50 Jahre Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
Beachtlicher Meilenstein in der Entwicklung des Sozialrechts
50 Jahre Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
Beachtlicher Meilenstein in der Entwicklung des Sozialrechts

Am 01.06.1962 trat das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Kraft. Dies ist eine Gelegenheit zu einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Sozialhilferechts in der Nachkriegszeit. Der vorliegende Beitrag ist eine Kurzfassung der umfassenden Abhandlung der Autoren in der Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF, Heft 4/2012, S. 73 ff., dort sind auch vertiefende Quellennachweise enthalten).
Bis zum Jahre 1962 bildeten die „Verordnung über die Fürsorgepflicht“ (RFV) von 1924 und die „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge“ (RGr.) den Kern des Fürsorgerechts. Sie sind oft geändert, ergänzt und vereinfacht worden, vor allem durch die im Kriege erlassenen Vereinfachungsverordnungen, das Fürsorgeänderungsgesetz (1953), das Körperbehindertengesetz (1957) und das Tuberkulosehilfegesetz (1959).
Gründe für die Schaffung des BSHG
Die seinerzeit noch geltenden fürsorgerechtlichen Vorschriften, insbesondere die RFV und die RGr., trugen den gewandelten gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen nicht mehr ausreichend Rechnung. Sie gingen in ihrem Aufbau noch von einer Trennung zwischen Armenfürsorge und gehobener Fürsorge aus. Im Mittelpunkt des fürsorgerischen Denkens stand die Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts, die so genannte laufende Unterstützung. Mehr und mehr hatte jedoch die soziale Entwicklung, insbesondere nach Überwindung der ersten Massennotstände der Nachkriegszeit, dazu geführt, dass sich das Schwergewicht der Fürsorge von der Sicherung des reinen Existenzminimums auf die Hilfe in besonders qualifizierten Bedarfssituationen verlagerte. Das ergab sich nicht zuletzt als eine zwangsläufige Folge der Reform anderer sozialer Leistungen, durch die die öffentliche Fürsorge zunehmend von den weitgehend schematischen Einkommenshilfen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts entlastet wurde. Dieser Verlagerung des Schwerpunktes der Hilfe wurde insbesondere der Begriff der fürsorgerechtlichen Hilfsbedürftigkeit als der zentralen Leistungsvoraussetzung des gesamten Fürsorgerechts nicht mehr gerecht (Schellhorn/Jirasek, Praktische Sozialhilfe, Stand Mai 2007, II/B 23 S. 2002 ff.).
Eine Neufassung und Neuorientierung der Vorschriften des Fürsorgerechts war auch deshalb erforderlich, weil das alte Fürsorgerecht noch auf der Vorstellung aufbaute, der Hilfebedürftige sei lediglich Objekt behördlichen Handelns, die Hilfe werde ihm nicht in seinem eigenen Interesse, sondern im Interesse der Allgemeinheit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährt. Allerdings hatte das BVerwG (BVerwG, Urt. v. 24.06.1954 – Az. V C 78/54, BVerwGE 1, 159 = FEVS 1, 55 = NDV 1954, 380 = NJW 1954, 1541) aus den höherrangigen Verfassungsnormen gleichwohl einen einklagbaren Anspruch des Hilfesuchenden auf die Pflichtleistungen der öffentlichen Fürsorge abgeleitet. Aus rechts- und sozialstaatlichen Gründen erschien es daher geboten, die Rechtsstellung des Hilfesuchenden und des Hilfeempfängers zur Vermeidung von Unsicherheiten und Zweifeln durch eine Neufassung des Fürsorgerechts zu umreißen und zu festigen.
Die Vorarbeiten zum BSHG
Die konkreten Vorarbeiten für das BSHG begannen im Spätherbst 1955 im Bundesinnenministerium, bei dem die öffentliche Fürsorge und zunächst auch die Sozialhilfe ressortierte (Föcking, „Fürsorge im Wirtschaftsboom – Entstehung des Bundessozialhilfegesetzes von 1961“, S. 6, 7). Ende November 1956 lag der erste vollständige „Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sozialhilfe“ vor. Er war von dem Bemühen geprägt, eine umfassende individuelle Hilfestellung der Allgemeinheit auch bei immateriellen Notlagen zu gewährleisten und daher die Rechtsstellung des Hilfeempfängers zu stärken, nicht in jedem Fall den vollen Einsatz der eigenen Mittel zu verlangen, bestimmte neue, teilweise detailliert geregelte Leistungsstandards der „Sozialhilfe“ zu sichern und so die Träger der Fürsorge sehr viel stärker als bisher zu binden (Föcking, a.a.O., S. 183 m.w.N. in Fn. 50).
Der „Arbeitsausschuss für Fragen der Fürsorge“ beschloss am 13.10.1958 in seiner letzten Sitzung wegweisende Empfehlungen für „Die Neuordnung des Fürsorgerechts durch ein Sozialhilfegesetz“. Folgende Grundsätze haben ihn dabei geleitet (vgl. die umfassende Wiedergabe der Beschlüsse in NDV 1958, 301 sowie in ZfF 1959, 3 mit Anmerkungen von Keese):
- Die Fürsorge hilft allen, die in ihrer Notlage sich nicht selbst helfen und Hilfe auch nicht von Dritten, vor allem von ihrer Familie oder von anderen Sozialleistungsträgern erhalten können.
- Entsprechend den Grundforderungen eines sozialen Rechtsstaates ist das Ziel der Fürsorge, soweit irgend möglich, den Einzelnen und seine Familie von der Hilfe unabhängig zu machen und ihm und seiner Familie den Zugang zu einem Leben der Selbstbehauptung zu geben und zu erhalten oder, falls das nicht möglich ist, ihm und seiner Familie durch die Hilfe ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, insbesondere auch ein unzumutbares Absinken der Lebenshaltung als Folge eines besonderen Notstandes zu verhindern.
- Die Fürsorge kann ihr Ziel nur erreichen, wenn sie ihre Hilfe der besonderen Lage des Einzelfalles anpasst und den persönlichen Charakter der Hilfe wahrt. Nur so kann sie den Willen zur Selbsthilfe wecken und pflegen, indem sie die Voraussetzungen dafür zu schaffen und zu erhalten strebt.
- Die Fürsorge fördert bei allen diesen Maßnahmen die Familie und andere soziale Bindungen des Hilfesuchenden.
- Die Fürsorge tritt vorbeugend ein, um die Entstehung einer Notlage zu verhindern, aber auch nachsorgend, um die Wirkungen der Hilfe zu sichern.
- Auf die Hilfe besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch.
Diese elementaren Thesen sind als Grundsätze des Sozialhilferechts bis in die heutige Zeit wirksam (vgl. Senhold, „Sozialwesen“, 1969, S. 8; Schwabe, „Sozialhilfe“, 17. Auflage 2007, S. 117 ff. zur Rechtslage im SGB XII seit dem 1.1.2005).
Das BSHG trat schließlich am 01.06.1962 in Kraft (§ 153 BSHG). Es formulierte einen einklagbaren Rechtsanspruch unter Beachtung des Individualisierungsgebots. Nach der anspruchsbegründenden Norm des § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG war Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Folgerichtig erklärte das BVerwG: „Jeder einzelne Hilfesuchende hat einen selbstständigen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt“ (BVerwG, Urt. v. 30.11.1966 – V C 29/66, BVerwGE 25, 307 = FEVS 14, 243 = NDV 1967, 281). Später wurde dies noch erweitert: „Ist eine Familie hilfebedürftig, so hat jedes Familienmitglied einen eigenständigen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, ungeachtet des Umstandes, dass die Hilfe nach der Stellung des Familienmitgliedes im Haushalt und nach dem Alter unterschiedlich festgesetzt wird“ (BVerwG, Urt. v. 15.12.1977 – 5 C 35/77, BVerwGE 55, 148
= FEVS 26, 99).
Entwicklung des Sozialrechts der DDR bis zur Wiedervereinigung 1989
In der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone – der späteren DDR – wurde ein organisatorisch einheitliches System für alle Zweige der Sozialversicherung erschaffen. Dieses System der sozialen Sicherung war ein Teil der Wirtschaftspolitik der DDR, welche die soziale Sicherung gewährleisten sollte.
Die Sozialpolitik war gehalten, Voraussetzungen und Anreize für die Steigerung der Arbeitsproduktivität zu schaffen. Sie sollte die Menschen als Ausgleich gegen die einschneidendsten Lebensrisiken wie Alter, Krankheit und Erwerbslosigkeit absichern. Eng damit war verknüpft
- das Recht auf Arbeit und Demokratisierung der Wirtschaft,
- Sozialversicherung mit dem Ziel der Sozialversorgung,
- Gesundheitsfürsorge mit dem Ziel der Gesundheitssicherung,
- Sozialfürsorge mit dem Ziel der sozialen Sicherung,
- Familienfürsorge mit dem Ziel, die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft wiederherzustellen,
- Wohnungsfürsorge mit dem Ziel der Sicherung der Heimstätte.
Verfassungsrechtlich basierte die Sozialpolitik in der DDR auf den sozialen Grundrechten, wie sie in der Verfassung der DDR kodifiziert worden waren. Danach hatte jeder Bürger der DDR das Recht auf Schutz seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft. Weiter hieß es in der Verfassung: „Auf der Grundlage eines sozialen Versicherungssystems werden bei Krankheit und Unfällen materielle Sicherheit, unentgeltliche ärztliche Hilfe, Arzneimittel und andere medizinische Sachleistungen gewährt“ (Art. 35 Abs. 3 der Verfassung der DDR; Jugendgesetz, 15. Auflage 1989, Staatsverlag der DDR; vgl. auch GBl. 1974 I Nr. 47 S. 432). Außerdem hatte jeder DDR-Bürger das Recht auf Fürsorge der Gesellschaft im Alter und bei Invalidität. Ehe, Familie und Mutterschaft standen unter dem besonderen Schutz des Staates.
In der DDR gewährte der Staat zudem Sozialfürsorge (vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen [Hrsg.], DDR-Handbuch, Bd. 2, Köln 1985, S. 1155; s.a. Deutscher Verein, „Sozialfürsorge in der Sowjetzone“, NDV 1958, 44 und 250). Einen Anspruch auf Sozialfürsorge-Unterstützungen hatten jene Personen, die nicht in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt durch Arbeitseinkommen zu bestreiten, die über kein sonstiges ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügten und auch keinen ausreichenden Unterhalt von unterhaltspflichtigen Angehörigen erlangen konnten. Als ausreichend wurde ein Nettoeinkommen angesehen, das die Höhe der Sozialfürsorge-Unterstützung erreichte oder überstieg. Die Parallelität zur Sozialhilfe in der Bundesrepublik ist also, was die Voraussetzungen des Anspruchs betrifft, offenbar. Das Leistungsniveau in der DDR lag jedoch weit unter dem in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Angleichung der beiden deutschen Systeme erfolgte in drei Schritten:
- Mit dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR (Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.5.1990, BGBl. II 1990 S. 537, dem mit Vertragsgesetz vom 25.6.1990 [BGBl. II 1990 S. 518] zugestimmt worden ist und der am 30.6.1990 in Kraft trat [BGBl. II 1990 S. 700]) wurden weitreichende Verpflichtungen der DDR eingegangen, Veränderungen des DDR-Sozialsystems hin zu einem gegliederten System der Sozialversicherung zu vollziehen. Diesen Verpflichtungen aus dem völkerrechtlichen Abkommen kam die DDR durch den Erlass einer Vielzahl von Einzelgesetzen nach. Besonders zu erwähnen sind das Gesetz über die Sozialversicherung (SVG-DDR) und das Rentenangleichungsgesetz.
- Mit dem Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGBl. II 1990 S. 885, 1055) wurde die im Staatsvertrag begonnene Angleichung der Arbeitsrechtsordnung, der Arbeitsförderung und der Systeme der sozialen Sicherung fortgeführt. Mit Wirksamwerden des Einigungsvertrages wurde der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf das Beitrittsgebiet ausgedehnt und das Bundesrecht in Kraft gesetzt.
- Der dritte wichtige Schritt im Angleichungsprozess war das Rentenüberleitungsgesetz (Rentenüberleitungsgesetz [RÜG] vom 25.7.1991, BGBl. I 1991 S. 1606).
Die in der DDR bestehende Einheitsversicherung wurde mit dem Gesetz über die Sozialversicherung (SVG) (GBl. I 1990 S. 486) als Übergangslösung zu einem gemeinsamen Träger mit getrennten Zweigen für die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung überführt. Erst ab Februar 1990 hatten Arbeitslose in der DDR einen Anspruch auf eine staatliche Unterstützungszahlung in Höhe von 500 Mark. Darüber hinaus war der entlassende Betrieb verpflichtet, diese Unterstützung auf 70 % des Nettolohnes, bis max. 1.000 Mark, aufzustocken.
Mit der Bildung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1.7.1990 wurde in der DDR ein System der Sozialhilfe eingeführt, das den Regelungen im BSHG der Bundesrepublik Deutschland nachgebildet war (vgl. Artikel 24 des Staatsvertrages; Boss, „Sozialhilfe, Leistungsanreize und Sozialunion in der DDR“).
Ab 1.7.1990 trat das „Gesetz über den Anspruch auf Sozialhilfe – Sozialhilfegesetz“ (SHG) in Kraft, welches bereits zum 31.12.1990 nach Ablösung durch das BSHG am 1.1.1991 außer Kraft trat (vgl. Heft 33 der Kleineren Schriften des Deutschen Vereins; vertiefend: Wenzel/Wienand, „Das Sozialhilfegesetz der DDR“, NDV 1990, 197; Noack, in: Wannagat/Gitter, „Jahrbuch des Sozialrechts 13/1991“, S. 45). Der Regelsatz der Sozialhilfe (DDR) wurde auf 400 DM festgesetzt. Eine Anpassung der Regelsätze in den neuen Bundesländern an die westdeutschen Sätze erfolgte erst später zum 1.1.2007. Gleichwohl wurden mit dem SHG die Weichen in Richtung auf ein subsidiäres Basissicherungssystem als ein Netz unter dem Netz des vorrangigen gehobenen sozialen Sicherungssystems der Sozialversicherung gestellt (Wenzel/Wienand, „Das Sozialhilfegesetz der DDR“, NDV 1990, 197, 198).
Von besonderer Bedeutung ist die Entwicklung der Regelsätze gewesen, ein Indikator für das zeitgegenwärtige Niveau des notwendigen Lebensunterhalts und den Anstieg der Lebenshaltungskosten.
Die in der nachfolgenden Tabelle genannten Beträge basieren beispielsweise auf dem Landesrecht in Niedersachsen bzw. Sachsen-Anhalt.
Regelsatzentwicklung ab 1961:
Jahr | alte Länder | neue Länder | ||
1.7.1961 | 75 – 81 DM | 38,35 – 41,41 € | ||
1.8.1962 | 104 – 110 DM | 53,17 – 56,24 € | ||
1.10.1964 | 116 – 120 DM | 59,31 – 61,36 € | ||
1.12.1965 | 122 – 126 DM | 62,38 – 64,42 € | ||
1.8.1966 | 126 – 130 DM | 64,42 – 66,47 € | ||
1.6.1969 | 136 DM | 69,54 € | ||
1.6.1970 | 156 DM | 79,76 € | ||
1.6.1971 | 185 DM | 94,59 € | ||
1.6.1972 | 200 DM | 102,26 € | ||
1.6.1973 | 216 DM | 110,44 € | ||
1.1.1974 | 237 DM | 121,18 € | ||
1.1.1975 | 250 DM | 127,82 € | ||
1.1.1976 | 265 DM | 135,49 € | ||
1.1.1977 | 284 DM | 145,21 € | ||
1.1.1978 | 291 DM | 148,79 € | ||
1.1.1979 | 297 DM | 151,85 € | ||
1.1.1980 | 310 DM | 158,50 € | ||
1.1.1981 | 328 DM | 167,70 € | ||
1.1.1982 | 338 DM | 172,82 € | ||
1.7.1983 | 345 DM | 176,40 € | ||
1.7.1984 | 356 DM | 182,02 € | ||
1.7.1985 | 382 DM | 195,31 € | ||
1.7.1986 | 390 DM | 199,40 € | ||
1.7.1987 | 394 DM | 201,45 € | ||
1.7.1988 | 400 DM | 204,52 € | ||
1.7.1989 | 416 DM | 212,70 € | ab 1.7.1990: | |
1.7.1990 | 440 DM | 224,97 € | 400 DM | 204,52 € |
1.10.1990 | 448 DM | 229,06 € | 400 DM | 204,52 € |
1.7.1991 | 474 DM | 242,35 € | 440 DM | 224,97 € |
1.7.1992 | 509 DM | 260,25 € | 490 DM | 250,53 € |
1.7.1993 | 514 DM | 262,80 € | 500 DM | 255,65 € |
1.1.1994 | 519 DM | 265,36 € | 500 DM | 255,65 € |
1.7.1994 | 520 DM | 265,87 € | 500 DM | 255,65 € |
1.7.1995 | 526 DM | 268,94 € | 506 DM | 258,71 € |
1.7.1996 | 531 DM | 271,50 € | 511 DM | 261,27 € |
1.7.1997 | 539 DM | 275,59 € | 519 DM | 265,36 € |
1.7.1998 | 540 DM | 276,10 € | 520 DM | 265,87 € |
1.7.1999 | 547 DM | 279,68 € | 527 DM | 269,45 € |
1.7.2000 | 550 DM | 281,21 € | 530 DM | 270,98 € |
1.7.2001 | 561 DM | 286,83 € | 540 DM | 276,10 € |
1.1.2002 | 286,83 € | 276,10 € | ||
1.7.2002 | 293 € | 282 € | ||
1.7.2003 | 296 € | 285 € | ||
1.1.2005 | 345 € | 331 € | ||
1.1.2007 | 345 € | |||
1.7.2007 | 347 € | |||
1.7.2008 | 351 € | |||
1.7.2009 | 359 € | |||
1.1.2010 | 359 € | |||
1.1.2011 | 364 € | |||
1.1.2012 | 374 € |
1990 wurde auch der erste Schritt zu einer stufenweisen Einführung eines neuen Bedarfsbemessungssystems vollzogen. An die Stelle der bisherigen Bemessung nach dem so genannten Warenkorbmodell trat nunmehr ein Statistikmodell, das sich an dem statistisch zu ermittelnden tatsächlichen Ausgabe- und Verbrauchsverhalten der Haushalte in unteren Einkommensgruppen orientierte (Jaskula, „Neues Bedarfsbemessungssystem für die Regelsätze in der Sozialhilfe“, ZfF 1990, 104).
Das Statistik-Modell wurde 2005 in das SGB XII übernommen und auf der Grundlage aktualisierter Einkommens-und Verbrauchsstichproben (EVS) fortgeschrieben. 2010 ordnete das BVerfG (BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, – 1 BvL 3/09, – 1 BvL 4/09, siehe www.bverfg.de) das Statistik-Modell zwar als ein grundsätzlich taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums ein. Bei der Bemessung der Regelleistung von 345 € zum 01.01.2005 hatte der Gesetzgeber dieses jedoch in verschiedenen Hinsichten verlassen, ohne es durch andere erkennbare oder tragfähige Kriterien zu ersetzen. Dies führte auch zur Verfassungswidrigkeit der prozentual abgeleiteten Regelsätze für Haushaltsangehörige. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, die Regelsätze in einem verfassungsgemäßen Verfahren bis zum 31.12.2010 neu festzusetzen (vgl. Schwabe, „Einzelbeträge aus den Regelbedarfsstufen des SGB II und XII ab 1.1.2011“, ZfF 2011, 97). Die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Festsetzungen hatte daher keine Rückwirkung.
Das GSiG
Durch das „Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung– GSiG“ wurde 2003 eine außerhalb der Sozialhilfe angesiedelte rentenähnliche Sozialleistung für bedürftige Leistungsberechtigte ab 65 Jahren bzw. unter 65 Jahren bei voller und dauerhafter, von der Arbeitsmarktlage unabhängigen Erwerbsminderung geschaffen. Damit sollte vorrangig dem Phänomen einer verschämten Altersarmut und der Sorge um die Heranziehung unterhaltspflichtiger Angehöriger begegnet werden (Veldtrup/Schwabe, „Die bedarfsorientierte Grundsicherung – ein zusammenfassender Überblick“, ZfF 2003, 265; Schwabe, „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, ZfF 2004, 121). Der Aspekt, dass es sich gerade nicht um „Sozialhilfe“ handelte, führte zu dem damals entstandenen Begriff der „Grundsicherungsrente“, der auch heute – nach der Aufhebung des GSiG zum 1.1.2005 und der Überführung als Viertes Kapitel in das SGB XII – noch im Sprachgebrauch leistungsberechtigter Menschen ist.
Die Aufhebung des BSHG zum 1.1.2005
Ab 01.01.2005 gilt für das Recht der Sozialhilfe das SGB XII. Neben wesentlichen Änderungen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und der bisherigen Hilfe in besonderen Lebenslagen wurden das GSiG aufgehoben und die bisherige Leistungsgrundlage in das SGB XII transferiert. Die Einordnung der leistungsrechtlichen Grundlagen im neuen Sozialhilferecht brachte eine leicht veränderte Berechnungssystematik und insbesondere die Orientierung an neuen „Hausnummern“ mit sich, da sich die Paragrafenfolge des BSHG vollständig geändert hatte. Ferner erfolgte eine weitere Pauschalierung, indem die früheren einmaligen Beihilfen (z.B. für Bekleidung und Einrichtungsgegenstände) in die Regelsatzbemessung einflossen.