15.01.2020

Gesonderte Prüfung möglicher größerer Wettbewerbsverzerrungen bei § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG

Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen

Gesonderte Prüfung möglicher größerer Wettbewerbsverzerrungen bei § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG

Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen

Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com
Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2016, BStBl I S. 1451, hat das BMF zu Anwendungsfragen des § 2 b UStG Stellung genommen. Zwischenzeitlich wurde die Frage der europarechtlichen Anforderungen an die Auslegung der Regelung des § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG mit der Europäischen Kommission diskutiert. Im Lichte dieser Erörterungen gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

Bei § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG handelt es sich um ein Regelbeispiel. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, besteht eine Vermutung, dass keine größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Dritter vorliegen. Um eine unionsrechtskonforme Anwendung des § 2 b UStG sicherzustellen, ist es jedoch erforderlich, auch dann, wenn die Voraussetzungen des Regelbeispiels gegeben sind, in eine gesonderte Prüfung auf mögliche schädliche Wettbewerbsverzerrungen nach § 2 b Abs. 1 Satz 2 UStG einzutreten.

Maßstab hierfür sind die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2016, Rz. 22 ff. Insbesondere ist zu prüfen, ob private Unternehmer potenziell in der Lage sind, vergleichbare Leistungen wie die öffentliche Hand zu erbringen. Ergibt sich unter Anwendung dieser Maßstäbe, dass die Nichtbesteuerung von Leistungen im Rahmen der Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, ist die Regelvermutung des § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG als widerlegt anzusehen.


Bei Leistungsvereinbarungen über verwaltungsunterstützende Hilfstätigkeiten sind regelmäßig bereits die Voraussetzungen des § 2 b Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b UStG nicht gegeben (siehe Randziffer 49 f. des Bezugsschreibens). Sie erfüllen keine spezifisch öffentlichen Interessen, da sie ohne weiteres auch von privaten Unternehmern erbracht werden können. Im Rahmen der gesonderten Wettbewerbsprüfung nach § 2 b Abs. 1 Satz 2 UStG scheiden diese Leistungen auf jeden Fall aus der Nichtsteuerbarkeit aus. Hierzu zählen Verträge, die auf die Gebäudereinigung, Grünpflegearbeiten, Neubau- und Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Gebäuden sowie auf unterstützende IT-Dienstleistungen beschränkt sind.

Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht

Anmerkung:

Das BMF ordnet in seinem Schreiben an, dass trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG eine gesonderte Prüfung vorzunehmen ist, ob private Unternehmer potenziell in der Lage sind, vergleichbare Leistungen zu erbringen. Da es bei der interkommunalen Zusammenarbeit – z.B. im Bereich der Datenverarbeitung, im Bauhofbereich oder im Feuerwehrbereich (außerhalb des Brandschutzes) – fast immer derartige potenzielle private Unternehmer gibt, führt die Anweisung des BMF im oben dargestellten Schreiben vom 14.11.2019 faktisch zur Nichtanwendung des § 2 b Abs. 3 Nr. 2 UStG.

 

Querverbundfähigkeit eines Breitband-BgA – keine verdeckte Gewinnausschüttung bei einem Breitband-BgA

BMF, Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände vom 9.9.2019 – IV C 2 – S 2706/16/10002

Im o.g. Schreiben teilt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit, dass die Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein „Breitband-BgA“ nach § 4 Abs. 6 KStG mit einem anderen BgA zusammengefasst werden kann und wie Verluste des Breitband-BgA nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 KStG zu beurteilen sind, mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert worden sind. Nach dem Ergebnis der Erörterung gilt hierzu Folgendes:

  1. Anwendung des § 4 Abs. 6 KStG

Juristische Personen des öffentlichen Rechts begründen mit der Überlassung der gesamten passiven Infrastruktur (Leerrohre mit Glasfaserkabel sowie weiterer erforderlicher technischer Komponenten) an Netzbetreiber einen Verpachtungs-BgA im Sinne des § 4 Abs. 4 KStG. Betreibt die juristische Person des öffentlichen Rechts das Breitband-Netz selbst, liegt ein „aktiver“ BgA im Sinne des § 4 Abs. 1 KStG vor.

Der „Breitband-BgA“ ist ein Versorgungs-BgA im Bereich der Telekommunikation, allerdings kein Versorgungs-BgA im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG (vgl. Rdnr. 13 des BMF-Schreibens vom 12.11.2019, BStBl I S. 1303). Versorgungs-BgA im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG sind untereinander gleichartig (vgl. Rdnr. 4 letzter Satz des BMF-Schreibens vom 12.11.2009, a.a.O.). Gleichartigkeit liegt auch vor zwischen den Versorgungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG und den BgA aus dem Bereich der Telekommunikation. Diese können nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden.

Ist nicht die juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern eine Eigengesellschaft im Bereich Breitband tätig, gilt Vorstehendes entsprechend. Überlässt die Eigengesellschaft nur Leerrohre an einen Betreiber des Breitbandnetzes, ist dies als eigenständige Sparte anzusehen. Auf diese Sparte sind die für die Telekommunikations-BgA geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. Damit liegt eine Versorgungssparte vor.

  1. Einkommensermittlung des „Breitband-BgA“

Ein „Breitband-BgA“ ist kein BgA, auf den § 8 Abs. 7 KStG anzuwenden ist. Seine Tätigkeiten können nicht unter § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG subsumiert werden

Hinsichtlich möglicher Verluste eines „Breitband-BgA“ ist zu berücksichtigen, dass dieser regelmäßig für seine Investitionsvorhaben staatliche Zuwendungen erhalten wird (z.B. nach der Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“) Derartige Zuwendungen sehen u.a. vor, dass die Netzinfrastruktur an Dritte veräußert werden soll. Hierin ist ein einheitliches Gesamtkonzept aus laufender Verpachtung (im Fall des Verpachtungs-BgA im Sinne des § 4 Abs. 4 KStG) bzw. aus laufendem Betrieb (im Fall des „aktiven“ BgA im Sinne des § 4 Abs. 1 KStG) und anschließender Veräußerung zu sehen. Aus Sicht des Zuwendungsgebers wird mit dem Investitionsvorhaben eine schwarze Null angestrebt. Aus einem derartigen Gesamtkonzept resultiert aus dem laufenden Betrieb des „Breitband-BgA“ keine verdeckte Gewinnausschüttung.

Wird das Investitionsvorhaben durch eine Eigengesellschaft durchgeführt, gilt Vorstehendes entsprechend.

Die Grundsätze unter 1. und 2. sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Anmerkung:

Das oben dargestellte BMF-Schreiben stellt eine Kehrtwende der Finanzverwaltung dar. Bis jetzt ging sie davon aus, dass der Betrieb eines Breitbandes bzw. dessen Verpachtung ein Dauerverlustgeschäft darstellt, das nicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG begünstigt ist. Diese Auffassung führte deshalb zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung mit der Folge, dass kein körperschaftsteuerlicher Verlustvortrag entstand und ggf. sogar Kapitalertragsteuer anfiel. Auch eine Zusammenfassung mit anderen BgA war wegen des fehlenden verrechenbaren Verlustes (die verdeckte Gewinnausschüttung darf das Einkommen nicht mindern, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) nicht möglich. Nunmehr geht die Finanzverwaltung nicht mehr von einem Dauerverlustgeschäft i.S.d. § 8 Abs. 7 KStG aus (Anstreben einer „schwarzen Null“). Dies hat zur Folge, dass aus dem laufenden Betrieb eines „Breitband-BgA“ keine verdeckte Gewinnausschüttung entsteht. Eine Zusammenfassung ist nun grundsätzlich möglich; nach Auffassung des BMF wegen der Gleichartigkeit z.B. mit Versorgungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG).

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
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