18.09.2017

Prädestiniert für Reformprozess

Kommunale Kulturförderung im Lichte der Haushaltssteuerung

Prädestiniert für Reformprozess

Kommunale Kulturförderung im Lichte der Haushaltssteuerung

Kulturförderung: Unter den öffentlichen Anbietern sind die Kommunen die wichtigsten Akteure. | © Maurice Tricatelle - stock.adobe
Kulturförderung: Unter den öffentlichen Anbietern sind die Kommunen die wichtigsten Akteure. | © Maurice Tricatelle - stock.adobe

Kulturförderung wird von Privaten und seitens der öffentlichen Hand betrieben. Unter den öffentlichen Anbietern sind die Kommunen die wichtigsten Akteure. Nach dem Kulturfinanzbericht 2016 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder entfallen 45,4 Prozent der öffentlichen Kulturausgaben von insgesamt 9,9 Mrd. Euro im Jahr 2013 auf die Gemeinden und Gemeindeverbände. Weitere 4,1 Mrd. Euro tragen die Länder und 1,3 Mrd. Euro der Bund.

Unter kommunaler Kulturförderung summieren die Statistiker die Ausgaben für Theater und Musik, Bibliotheken, Museen, Sammlungen, Ausstellungen, Denkmalschutz und Denkmalpflege sowie sonstige Kulturpflege und Kulturverwaltung. Und unter Ausgaben werden die sogenannten Grundmittel herangezogen, das sind die Ausgaben abzüglich der dem jeweiligen Aufgabenbereich zurechenbaren Einnahmen aus dem öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich. Die Grundmittel zeigen die aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu finanzierenden Ausgaben eines bestimmten Aufgabenbereichs einschließlich der investiven Maßnahmen an.

Heterogene Verantwortungsteilung im Ländervergleich

In allen Flächenländern gibt es bei der Kultur eine Verantwortungsteilung zwischen dem jeweiligen Land und seinen Kommunen. Monetär kommt diese im Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben zum Ausdruck. Das ist der Anteil der kommunalen Ausgaben an den Gesamtausgaben für Kultur im jeweiligen Land. Nachstehende Grafik zeigt, dass in nahezu allen Ländern die Kommunen mehr Ausgaben für Kultur tätigen als die Länder. Lediglich in Thüringen, dem Saarland und in Schleswig-Holstein sind die in Klammern angegebenen Kommunalisierungsgrade (KG) kleiner als 50 Prozent und damit die Landeskulturausgaben größer als diejenigen der Kommunen.


In Hessen und in Nordrhein-Westfalen sind die Anteile der Kommunen an den Kulturausgaben am höchsten – in Nordrhein-Westfalen bei insgesamt vergleichsweise sehr niedrigen Pro-Kopf-Landesausgaben von lediglich 21 Euro je Einwohner. Die hohen hessischen und nordrhein-westfälischen Kulturausgaben der Kommunen werden lediglich noch in Sachsen und in Sachsen-Anhalt übertroffen, wobei diese beiden Länder auch insgesamt vergleichsweise hohe Kulturausgaben tätigen.

Tatsächlich ragen die neuen Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und an der Spitze Sachsen mit ihren gesamten Kulturausgaben je Einwohner heraus. Es folgen die drei wirtschaftsstarken alten Flächenländer Baden-Württemberg, Hessen und Bayern, wobei in Hessen im Unterschied zu Baden-Württemberg und Bayern vorwiegend die kommunalen Kulturausgaben den vergleichsweise hohen Gesamtwert erklären.

Ein Staatsziel Kultur ist heute in mehreren Ländern etabliert, etwa nach Art. 30 LV Thüringen, Art. 13 LV Schleswig-Holstein oder Art. 16 LV Mecklenburg-Vorpommern. Ein entsprechendes Staatsziel ist aber nicht notwendigerweise ein Garant für insgesamt und dauerhaft hohe Kulturausgaben. Spannend ist hingegen der Fall Sachsen, das Land mit den höchsten Pro-Kopf-Kulturausgaben (auch bei den Kommunen). In Sachsen ist nach § 2 Abs. 1 Sächsisches Kulturraumgesetz die Kulturpflege eine Pflichtaufgabe der Kommunen.

In der Mehrzahl der Länder bestimmen die Gemeinden und Gemeindeverbände dahingegen weitgehend selbst über den Ressourceneinsatz. Gleichwohl gibt es vielfach Bestimmungen zur Bereitstellung kultureller Infrastrukturen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. So haben etwa nach § 19 Abs. 1 Hessische Gemeindeordnung die Gemeinden die Aufgabe, »in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für ihre Einwohner erforderlichen […] kulturellen öffentlichen Einrichtungen bereitzustellen.« Die Regelung unterstreicht, dass die freiwilligen Kulturaufwendungen nicht im Widerspruch zur finanziellen Leistungsfähigkeit stehen dürfen, es mithin einen Zusammenhang zwischen den beiden Größen gibt.

Insgesamt erscheint ein Blick ausschließlich auf die Höhe der monetären Kulturförderung als verkürzt. Ein höherer Mitteleinsatz und gewichtigere Defizite führen nicht notwendigerweise zu einer Verbesserung des Angebots. Gerade im Bereich der Kultur geht es auch um die Qualität und die Wirkung der Angebote. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der zu Veränderungen bei den (potenziellen) Nutzern der Angebote führt.

Steuerung der Kulturangebote

Die Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« sieht den kommunalen Kulturbereich in ihrem Schlussbericht als prädestiniert für die Umsetzung des neuen Steuerungsmodells. Zum einen weil die Diskussion um Standards und Qualität an Bedeutung gewinnt und Kultureinrichtungen vielfach über eigene Erträge in nennenswertem Umfang verfügen, womit sich das Instrument der Budgetierung anbietet. Zum anderen aber auch, weil es aufgrund der Freiwilligkeit keine stark reglementierten Leistungsdefinitionen gibt. Vor dieser Kulisse empfiehlt die Kommission explizit, den Reformprozess zu intensivieren.

In der kommunalen Praxis kommt der Reformprozess an dieser Stelle jedoch nur schleppend voran – zumindest kann das exemplarisch anhand der hessischen Situation festgemacht werden. So sollen nach § 10 Abs. 3 GemHVO von Hessen in den einzelnen Teilhaushalten produktorientierte Ziele unter Berücksichtigung des einsetzbaren Ressourcenaufkommens und des voraussichtlichen Verbrauchs sowie Kennzahlen zur Zielerreichung bestimmt werden. Ziel dieser Regelung ist die Installation einer politisch-strategischen Output- und Wirkungssteuerung (Outcome), mithin die Abkehr von der reinen Inputsteuerung.

Trotz der rechtlichen Regelung zeigt eine Auswertung der Stabsstelle zur Beratung von Nicht-Schutzschirmkommunen, dass viele die Vorschrift noch nicht oder nur teilweise in den Wirkbetrieb überführt haben. In 24 und damit knapp der Hälfte aller bis zum Stichtag 2. Juni 2017 beratenen 50 Kommunen waren zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs im Haushalt keinerlei Ziele und Kennzahlen etabliert. Bei 18 weiteren wurden teilweise, mithin nicht bei allen Produkten, Kennzahlen etabliert. Und nur acht der beratenen Kommunen haben in ihrem Haushalt flächendeckend Ziele und Kennzahlen aufgenommen. Damit bleiben bei zahlreichen Kommunen notwendigerweise (noch) die erhofften Steuerungsaufwertungen bislang größtenteils Theorie.

Natürlich stand gerade in vielen kleineren Gemeinden bei der Erneuerung des Haushaltsrechts auf Basis der Doppik zunächst die Umstellung des Rechnungsstils im Vordergrund. In einem zweiten Schritt sollten fortan nun aber allerorts die neuen Ressourcenverbrauchsdaten auch zur Verbesserung der Steuerung genutzt und mit Output- und Wirkungsdaten vernetzt werden. Das Feld der Kultur bietet sich an dieser Stelle an, um Erfahrungen zu sammeln.

Hinweis der Redaktion: Der Autor ist Referent beim Landesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in Hessen. Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

 

Dr. Marc Gnädinger

Referatsleiter des Grundsatzreferates der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften (ÜPKK) beim Präsidenten des Hessischen Rechnungshofs
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