Staatsorganisation neu denken
Der Einfluss des E-Government auf Staat und Verwaltung
Staatsorganisation neu denken
Der Einfluss des E-Government auf Staat und Verwaltung
Stein-Hardenberg 2.0: Ein Projekt stellt sich vor
Wie verändern sich Staat und Staatlichkeit auf der Basis von E-Government? Welche Organisationsformen für die öffentliche Leistungserbringung sind noch angemessen? Das sind Fragen, mit denen sich das Projekt „Stein-Hardenberg 2.0“ beschäftigt.
Trotz über einem Jahrzehnt intensiver Arbeit im Bereich E-Government hat sich das bestehende Institutionengefüge, in dem öffentliche Leistungen erbracht werden, kaum verändert. Der heutige Institutionenbestand geht auf die Grundprinzipien der klassischen Staatsorganisation zurück, wie Ressortprinzip, Selbstverwaltung, Zuständigkeit, Föderalismus etc. Es handelt sich um Organisationsprinzipien, die das bis heute fortwirkende napoleonische Verwaltungssystem prägen und in Preußen wesentlich auf die Reformen von Karl Freiherr vom Stein und nach ihm auf Karl August Fürst von Hardenberg von vor über 200 Jahren zurückgehen.
Diese Prinzipien gilt es in reflektierter Weise zu überdenken, zumal sich in der Praxis de facto schon Änderungen zeigen. Wenn beispielsweise der IT-Planungsrat – als ein in der Verfassung festgeschriebenes Gremium – ebenenübergreifend IT-Infrastrukturen plant, dann sind bereits klassische Vorstellungen von föderaler Arbeitsteilung betroffen. Das heißt jedoch nicht, dass alle klassischen Prinzipien der Staatsorganisation obsolet werden.
Für die Prinzipien gibt es gute Gründe, da sie beispielsweise für demokratische Rückbindung und Verantwortung sorgen. Kernfrage im Projekt ist, wie der Staat zukünftig vor dem Hintergrund von IT-Möglichkeiten aussehen beziehungsweise organisiert werden kann.
Drei Arbeitsschwerpunkte: Staatlichkeit, Vernetzung, Transformation
Drei Schwerpunkte werden im Projekt verfolgt. Zunächst geht es um eine breitere Perspektive veränderter Staatlichkeit. Hintergrund ist, dass IT bereits heute alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat, was Rückwirkungen auf Staat und das Staatsverständnis hat. Es zeichnet sich die gesellschaftliche Erwartung ab, dass der Staat neue Aufgaben wahrnimmt, weil IT-induzierte Veränderungen in der Gesellschaft stattfinden. So steigt durch IT-Vernetzung die Anfälligkeit von kritischen Infrastrukturen, wie zum Beispiel für die Strom- oder Wasserversorgung. Cyber-Sicherheit wird zu einer öffentlichen Aufgabe, worauf das im Jahr 2011 errichtete Nationale Cyber-Abwehrzentrum (kurz NCAZ) hindeutet. Darüber hinaus werden Aspekte von Staatlichkeit verändert, indem der Staat selbst IT nutzt, um sich zu modernisieren.
Im zweiten Schwerpunkt werden neue Organisationsformen unter E-Government-Gesichtspunkten auf Basis empirischer Befunde und gestaltungsorientierter Überlegungen herausgearbeitet. Hier liegen die Schwerpunkte auf dem Zusammenhang zwischen Gesetzgebung und Gesetzesausführung sowie auf vernetzten Organisationsformen. Bei der Gesetzgebung deutet sich bereits an, dass in der Gesetzesformulierung zunehmend Aspekte der Implementierung berücksichtigt werden, wie die verpflichtende Berücksichtigung des Erfüllungsaufwandes beim Erlass von Bundesrecht zeigt. Außerdem wird in diesem Bereich eine Typologie von neuen, vernetzten Organisationsformen entwickelt, die sich schon heute in der Praxis ankündigen. Ein wichtiger Aspekt wird hier die Frage der Verantwortungs- und Steuerungssicherung sein. Denn was nützen effiziente und gegebenenfalls effektivere Strukturen, wenn sie im Ergebnis nicht zu steuern sind?
Im dritten Arbeitsschwerpunkt wird die Frage beantwortet, inwieweit sich die klassischen Prinzipien der Staatsorganisation verändern könnten oder bereits verändert haben. Es geht nicht nur um die Frage, wie man mit E-Government die öffentliche Leistungserbringung neu gestaltet und Geschäftsprozesse nach einem Business Process Reengineering verändert, sondern welche grundlegenderen strukturellen Veränderungen hiervon ausgehen. Der Grundkonflikt liegt darin, dass die E-Government-Potenziale, insbesondere die einer Vernetzung, offensichtlich mit klassischen Prinzipien der Staats- und Verwaltungsorganisation kollidieren. Beispielsweise ist die Territorialität der Verwaltung bis heute ein Grundmuster für die staatliche Binnenstruktur, die sich jedoch zu verändern beginnt. Es ist zu erforschen, welche Konsequenzen eine veränderte Territorialität für die Staats- und Verwaltungsorganisation hat. Das zieht weitere Fragen nach sich: In welcher Ausprägung und zu welchem Zweck sind weiterhin staatliche Untergliederungen notwendig? Kann der Bund im Zweifel zukünftig doch besser den „Direktvertrieb“ übernehmen – gegebenenfalls mit Hilfe Dritter, das heißt privater oder gemeinnütziger Akteure – statt die Leistungserbringung aufwändig über das föderale System „zu spielen“? Gibt es zu bisherigen Prinzipien der Verwaltungsorganisation denkbare Äquivalente oder Kompensationen oder ist doch besser Bestehendes beizubehalten?
Praktische Relevanz – jenseits hektischer Lösungen
Das Projekt Stein-Hardenberg 2.0 widmet sich einer Thematik, die von grundlegender Bedeutung für das Staatswesen ist und heute de facto an keiner Stelle in Deutschland in dieser wissenschaftlichen Form und zugleich mit einer solchen Anwendungsorientierung behandelt wird. Eine Konkretisierung der Ergebnisse des Projektes erfolgt durch Zukunftsszenarien, die positive wie negative Ausprägungen haben. Es soll bewusst ein Zukunftsraum erschlossen werden, der die Politik erkennen lässt, dass der IT-Einsatz und die staatliche Rolle gestaltbar sind. Zudem werden auch kontinuierlich während des laufenden Forschungsprojektes konkret umsetzbare Zwischenergebnisse in Form von Arbeitspapieren geliefert.
Projektdaten
Am 14. Dezember 2010 ist das Verwaltungsabkommen „Staatlicher Wandel im Informationszeitalter“ zwischen dem Bundesministerium des Innern, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin, der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, der Anstalt Dataport und dem Ministerium des Innern des Landes Brandenburg in Kraft getreten. Diese Vereinbarung ist Grundlage und Ausgangspunkt für die Ausschreibung und die Durchführung des Forschungsprojektes „Stein-Hardenberg 2.0“.
Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt zu 80 Prozent aus Mitteln des Bundes und zu 20 Prozent aus dem Kofinanzierungsanteil der übrigen Vertragspartner. Das Land Brandenburg unterstützt die Umsetzung des Vorhabens durch die Einrichtung und Führung einer Geschäftsstelle. Im Rahmen eines ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs wurde das IfG.CC – The Potsdam eGovernment Competence Center ermittelt. Das vierköpfige Forschungsteam mit dem Leiter des Gemeinschaftsprojektes, Prof. Dr. Tino Schuppan, hat im Juni 2011 mit der Arbeit begonnen.
In dem Projekt wirken als Inputgeber weitere namhafte Wissenschaftler mit, insbesondere Prof. Dr. Klaus Lenk von der Universität Oldenburg und Prof. Dr. Martin Brüggemeier von der HTW Berlin. Ende 2013 soll das Projekt zum Abschluss kommen; zu diesem Zeitpunkt endet auch die gemeinsame Finanzierung durch die Vertragspartner.
Der folgende Link führt Sie auf die Projektseiten des brandenburgischen Innenministeriums: http://www.mi.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.273313.de.