16.06.2019

Bauland mobilisieren – Wohnungsbau fördern

Vorschläge und Forderungen des Deutschen Städte- und Gemeindebunds

Bauland mobilisieren – Wohnungsbau fördern

Vorschläge und Forderungen des Deutschen Städte- und Gemeindebunds

Um das „Wohnen in den eigenen vier Wänden“ lange zu ermöglichen, sind gezielte Bundes- und Landesprogramme ebenso nötig wie die Förderung von Mehrgenerationenhäusern. | © Jakob Kamender - stock.adobe.com
Um das „Wohnen in den eigenen vier Wänden“ lange zu ermöglichen, sind gezielte Bundes- und Landesprogramme ebenso nötig wie die Förderung von Mehrgenerationenhäusern. | © Jakob Kamender - stock.adobe.com

Die Wohnungsfrage bleibt eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Eine angemessene Wohnraumversorgung für alle Bevölkerungsschichten kann nur im Zusammenwirken aller relevanten Akteure, also insbesondere von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Bau- und Immobilienwirtschaft sichergestellt werden.

Zur Ausfüllung des bestehenden Saldos von circa 100.000 zu wenig gebauter Wohnungen pro Jahr sieht der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD unter anderem eine Wohnraumoffensive zum Bau von 1,5 Millionen Wohnungen sowohl im freifinanzierten als auch im öffentlich geförderten Wohnungsbau vor. Auch die Gewinnung von Bauland soll verbessert werden. Hierzu hat die Bundesregierung im Jahr 2018 die Expertenkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ eingesetzt. Im Mittelpunkt stehen Verbesserungen des Bau- und Planungsrechts, um das Baulandangebot speziell im Innenbereich zu erweitern und den Neubau bezahlbarer Wohnungen zu beschleunigen. Dies ist ein sinnvoller Ansatz – allerdings müssen den Worten nun zügig Taten folgen!

Hierbei bleibt zu berücksichtigen: Der Wohnungsmarkt in Deutschland bleibt von starken Disparitäten bestimmt: Wachsenden Wohnungsmärkten, speziell in stark nachgefragten Städten, stehen Schrumpfung und Leerstände von insgesamt ca. zwei Millionen Wohnungen, insbesondere in strukturschwachen ländlichen Gebieten, gegenüber. Bund und Länder müssen daher schnell die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen, um sowohl auf den Wohnungsbedarf als auch auf den Leerstand besser zu reagieren.


Ländliche Räume stärken – Ballungszentren entlasten

Bei aller Anstrengung werden wir das Problem der Wohnungsknappheit nicht allein in den großen Städten lösen können. Ländliche Räume können eine wichtige Entlastungsfunktion für die oft überhitzten Wohnungsmärkte in den Großstädten übernehmen und so maßgeblich zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen. In einer verstärkten Dezentralisierung und der Schaffung von öffentlichen wie privaten Arbeitsplätzen in ländlichen Räumen könnte eine Chance zum Ausgleich liegen. Eine Verlagerung von Behördenstandorten und Arbeitsplätzen des Bundes und der Länder sollte insbesondere in Regionen mit starkem demografischem Handlungsbedarf erfolgen. Zur Strukturförderung ist zudem eine weitere Ansiedlung von Ausbildungseinrichtungen, vor allem von Fachhochschulen, in strukturschwachen Räumen erforderlich. Entsprechende Förder-Boni von Bund und Länder könnten hier wichtige Impulse setzen.

Eine verstärkte Dezentralisierung kann der Bund auch durch die in seiner Verantwortung liegende Raumordnung unterstützen. Die Leitbilder der Raumordnung müssen im Rahmen der Arbeit der „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse“ überprüft und – falls nötig – fortgeschrieben werden. Dabei sollten ländliche Räume als eigenständige und aus sich heraus funktionsfähige und vitale Raumkategorie gelten. Zudem gehören die vielfach zu engen landesplanerischen Vorgaben auf den Prüfstand. Wir benötigen in Deutschland eine größere kommunale Freiheit für eine intelligente und eigenverantwortliche Entwicklung der Städte und Gemeinden.

Bauland mobilisieren – Städtebaurecht ergänzen

Beim Thema Bauland ist nicht das Bestehen von Baurechten, sondern die Mobilisierung des Baulands für bezahlbare Wohnungen das Problem. Hohe Preise für Bauland hemmen den Wohnungsbau stärker als die eigentlichen Baukosten. Konflikte mit dem Umwelt-, Arten- und Naturschutz sind weitere Schranken für eine Bebauung, auch im Innenbereich. Zudem ist es oftmals schwer, die in Privatbesitz befindlichen Grundstücke für eine Bebauung zu mobilisieren. Die Baulandmobilisierung muss daher forciert werden. Ein wichtiger Hebel ist in diesem Zusammenhang das Städtebaurecht:

  • Gemeindliches Vorkaufsrecht stärken: Das gemeindliche Vorkaufsrecht (§§ 24, 25 BauGB) sollte auf alle Flächen in einer Gemeinde erweitert und generell für den Wohnungsbau (auch: „Baulückenvorkaufsrecht“) ausgeübt werden können.
  • Erweiterung und Stärkung des Baugebots (§ 176 BauGB): In Deutschland gibt es 176 000 ha ungenutzter Brachflächen im Innenbereich. Auf Basis einer kommunalen Satzung sollte die für ein Baugebot nötige städtebauliche Erforderlichkeit nicht nur für den Einzelfall, sondern für alle in einem Satzungsgebiet liegenden Grundstücke festgestellt werden können.
  • Gemeinwohlbelange bei Baurechten nach § 34 BauGB stärken: Derzeit stützt sich der Rechtsanspruch eines Eigentümers auf Erteilung einer Baugenehmigung im unbeplanten Innenbereich (ca. 50 % aller Baugenehmigungen erfolgen nach § 34 BauGB) rein auf städtebauliche Aspekte. Die Belange des Gemeinwohls (Anteil sozialgebundener Wohnungen etc.) bleiben außen vor. Es ist daher notwendig, die Möglichkeiten auch in § 34-er-Gebieten durch Einflussnahme auf Gemeinwohlbelange zu stärken.
  • Flexibilisierung des § 17 BauNVO: § 17 BauNVO enthält derzeit Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung, die Nachverdichtungen im Innenbereich und den Ausbau von Dachgeschossen erschweren. Die Obergrenzen des § 17 BauNVO sollten daher zukünftig nur als Orientierungswerte vorgegeben werden.
  • Passiven Schallschutz ermöglichen: Auch bei Gewerbelärm sollten zur Schaffung angrenzender Wohnungen passive Schallschutzmaßnahmen bei heranrückender Wohnbebauung als Mittel festgesetzt werden können.
  • § 13b BauGB entfristen: Nach § 13b können Bebauungspläne mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 qm im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden, um die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen zu begründen, die sich an im Zusammenhang bebauten Ortsteilen anschließen. Die Norm ist bis zum 31.12.2019 befristet. Da sich die Beschleunigung u. a. wegen Verzicht auf Umweltprüfungen bewährt hat, sollte eine Entfristung erfolgen.

Zur Förderung der Innenentwicklung sollte darüber hinaus im Rahmen der Reform der Grundsteuer eine baulandmobilisierende Komponente geprüft werden. Städte und Gemeinden müssen zum Zwecke der Baulandmobilisierung baurechtlich nutzbare, aber nicht genutzte Grundstücke mit höheren Steuersätzen belegen können (Grundsteuer C). Zur Belebung der Ortskerne und Innenstädte gerade in Städten und Gemeinden des ländlichen Raums sollte darüber hinaus für die Länder eine Möglichkeit eingeführt werden, Kommunen und ggf. auch private Investoren beim Kauf von Grundstücken von der Grunderwerbssteuer zu befreien, wenn diese zur Revitalisierung von Brachen dienen. Bund und Länder bleiben in diesem Zusammenhang gefordert.

Standards abbauen

In den letzten zehn Jahren sind die Baukosten in Deutschland mit bis zu 36 Prozent schneller gewachsen als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Daher gehören auch die Normung und die bautechnischen Regeln auf den Prüfstand. Die Erarbeitung von technischen Normen sowie ihre Übernahme in das bautechnische Regelwerk (DIN etc.) bedürfen zukünftig einer strengen Prüfung auf Erforderlichkeit und einer Kosten-Nutzen-Analyse. Ohne eine nachhaltige Reduzierung der Baukosten wird es nicht gelingen, Wohnungsbauprojekte zu bezahlbaren Preisen zu realisieren.

Die Zahl der Bauvorschriften hat sich zudem in den letzten Jahren von 5.000 auf 20.000 vervierfacht. Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Überflüssige Standards müssen abgebaut werden. Allein die am 01.01.2016 in Kraft getretene Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) für Neubauten führt zu Mehrkosten von bis zu zehn Prozent. Dies wirkt sich auf die Neubautätigkeiten und das Mietniveau aus. Energiestandards sollten daher in Zukunft verstärkt quartiersbezogen statt auf die Einzelwohnung ausgerichtet werden.

Serielles und modulares Bauen forcieren

Standardisierung und serielles Bauen sparen nicht nur Geld. Sie beschleunigen auch die Fertigstellung von Wohnbauprojekten und sind im Sinne einer flexiblen Nutzung nachhaltig. So können zum Beispiel Variowohnungen, die eine unterschiedliche Wohnnutzung ermöglichen (z. B. Wohnungen für Studierende; Seniorenwohnen; junge Familien), zügig erstellt werden. Die Prozessdauer im Genehmigungsverfahren kann zudem durch die verstärkte Zulassung von Typengenehmigungen deutlich verkürzt werden. Hinzu kommt, dass mittlerweile durch serielle Bauweise nicht nur kostengünstig, sondern auch hochwertig gebaut werden kann. Serielles Bauen kann somit auch baukulturelle Qualität schaffen.

Interkommunale Kooperationen ausbauen

Auch die interkommunale Zusammenarbeit bietet die Chance, in Zeiten knapper Kassen eine leistungsstarke und attraktive öffentliche Infrastruktur – gerade auch in ländlichen Räumen – vorzuhalten. Das Potential ist hier noch lange nicht ausgeschöpft. Bund und Länder sind daher aufgefordert, die interkommunale Zusammenarbeit sowie Stadt-Umland-Kooperationen, insbesondere in der Gründungsphase („Anschubfinanzierung“), gezielt zu unterstützen. Kooperationen können gerade im Bereich der Stadtentwicklung und der kommunalen Wohnungswirtschaft wichtige Impulse setzen. Eine Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit bei der Wohnbaulandentwicklung sollte einen Kosten-Nutzen-Ausgleich der beteiligten Kommunen vorsehen. Regionale Wohnbauland- und Infrastrukturfonds können dabei Anreize zur Kooperation schaffen.

Kommunale Wohnungsunternehmen stärken

Kommunale Wohnungsunternehmen sind wichtige Partner der Städte und Gemeinden sowie Garanten einer nachhaltigen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Die über 700 kommunalen Wohnungsunternehmen besitzen in Deutschland ca. 2,5 Millionen Wohnungen. Diese kommunalen Unternehmen sind nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Sie sind vielmehr schon von ihren Satzungszwecken her dem Ziel verpflichtet, preiswerten Wohnraum für breite Kreise der Bevölkerung zu schaffen. Zudem verfolgen sie regelmäßig eine integrierte sowie nachhaltige und kompakte Stadtentwicklung. Bei ihren Maßnahmen steht städtebaulich die Stärkung der Innenstädte und Ortskerne im Vordergrund. Daher sind kommunale Wohnungsunternehmen Bestandshalter. Sie tragen mit einer zurückhaltenden Mietenpolitik maßgeblich zu einer sozialgerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden bei. Wegen ihrer besonderen Rolle sollten kommunale Wohnungsunternehmen auch in ihrer Gründungsphase sowie mit dem Ziel einer Stärkung kommunaler Kooperationen daher bevorzugt in staatliche Förderprogramme zur Stadtentwicklung und zum Wohnungsbau einbezogen werden.

Auch das genossenschaftliche Wohnen in Deutschland sollte weiter gefördert werden. Wohnungsgenossenschaften leisten seit jeher im Sinne des Solidarprinzips einen wichtigen Beitrag zur Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie zur Bildung stabiler Wohnquartiere. Neben der Förderung, insbesondere kleinerer Genossenschaften in der Gründungsphase, sollte eine stärkere Einbeziehung von Wohnungsgenossenschaften auch in Kooperationsvereinbarungen mit den Kommunen unterstützt werden. Zudem muss der Bund die Bedingungen für den Erwerb von Geschäftsanteilen für Mitglieder der Genossenschaften im Rahmen des KfW-Wohneigentumsprogramms verbessern.

Bestand aktivieren – Städtebauförderung dauerhaft stärken

Die Städtebauförderung von Bund, Ländern und Gemeinden ist als Gemeinschaftsaufgabe ein unverzichtbarer Eckpfeiler der Stadtentwicklung. Die Finanzierung durch Bund und die Länder muss daher dauerhaft auf hohem Niveau gesichert werden. Nötig sind neben einer Bündelung und stärkeren Durchlässigkeit der Programme eine stärkere kommunale Eigenverantwortung sowie einfachere Antrags- und Mittelverwendungsverfahren. Die kommunalen Spitzenverbände werden sich entsprechend in die laufenden Beratungen zur Neustrukturierung der Städtebauförderung einbringen.

Neben einem altersgerechten Stadtumbau sollten darüber hinaus in den Innenstädten und Ortskernen die aktuell nicht als Wohnungen genutzten Bestandsbauten gerade für junge Familien mit Kindern nutzbar gemacht werden. Unter dem Konzept „Jung kauft Alt“ gibt es bereits vielfach öffentlich und durch Kommunen geförderte Modelle für einen nachfragegerechten Umbau älterer und nicht mehr den aktuellen Wohnbedürfnissen entsprechenden Bauten zu Wohnzwecken in unseren Innenstädten. Wesentlich ist auch, die Wohnformen der wachsenden Zahl älterer Menschen anzupassen. Um das „Wohnen in den eigenen vier Wänden“ lange zu ermöglichen, sind daher gezielte Bundes- und Landesprogramme ebenso nötig wie die Förderung von Mehrgenerationenhäusern.

 

Bernd Düsterdiek

Referatsleiter Deutscher Städte- und Gemeindebund

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