13.06.2019

„Raus aus dem Schneckenhaus“ –

Wege eines zukunftsfähigen Beteiligungsmanagements

„Raus aus dem Schneckenhaus“ –

Wege eines zukunftsfähigen Beteiligungsmanagements

Die jährlich stattfindende Speyerer Tagungsreihe zu Public Corporate Governance bietet eine wichtige Austauschplattform für Politik, Verwaltung und Wissenschaft. | © Trueffelpix - stock.adobe.com
Die jährlich stattfindende Speyerer Tagungsreihe zu Public Corporate Governance bietet eine wichtige Austauschplattform für Politik, Verwaltung und Wissenschaft. | © Trueffelpix - stock.adobe.com

„Wir wollen raus aus unserem Schneckenhaus“ lauten die Worte von Stefan Ramge, MD (Leiter der Abteilung Beteiligungen des Bundesministeriums der Finanzen) als er im Rahmen der 7. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance von den Herausforderungen der Beteiligungssteuerung öffentlicher Unternehmen sprach. Zu ihnen zählen auf Bundesebene bekannte Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG und ihre Konzerntöchter. Auch auf kommunaler Ebene gibt es etliche Unternehmen, die täglich für die Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger verantwortlich sind. Hierzu zählen beispielsweise Stadtwerke, Verkehrsgesellschaften oder kommunale Krankenhäuser und Schwimmbäder. Doch was bedeutet Daseinsvorsorge eigentlich und wie können wir diese durch eine gezielte Steuerung der Beteiligungsgesellschaften sicherstellen? Derartigen Fragen stellten sich in diesem Jahr über 130 Tagungsteilnehmer, die der Einladung von Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Univ.-Prof. Dr. Ulf Papenfuß an die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer folgten. Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung kristallisierten sich zwei Kernbereiche bzw. -forderungen heraus, auf die wir im folgenden Beitrag näher eingehen möchten:

  • Mehrwert schaffen und Synergien generieren
  • Beteiligungsmanagement und Aufsichtsräte stärken

Mehrwert schaffen und Synergien generieren

Der Gesellschafter eines kommunalen Unternehmens, seien es Bund, Land oder Kommune, muss sich stets die Frage stellen, welchen Mehrwert das öffentliche Unternehmen für die Bürgerschaft generieren soll. Daseinsvorsorge ist kein einheitlich definierter Begriff und demnach interpretationsbedürftig. Dass der Zweck öffentlicher Unternehmen über rein monetäre Ziele hinausgeht, darüber sind sich die Tagungsteilnehmer einig. Nicht umsonst regeln die Gemeindeordnungen der Länder, dass sich die Kommunen nur dann wirtschaftlich betätigen dürfen, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens gerechtfertigt ist und „nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann“ (ausgenommen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme (Energieversorgung), Wasserversorgung und Versorgung mit Breitbandtelekommunikation und öffentlicher Personennahverkehr; vgl. § 85 Absatz 1 Nr. 1 und 3 GemO Rheinland-Pfalz). Daseinsvorsorge ist aber auch ein Begriff, dessen Bedeutung sich im Laufe der Zeit ändert. So betont Michael Ebling (Oberbürgermeister der Stadt Mainz und Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen e.V.) während seines Vortrages, dass alles das „zur Daseinsvorsorge wird, was den Menschen wichtig ist“. Manch eine öffentliche Beteiligungsgesellschaft sei daher mitunter historisch gewachsen, weshalb es nicht verwundern darf, wenn eine Stadt einen Saurierpark, ein Kino oder einen Zoo betreibt. Dabei ist es aus Sicht von Ebling die Aufgabe der öffentlichen Hand, gerade dort Mehrwehrt zu generieren und Infrastrukturen aufrecht zu erhalten, wo sich Versorgungsprobleme, wie beispielsweise beim Wohnraum, nicht alleine durch den Markt lösen lassen. Christian Specht (Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim) betont, dass Städte Trends erkennen müssen, um langfristig mit anderen Städten weltweit konkurrieren und Daseinsvorsorge gewährleisten zu können. Digitalisierung, Sicherheit, Nachhaltigkeit und soziale Ungleichheit stellen aus seiner Sicht und in Anlehnung an die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen vier zentrale Treiber dar.

Umsetzungsinstrumente der Daseinsvorsorge sind letztendlich die öffentlichen Unternehmen. Mittlerweile verfügen viele Kommunen über hunderte unmittelbare und mittelbare Beteiligungsgesellschaften. Dies führt für viele Städte zu großen Herausforderungen bei der Beteiligungssteuerung, birgt jedoch zugleich ungemeine Synergiepotenziale, wie Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner veranschaulichte. So kann eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit positive Kooperationseffekte erzeugen und Mehrwertpotenziale freisetzen, die ohne Zusammenarbeit nicht möglich sind. Wie die Tagungsdiskussionen zeigen, sieht die Realität bislang jedoch anders aus. Im Konzern „Stadt“ sind viele Unternehmen vom sogenannten Silodenken geprägt; jeder denkt also nur an seine spezifische Aufgabe und schaut nicht nach links und rechts zu den anderen Beteiligungsgesellschaften. Dadurch können weder Kostensenkungspotenziale durch kollektive Ressourcenbündelung, wie z.B. eine zentrale Einkaufsabteilung, genutzt werden noch kann unternehmensübergreifendes Know-how entstehen. Die Diskussionen zeigen aber auch, dass den Gesellschaftern verschiedene Möglichkeiten zum Abbau derartiger Egoismen und Steuerungsprobleme zur Verfügung stehen.


Beteiligungsmanagement und Aufsichtsräte stärken

Wichtige Umsetzungsorgane des Gesellschafterwillens sind das Beteiligungsmanagement und die Aufsichtsräte der Unternehmen. Während das Beteiligungsmanagement meist eine Einheit der (Stadt-) Verwaltung ist, sind die Aufsichtsräte – zumindest auf kommunaler Ebene – mit ehrenamtlichen Politikern besetzt. Sowohl Beteiligungsmanagement als auch Aufsichtsrat haben umfassende Potenziale, Mehrwert für die kommunalen Unternehmen zu generieren. Während die Beteiligungsmanager aufgrund ihrer betriebswirtschaftlichen, verwaltungswissenschaftlichen und juristischen Spezialisierung fachlich unterstützen können, kennen die ehrenamtlichen Politiker die Bedürfnisse ihrer Wählerschaft besser als jeder andere und können diese im Stadtrat und den öffentlichen Unternehmen vertreten.

Die Tagungsdiskussion zeigt auch, dass Beteiligungsmanagement und Aufsichtsrat gestärkt werden müssen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. So nützt es wenig, wenn Aufsichtsräte zwar den Bürgerwillen kennen, gleichzeitig aber die komplexen betriebswirtschaftlichen Strukturen der Unternehmen und Branchen nicht verstehen. Um die Geschäftsführungen kontrollieren und beraten zu können, brauchen sie beides. Das Beteiligungsmanagement hat aufgrund seiner Spezialisierung verschiedenste Möglichkeiten hierbei zu unterstützen. Es kann die Aufsichtsräte z.B. durch gezielte Informationsversorgung weiterbilden oder Schulungen anbieten. Darüber hinaus kann beispielsweise die Organisation von Geschäftsführertreffen eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit stärken. Wie der Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Ulf Papenfuß verdeutlicht, sind viele Beteiligungsmanagement-Einheiten personell jedoch sehr schwach aufgestellt. Dass von der Anzahl der in der Beteiligungsverwaltung arbeitenden Personen kein Rückschluss auf die Qualität ihrer Arbeit möglich ist, steht außer Frage; viele schwach besetzte Beteiligungsmanagement-Einheiten leisten hervorragende Arbeit. Angesichts der Unterstützungspotenziale, die das Beteiligungsmanagement für die Aufsichtsratsarbeit und die Beteiligungssteuerung insgesamt hat, sollte jedoch langfristig über eine personelle Stärkung nachgedacht werden. Dabei ist es aus Sicht der Tagungsteilnehmer wichtig, dass die öffentliche Hand ein attraktiver Arbeitgeber für Universitätsabsolventen bleibt bzw. wird. Aufgrund des digitalen Wandels und benötigten Know-hows sei dies jedoch eine zentrale Herausforderung der folgenden Jahre.

Fazit

Die Beiträge und die Tagungsdiskussionen zeigen, dass Bund, Land und Kommunen bereits große Anstrengungen „raus aus dem Schneckenhaus“ unternommen haben. Sie sind bestrebt dort Mehrwert zu generieren, wo er vom Bürger nachfragt wird. Dieser ist jedoch einem ständigen Wandeln ausgesetzt. Was heute gewünscht ist, kann morgen schon veraltet sein. Umso wichtiger ist es, dass sich die Beteiligungsgesellschaften vernetzen und im digitalen Wandel unternehmensübergreifende Synergien erzeugen. Beteiligungsmanagement und Aufsichtsräte können dabei unterstützen, müssen jedoch selbst gestärkt werden, um handlungsfähig zu bleiben.

Die jährlich stattfindende Speyerer Tagungsreihe zu Public Corporate Governance bietet eine wichtige Austauschplattform für Politik, Verwaltung und Wissenschaft. Sie hat sich aus Sicht der Referenten und Tagungsteilnehmer mittlerweile zur wichtigsten Public Corporate Governance-Tagungsreihe in Deutschland entwickelt. Im kommenden Jahr findet sie vom 23. bis 24. März 2020 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt.

 

Dipl.-Hdl. Bettina Klimke-Stripf

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer
 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin

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