erfolgen, die selbst keinen hoheitlichen Charakter haben (z.B. Personalgestellung, Datenverarbeitung, gemeinsames Rechenzentrum).

Die Entscheidung des BFH

Der BFH entschied mit Urteil vom 10. 11. 2011 (Az. V R 41/10), dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts immer dann als Unternehmer tätig wird, wenn sie ihre Leistungen entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbringt und dabei in Wettbewerb zu Privaten tritt.


Infolgedessen wären auch Leistungen, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts an den hoheitlichen Bereich einer anderen juristische Person des öffentlichen Rechts erbringt (sog. Beistandsleistungen) entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung umsatzsteuerbar und i.d.R. umsatzsteuerpflichtig, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihren Leistungen in Wettbewerb mit privaten Dritten tritt.

Damit folgt der BFH den Vorgaben des Unionsrechts, die Unternehmereigenschaft von juristische Personen des öffentlichen Rechts zukünftig allein nach umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen und damit eine Gleichbehandlung mit anderen Unternehmern herbeizuführen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen in § 2 Abs. 3 UStG – nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art (BgA) umsatzsteuerpflichtig. Nach der gegenwärtigen Verwaltungsauffassung richtet sich die Frage nach dem Vorliegen eines BgA allerdings noch nach der ertragsteuerlichen Betrachtungsweise, so dass Tätigkeiten der Vermögensverwaltung als nicht umsatzsteuerbare Leistung betrachtet werden. Hinsichtlich der Beistandsleistung stellte die Finanzverwaltung bisher darauf ab, ob die Tätigkeit als hoheitliche Tätigkeit, als hoheitliche Teilaufgabe oder als hoheitliches Hilfsgeschäft zu behandeln wäre, würde sie von der juristische Person des öffentlichen Rechts selbst ausgeübt werden. Bislang ist das Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht, so dass die Finanzverwaltung das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden muss.

Weitreichende steuerliche Folgen

Auf vielen Ebenen unseres Gemeinwesens würde dies zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung, insbesondere im Fall von Kooperationen oder bei Personalgestellung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts führen, da sämtliche Leistungen an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts der Umsatzsteuer unterlägen, ohne dass für den Empfänger der Leistungen die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug bestünde.

Sogenannte hoheitliche Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind sehr verbreitet (z.B. im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit, zwischen Landkreisen und Städten/Gemeinden, in der Abfallentsorgung) und für viele Bereiche unerlässlich. Zahlreiche Verbände haben bereits auf die weitreichenden steuerlichen Folgen dieser Rechtsprechung hingewiesen. Die Finanzministerien des Bundes und der Länder haben eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Auswirkungen analysieren und Lösungsvorschläge unterbreiten soll, um die bestehenden Kooperationen und Leistungsbeziehungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht weiter zu verteuern. Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand muss jedoch den Vorgaben des Unionsrechts folgen. Eine einfachgesetzliche Rechtsänderung in Deutschland ist für Zwecke der Umsatzsteuer insofern nicht möglich.

Von der Arbeitsgruppe ist eine großzügige Übergangsregelung angedacht. Der Hessische Städtetag geht davon aus, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts noch bis zum Jahr 2017 auf die Nichtumsatzsteuerbarkeit von Beistandsleistungen berufen können.

Demnach wären Leistungen (z.B. Personalgestellung), die eine juristische Person des öffentlichen Rechts an den hoheitlichen Bereich einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts erbringt, bis zum Ablauf der Übergangsfrist nicht umsatzsteuerbar (vgl. Vfg. des FinMin Hessen vom 20.07.2011, zuletzt bestätigt durch OFD Niedersachsen vom 27.07.2012).

Sollte im Einzelfall eine Berufung auf EU-Recht für die juristische Person des öffentlichen Rechts günstiger sein (möglich z.B. durch Vorsteuerabzugsmöglichkeiten bei Neubauten oder weitreichenden Sanierungen), kann sich die juristische Person des öffentlichen Rechts für ihre Vermögensverwaltung nur einheitlich auf Unionsrecht berufen. Ein „Rosinenpicken“ soll nicht möglich sein (vgl. beispielhaft OFD Hannover vom 27.07.2012).

Weitere Verschärfungen?

Für das Jahr 2014 plant die EU-Kommission die Vorlage eines Entwurfs einer Richtlinie für die Besteuerung der öffentlichen Hand. Dieser Entwurf könnte von Seiten der EU auch eine Verschärfung des derzeitigen Rechts beinhalten, die einer dauerhaften Nichtsteuerbarkeit von Beistandsleistungen entgegensteht. Aus Kreisen der Finanzverwaltung wird verlautbart, dass sich Deutschland dafür einsetzen will, Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Allgemeinen auch weiterhin als nicht umsatzsteuerbar oder aber umsatzsteuerfrei zu ermöglichen. Ob dies Erfolg haben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in Deutschland auf die aktuelle BFH-Rechtsprechung zu der Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen der öffentlichen Hand (z.B. Beistandsleistungen) dann reagiert, wenn der Richtlinienentwurf vorliegt. Im Einzelfall sind jedoch auch Konkurrentenklagen von privaten Wirtschaftsteilnehmern denkbar, um Wettbewerbsnachteile aufgrund der unionsrechtswidrigen Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand zu beseitigen.

Welcher Handlungsbedarf besteht aktuell?

Sofern juristische Person des öffentlichen Rechts gegenwärtig Kooperationsverträge neu begründen oder aber bereits bisher bestehende Kooperationen neu verhandeln, sollte insbesondere in der Kalkulation berücksichtigt werden, dass dieser Leistungsaustausch spätestens ab dem Jahr 2018 von der Finanzverwaltung als umsatzsteuerpflichtig behandelt wird, wenn die Übergangsregelung aufgrund des Richtlinienentwurfs der Kommission nicht kürzer ausfällt. Diesem Umstand kann z.B. durch die Aushandlung von Sonderkündigungsrechten oder durch entsprechende Umsatzsteuerklauseln Rechnung getragen werden. Zudem sollten auch mögliche Steuerbefreiungsnormen überprüft werden.

In Zweifelsfällen oder bei weitergehenden Fragestellungen stehen Ihnen die Autoren selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

Markus Ender

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ernst & Young, Stuttgart
 

Stephan Hauptmannl

Steuerberater, Ernst & Young, Stuttgart
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