02.01.2020

Staat und Spitzensport

Hand in Hand im Kampf gegen Doping

Staat und Spitzensport

Hand in Hand im Kampf gegen Doping

Wer dopt, macht sich unter Umständen strafbar. | © REDPIXEL - stock.adobe.com
Wer dopt, macht sich unter Umständen strafbar. | © REDPIXEL - stock.adobe.com

Der Fortschritt unserer „Leistungsgesellschaft“ basiert zentral auf dem Prinzip der Leistungssteigerung. Die erfolgreiche Leistung wird anerkannt und honoriert – gleichgültig ob sie auf natürlichen oder durch intensive Übung geförderten Fähigkeiten beruht oder auch, ob sie unter Einsatz künstlicher Mittel erbracht wurde. Den Juristen etwa, die eine das spätere Berufsleben bestimmende Hochleistung in den Abschlussprüfungen mit Hilfe von Psychopharmaka zur Steigerung von Aufmerksamkeit, Ausdauer und Stressresistenz erreichen, ist das erfreuliche Ergebnis ebenso wenig zu nehmen wie Politikern, Künstlern oder sonstigen Leistungsträgern. Treffend beschreiben die Rolling Stones den Alltag mit der Songzeile „Mother’s little helpers get them through their busy days – Doctor please, some more of these“ und niemand ruft in diesem Kontext nach dem Strafrecht. Allein im Leistungssport setzt man auf die scharfe Trennung von erlaubter natürlicher und verbotener künstlich gesteigerter Leistung, also gerade dort, wo das Leistungsprinzip den Wettkampf bestimmt und extreme Leistungen gefordert sind: Schneller, höher, weiter!

Die „Verrechtlichung“ des Sports ist nicht mehr aufzuhalten

Diese einführende Überlegung verdeutlicht, dass es in einer unbeschränkt leistungsorientierten Umwelt schwierig ist, das partielle Dopingverbot im Sport als einer „Eigenwelt“ umzusetzen. Früher konnte man den Sport als (staats-)rechtsfreien Raum betrachten, der die Gesamtgesellschaft seinerseits nicht berührt, sondern allenfalls die individuelle Gesundheit der Sportler. Diese sportinterne Perspektive hat sich jedoch zwangsläufig mit der modernen Entwicklung des Sports verändert. In sehr vielen Lebensbereichen ist der Sport aus seiner Eigenwelt herausgetreten und mitten in die Gesellschaft als Massenphänomen gerückt, wie z. B. bei jungen Menschen als fester Bestandteil der Erziehung oder auch als Gesundheits- und Alterssport und schließlich durch die Kommerzialisierung des Leistungssports mit entsprechender Vermarktung der sportlichen Güter. So droht der „sozialen Funktionseinheit Sport“ Gefahr durch Manipulation und Korruption ähnlich wie in vielen anderen gesellschaftlichen Subsystemen, die auf wirtschaftliche Gewinne zielen. Die „Verrechtlichung“ des Sports ist zwangsläufige Folge dieser Entwicklung und nicht aufzuhalten.

Deshalb hat sich auch das Sonderrechtsgebiet „Sportrecht“ gebildet, welches die besondere Situation des Sports und dessen systematische rechtliche Gestaltung erfasst. Dort wird versucht, insbesondere die drei Ebenen der normativen Struktur möglichst widerspruchsfrei zu ordnen:


  • Auf der Ebene eins finden sich die sporteigenen Spielregeln und Schiedsrichterentscheidungen mit allenfalls mittelbarer Auswirkung im Recht.
  • Auf der zweiten Stufe werden auf zivilrechtlicher Grundlage über die Vereinsmitgliedschaft Sportregeln für das Zusammenleben aufgestellt und mit verbandsrechtlichen Sport- und Schiedsgerichten durchgesetzt. Echte Schiedsgerichte wie das Deutsche Sportschiedsgericht in Köln und das Internationale Schiedsgericht (CAS) in Lausanne können sogar den staatlichen Rechtsweg ausschließen.
  • Schließlich befindet sich der Sport auf einer dritten Ebene komplett im staatlichen Rechtssystem, etwa im Arbeitsrecht, im Strafrecht, bei Schadensersatzfragen oder im Europäischen Kartellrecht.

Die Analyse der Wechselwirkungen zwischen bloßer Sportregel, Sportnorm und allgemeiner Rechtsnorm ist eine Aufgabe des Sportrechts, die hohe Anforderungen stellt.[1] So war lange umstritten, ob die bloße Sportnorm des Dopingverbots ins staatliche Recht transferiert werden kann oder muss, um rein sportliche Werte zu schützen. Diese Frage scheint durch die Einführung des Gesetzes gegen Doping im Sport (AntiDopG) beantwortet. Demgegenüber spielt das Sportrecht in der juristischen Ausbildung noch eine untergeordnete Rolle. Junge Juristen mit Interesse für den (organisierten) Sport und mit dem Mut, teilweise Neuland zu betreten, finden vor allem als Anwälte ein interessantes und ausbaufähiges Tätigkeitsfeld.

Der Weg zu einem spezifischen Anti-Doping-Gesetz in Deutschland

Natürliche Leistung, Chancengleichheit und die Grundsätze des Fairplay sind für Manipulationen mit dem Ziel unlauterer Gewinne (Siegprämien, Meisterschaften, Wetten usw.) besonders anfällig. Manipulationen des Wettkampfes bedingen nicht nur erhebliche Vermögensschäden beim lauteren Mitkonkurrenten, beim Veranstalter, bei den Zuschauern und eventuell bei Wettspielern, sondern sie haben auch fatale Rückwirkungen auf die gesamte Eigenwelt des Sports.[2] Nach und nach – insbesondere im Prozess der „Vergesellschaftung“ und „Verrechtlichung“ des Sports – sah man deshalb sowohl sportintern als auch in der sportinteressierten Öffentlichkeit die Notwendigkeit staatlicher Unterstützung zur Durchsetzung des Dopingverbots, insbesondere im Spitzensport.

So erfolgte die erste staatliche Regelung des Dopingverbots in Deutschland aufgrund zwingender Vorgaben (Anti- Doping Übereinkommen des Europarats vom 16. November 1989[3]) im Jahre 1997 durch den deutschen Gesetzgeber. Das Ergebnis war eine eher beiläufige

Verlegenheitslösung: Man packte die Kontrolle leistungssteigernder und im Sport verbotener Mittel in das Arzneimittelgesetz (AMG) mit der Konsequenz, dass nur die Verbreitung, nicht aber der Besitz und vor allem nicht die Anwendung durch die Athleten strafbar waren.

Die internationale Verpflichtung zur staatlichen Intervention gegen Doping, die mit der UNESCO-Konvention von Paris 2005 beschlossen wurde, erinnerte den Gesetzgeber daran, auch Ethos und Ansehen des Sports zu schützen. Die Dringlichkeit und Notwendigkeit für ein spezifisches Anti-Doping-Gesetz wurde danach vor allem auch im Lichte der bekannt gewordenen Dopingskandale im Radsport schärfer gesehen und es folgten verstärkte gesetzgeberische Bemühungen um ein AntiDopG mit entsprechend vielfältigen Reformvorschlägen der Parteien und Bundesländer.[4] Dieses wurde schließlich 2015 erlassen.

Das Anti-Doping-Gesetz 2015

Das AntiDopG greift die Probleme der Dopingkontrolle und des Schutzes des fairen Wettkampfs im modernen Sport in seiner Vielschichtigkeit auf und bietet erstmals ein gesetzliches Programm zur Dopingbekämpfung, das spezifisch auf den Gegenstand bezogen und systematisch abgestimmt ist. Schon § 1 AntiDopG gibt das klare Ziel des Dopingverbots vor: Es dient sowohl dem Schutz der Gesundheit als auch der Fairness und Chancengleichheit.

Mit einer sachgerechten Differenzierung des Verbots auf mehreren Ebenen wird der Schutz konkret erfasst und umgesetzt. Verboten und mit Sanktionen versehen sind gemäß der §§ 2–4 AntiDopG:

  • die Herstellung und die Verteilung von Dopingmitteln, die Fremdanwendung von Dopingmitteln,
  • die Beschaffung und der Besitz nicht geringer Mengen an Dopingmitteln,
  • Eigendoping und Besitz auch schon kleinerer Mengen bei professionellen Spitzensportlern, wenn die Absicht besteht, sich einen Vorteil in einem Wettbewerb im organisierten Sport zu verschaffen und
  • die gedopte Teilnahme an einem Wettbewerb des organisierten Sports durch professionelle Spitzensportler.

In den §§ 8 bis 11 AntiDopG ist zudem die enge Zusammenarbeit zwischen staatlicher Dopingkontrolle und der Dopingverfolgung und Sanktionierung im organisierten Sport geregelt. Das Gesetz ermöglicht so eine umfassende Bekämpfung des Dopings im Sport durch ein klares allgemeines Verbot und empfindliche Strafen gegen Hersteller, Händler, Dealer und Fremdanwender sowie auch gegen selbstdopende Spitzensportler. Das prozessuale Konzept zielt auf die enge Zusammenarbeit zwischen staatlicher und Sportgerichtsbarkeit, um die Kräfte im Anti-Doping-Kampf zusammenzuführen. Mit den unterschiedlichen Mitteln lassen sich beim Zusammenwirken erhebliche Synergieeffekte erzielen – ähnlich wie bei der Korruptionsprävention in der Wirtschaft.

Die Legitimation des AntiDopG, insbesondere Verbot des Eigendopings

Die verfassungsrechtliche Legitimation für die im Gesetzgebungsprozess und bis heute umstrittene Strafbarkeit des Eigendopings lässt sich aus dem Schutz des Wettbewerbs im wirtschaftlich orientierten Leistungssport ableiten. Der Gesetzgeber hat daher nach § 4 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 AntiDopG auch nur das Eigendoping bei Gewinnausrichtung unter Strafe gestellt. Im Übrigen begnügt sich der staatliche Gesetzgeber in § 3 AntiDopG mit der der unterstützenden Wiederholung der im Sport geltenden Grundregel.

Der kommerzialisierte Leistungssport unterscheidet sich nicht vom Wettbewerb in der freien Wirtschaft: Hier wie dort bestehen Regeln zur Wahrung der verfassungsrechtlich gebotenen Chancengleichheit bei der Teilnahme am (sportlichen) Wirtschaftsleben. Ohne ein Dopingverbot und seine sanktionsbewehrte Umsetzung stünde der „saubere“ Berufssportler vor der Entscheidung, entweder auch zu den wettbewerbsverfälschenden Mitteln zu greifen oder aber wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Diese Drucksituation lässt sich ohne Weiteres als Einschränkung der Handlungsfreiheit iSd. Art. 2 Abs. 1 GG qualifizieren.[5]

Verbandsrechtliche und/oder staatliche Dopingkontrolle

Selbstverständlich wird die verbandsrechtliche Kontrolle nach dem Nationalen Anti-Doping-Code[6] durch die strafrechtliche Untersützung nicht überflüssig. Das gilt originär für die Fälle des Eigendopings außerhalb des Spitzensports und flankierend im Übrigen. Die schnellen verbandsrechtlichen Schiedsgerichtsverfahren mit ihren strict-liability-Regeln und Beweiserleichterungen sowie dem Ausschluss eines staatlichen Rechtswegs sind sportintern sehr effektiv und werden häufig durch ihre Befunde staatliche Verfahren erst in Gang setzen.

Der strafrechtliche Schutz zur Durchsetzung des Dopingverbots erweist sich aus drei Gründen als notwendig:

  • Die Möglichkeit durch Doping schnell und im Leistungssport gewinnbringend Erfolge ohne langes und hartes Training zu erreichen, ist sehr attraktiv und daher grundsätzlich erstrebenswert. Die effektive Gegensteuerung erfordert, die Kosten des Dopings durch Kontrolle und Sanktionen zu erhöhen.
  • Die strafrechtliche Qualifizierung des Doping-Verbots verstärkt die Effektivität der Dopingkontrolle, weil ihre Bedeutung in das Rechtsbewusstsein gehoben wird (positive Generalprävention).
  • Staatliche Strafverfolgung bringt vor allem ein effektives Instrumentarium zur Ermittlung der Dopingverstöße mit sich. Dazu gehören strafprozessuale Zwangsmittel wie Durchsuchung, Beschlagnahme, U-Haft u. a., die in nach außen abgeschotteten kriminellen Strukturen wie der Dopinganwendung (Kartell des Schweigens) für die Aufklärung unverzichtbar sind.

Ausblick

Es gibt viel zu tun im Kampf gegen Doping: Laut einer Studie der WADC zum Doping im Jahr 2011 hat eine Untersuchung unter 2163 Sportlern ergeben, dass bei zwei Großereignissen der Leichtathletik von mindestens 29 bzw. 45 % der Sportler ausgegangen werden musste, die im Vorfeld gedopt hatten. Bisher funktioniert das AntiDopG lediglich als Reaktion auf einen Einzelbefund bei einem gedopten Athleten. Seine erhoffte Wirkung kann es aber erst erreichen, wenn Sportverbände und Ermittlungsbehörden den Fokus auf die Aufdeckung von systematischem Doping legen und dahingehend aktiv ermitteln.[7] Die inzwischen erfolgte Einrichtung von speziellen Ermittlungsbehörden bei der Polizei und Schwerpunktstaatsanwaltschaften könnte dazu beitragen.

[1] S. dazu ausführlich Rössner, in Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger (Hrsg.): Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn 1–18.

[2] Zu den Schutzgütern eines strafrechtlichen Dopingverbots im Sport und ihre Legitimation für einen Straftatbestand s. mwN. Rössner, in Lehner/Nolte/Putzke (Hrsg.): Handkommentar zum Anti-Doping-Gesetz, 2017, vor §§ 1 ff. Rn 23–34.

[3] Gesetz vom 02. 03. 1994, BGBl. II, 334.

[4] Im Einzelnen aufgeführt bei Rössner (Fn 2) Rn 9–16.

[5] MünchKommStGB/Freund AMG, 2. Aufl., 2013 Rn. 6 ff. zu § 6a; Jahn, Schutzpflichtlehre revisted: Der Beitrag des Verfassungsrechts zur Legitimation eines Straftatbestands der Wettbewerbsverfälschung im Sport, in Bannenberg u. a. (Hrsg.), Festschrift für Dieter Rössner, 2015, S. 599 ff., der die „erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken“ einer Kriminalisierung vorträgt.

[6] Zu dieser sportrechtlichen Kontrolle s. Lehner, in Lehner/Putzke/Nolte, Handkommentar zum Anti-Doping-Gesetz, 2017 zu § 11 Rn 1 ff.

[7] Grundsätzlich zur systematischen Dopingprävention Bette/Kühnle/Thiel, Dopingprävention, 2012.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag entstammt aus dem »Der Wirtschaftsführer für junge Juristen«.

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Prof. Dr. Dieter Rössner

ehem. Universitätsprofessor
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