15.03.2013

Neue Wege mit LippeJob-Interaktiv

eGovernment-Wettbewerb 2012: Preis für kommunale Arbeitsvermittlung

Neue Wege mit LippeJob-Interaktiv

eGovernment-Wettbewerb 2012: Preis für kommunale Arbeitsvermittlung

LippeJob-Interaktiv: Arbeitsvermittlung über eine mulitmediale, geschützte und sichere Kommunikationsplattform. | © stockshoppe - Fotolia
LippeJob-Interaktiv: Arbeitsvermittlung über eine mulitmediale, geschützte und sichere Kommunikationsplattform. | © stockshoppe - Fotolia

Der eGovernment-Wettbewerb 2012 prämierte ein kommunales Projekt aus NRW. Gemeinsame Entwickler der geplanten Maßnahme sind der Kreis Lippe, das Jobcenter in Detmold sowie das Kommunale Rechenzentrum in Lemgo.

Seit dem 1. Januar 2012 nimmt der Kreis Lippe die Betreuung und Vermittlung der ALG-II-Empfänger als sogenannte Optionskommune in alleiniger Verantwortung wahr. Als Flächenkreis steht er dabei vor besonderen Herausforderungen. Bei einer Fläche von über 1.200 Quadratkilometern und 16 Städten und Gemeinden müssen Arbeitsuchende oft lange Wege zurücklegen, um sich bei einem Unternehmen vorzustellen oder um eine Qualifizierungsmaßnahme zu besuchen. Wer auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen oder aufgrund seiner familiären Situation nur eingeschränkt flexibel ist, hat bisher schlechtere Chancen, an Beratungs- und Fördermaßnahmen aktiv teilzunehmen.

„Förderung und Fordern“ – das ist der Ansatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wie er im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) festgelegt ist. In der öffentlichen Wahrnehmung steht häufig das „Fordern“ im Mittelpunkt und in der Kritik. Doch die größere Herausforderung aus Sicht der Jobcenter ist das „Fördern“.


Hier arbeiten die Jobcenter Vermittlungshemmnissen verschiedenster Art entgegen: Das können beispielsweise der fehlende Berufsabschluss oder unzureichende Deutschkenntnisse sein. Körperliche oder psychische Erkrankungen schmälern die Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls. Eingeschränkte Mobilität oder die Notwendigkeit der Kinderbetreuung verringern die Vermittlungschancen außerdem.

Projekt unterstützt aktiv

Das nun im eGovernment-Wettbewerb 2012 vom BMI mit dem ersten Preis prämierte Projekt „LippeJob-Interaktiv“ soll hier Abhilfe schaffen: Ziel von „LippeJob-Interaktiv“ ist es, durch die Nutzung von mobilen Endgeräten (z. B. Tablets) den Arbeitsvermittlungs- bzw. den Stellenbesetzungsprozess schneller, flexibler und barriereärmer zu gestalten. Die Interaktivität der präsentierten Lösung mit Videokonferenz, digitaler Bewerbungsmappe, eLearning- und eSkills-Training bietet sowohl Arbeitsuchenden als auch Arbeitgebern unglaublich viele flexible, schnelle und leichte Möglichkeiten.

Für die Einhaltung der höchsten Datenschutz- und Sicherheitsansprüche sowie die technische Realisierung bei der Datenübertragung sorgt das Kommunale Rechenzentrum Minden-Ravensberg / Lippe (krz). In Form eines Zweckverbandes gemäß § 20 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit NRW organisiert, hat die Einrichtung laut Satzung § 3 u.a. die Aufgaben der Information und Beratung der Verbandsmitglieder in allen Angelegenheiten der technikunterstützten Informationsverarbeitung. Bereits 2007 hatte das vom BSI als bundesweit erster kommunaler IT-Serviceprovider zertifizierte Haus zusammen mit dem Kreis Lippe im Projekt „OWL 115 – Einfach mehr Service!“ seine Innovationskraft unter Beweis gestellt. Im seinerzeitigen Government-Wettbewerb mit dem ersten Preis ausgezeichnet, ist zwischenzeitlich die einheitliche Behördenrufnummer 115 im Kreis Lippe erfolgreich etabliert.

Vorteile für Arbeitsuchende

Die Geräte, über die die multimedialen Inhalte ausgetauscht werden, ermöglichen eine geschützte und sichere Kommunikationsplattform für alle Beteiligten. Dadurch können Fahrtzeiten und -kosten reduziert, Papier gespart, unsicherer E-Mail-Verkehr überflüssig und die Kommunikation insgesamt beschleunigt werden. Von der innovativen Technik sollen alle Beteiligten – Arbeitsuchende, Arbeitgeber und Arbeitsvermittler – profitieren.

Auf Seiten der arbeitsuchenden ALG-II-Empfänger bietet „LippeJob-Interaktiv“ denjenigen die größten Vorteile, die bisher aufgrund von eingeschränkter Flexibilität, mangelnder Mobilität oder fehlenden Sprachkenntnissen bei der Jobsuche benachteiligt sind. So sind angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels verstärkt Alleinerziehende in den Fokus der Politik gerückt. Dieser Personenkreis war schon immer eine definierte Zielgruppe des Jobcenters Lippe, und ihre Integration in den Arbeitsmarkt ist Bestandteil einer Zielvereinbarung mit dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW. Hierbei bearbeiten die Vermittlungsfachkräfte ein breit gefächertes Problemfeld: Fehlende Schulabschlüsse müssen nachgeholt werden, marktgerechte Berufsausbildungen fehlen, Zeiten für Qualifizierungen müssen mit der Kinderbetreuung unter einen Hut gebracht werden.

„Alleinerziehende sind eine unserer Hauptzielgruppen für LippeJob-Interaktiv“, erklärt Andrea Berger, Vorstandsvorsitzende des Jobcenters Lippe. „Wenn es uns gelingt, die Frauen erfolgreich fit für den Arbeitsmarkt zu machen, stehen sie zum einen als dringend benötigte Fachkräfte der Wirtschaft zur Verfügung. Zum anderen ermöglichen wir durch Qualifizierung dieser Zielgruppe, dass die überwiegend weiblichen Betroffenen den Lebensunterhalt für ihre Familien selbst verdienen und so gut für ihre Kinder sorgen können. Das ist ein wichtiger gesellschaftlicher Auftrag, dessen Erfolg oder Misserfolg Auswirkungen auf die nächste Generation hat.“ Alleinerziehende sollen das Gerät zukünftig als Plattform für Qualifizierungsangebote und E-Learning nutzen und bei (physischen) Bewerbungs-/Schulungsterminen direkt Hilfe vom Jobcenter bei der Findung einer Betreuungsmöglichkeit am Gerät erhalten. Sie können die Angebote zeitlich flexibel nutzen, immer dann, wenn die Kinderbetreuung sichergestellt ist.

Eine weitere wichtige Zielgruppe unter den Arbeitsuchenden sind Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Für jeden persönlichen Kontakt mit dem Jobcenter waren sie bisher zumeist auf Fahrdienste angewiesen. Über die Plattform „LippeJob-Interaktiv“ können nun Dokumente und Informationen elektronisch ausgetauscht werden und Videokonferenzen ersetzen den Besuch beim Jobcenter. Einen weiteren Vorteil bieten die Tablets für Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund, da das mobile Kommunikationsgerät in verschiedenen Sprachen bedient werden kann.

Jobcenter vermitteln effektiver

Aber auch die Abläufe im Jobcenter können effektiver gestaltet werden: „Die Mitarbeiter des Jobcenters erhalten größtmögliche Transparenz über die Integrationsaktivitäten des Arbeitsuchenden“, erklärt Andrea Berger die Arbeitserleichterung für das Jobcenter durch „LippeJob-Interaktiv“. Sie sind zum Beispiel jederzeit und aktuell über die regelmäßige Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen informiert und können mobil Arbeitgeber und Jobsuchende miteinander in Verbindung bringen. Videokonferenzen, die kurzfristig bedarfsgerecht geplant werden können, schaffen eine wesentlich höhere Bindung als die Einladung zu einem Termin beispielsweise per Post. Auch das Feedback beim Arbeitgeber per Videokonferenz ist verbindlicher als per E-Mail oder Telefon.

Der Bewerbungsprozess muss modernisiert und der Arbeitsuchende muss vom Betroffenen zum aktiv Beteiligten im Verfahren werden, das ist die Aufgabe, der sich das Jobcenter mit diesem Projekt stellt. Darüber hinaus beabsichtigt das Jobcenter Lippe, dadurch die Transferleistungen nachhaltig und kontinuierlich zu senken und einen erheblichen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfes zu leisten.

Unternehmen sind von den Vorteilen überzeugt

Denn nicht zuletzt soll auch der dritte wichtige Teilnehmer am Vermittlungsprozess profitieren: die lippischen Betriebe und Unternehmen. Prof. Dr. Gunther Olesch, Geschäftsführer für Personal, Informatik und Recht der Phoenix Contact GmbH & Co.KG, bestätigt den eingeschlagenen Weg der Projektpartner Jobcenter Lippe und krz, die mit dem Netzwerkausrüster CISCO und dem Softwareunternehmen CONET Solutions GmbH bei „LippeJob-Interaktiv“ neue Wege gehen. „Die demografische Herausforderung stellt große Ansprüche an die Unternehmen. Daher ist gerade die Idee des Jobcenters, hier moderner und schneller zu akquirieren durch moderne Technologie, ein riesiger Vorteil für die Unternehmen“, so Olesch. LippeJob-Interaktiv beschleunigt und verschlankt das Bewerbungsverfahren. Durch den Online-Kontakt via dem Tablet-PC können Arbeitgeber und Bewerber idealerweise in Echtzeit und von Angesicht zu Angesicht miteinander kommunizieren. Der Kontakt kommt schneller zustande, der Arbeitgeber kann im Vorfeld Informationen gewinnen und verringert seinen Organisationsaufwand beträchtlich.

Die Einrichtung einer Jobbörse, in der Unternehmen nach geeigneten Bewerbern und Bewerber nach neuen offenen Stellen jederzeit suchen können, ist perspektivisch die nächste der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieser innovativen Technik.

Wenn der Fachkräftemangel in einigen Branchen weiter steigt, werden es verstärkt die Unternehmen sein, die um die gut ausgebildeten Arbeitnehmer konkurrieren. Mit „LippeJob-Interaktiv“ können sich die Unternehmen nach eigenen Vorstellungen und Wünschen präsentieren und ihre Attraktivität für den Bewerber so herausstellen.

Das prämierte Projekt steht aktuell vor der Umsetzungsphase, wenn die Frage der Finanzierung für dieses bundesweit beachtete Modell sichergestellt ist.

 

Reinhold Harnisch

Geschäftsführer , Kommunales Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (krz), Lemgo
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