Politik für kommende Generationen
Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2015 für die Stadt Kempten (Allgäu)
Politik für kommende Generationen
Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2015 für die Stadt Kempten (Allgäu)
Der Blick auf kommende Generationen spielt in der Kommunalpolitik eine sehr wichtige Rolle. Eine Stadt entwickelt sich vor allem dann positiv weiter, wenn die Bürgerinnen und Bürger sagen: „Hier fühle ich mich wohl, hier lebe ich gerne.” Und sie darin vertrauen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Dafür ist eine nachhaltige Ausrichtung der Politik notwendig – unter anderem mit Projekten für den sozialen Zusammenhalt, einer ausgeprägten Bürgerbeteiligung, dem Abbau von städtischen Schulden und dem Einsatz für den Klimaschutz. Kempten (Allgäu) setzt diese Ziele konsequent in die Praxis um und erhielt dafür den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2015 in der Kategorie „Städte mit mittlerer Größe”. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis wurde am 27. 11. 2015 in Düsseldorf zum achten Mal vergeben und hat sich zu einem der renommiertesten Preise seiner Art in Europa entwickelt. Königin Silvia von Schweden und der UN-Flüchtlingskommissar António Guterres zählten dabei zu den Ehrenpreisträgern.
Diese internationale Ausrichtung bei den Ehrenpreisträgern zeigt auch, wie wichtig es in einer globalisierten Welt ist, dass möglichst viele Akteure an einem Strang ziehen. So wurde zum Beispiel bei der Weltklimakonferenz Ende 2015 in Paris eine historische Einigung erzielt. Die Umsetzung solcher Pläne erfolgt aber oft vor Ort in den Kommunen.
Leitlinien
Festgehalten sind die langfristigen Leitlinien der Stadt Kempten in den strategischen Zielen 2030. Sie wurden aus den 2009 erstmals vom Stadtrat festgesetzten Zielen im vergangenen Jahr neu gewichtet und einstimmig beschlossen. Die aktuellen Ziele lauten: Wirtschaftsstandort stärken, Stärkung der Finanzkraft, Zusammenleben aktiv gestalten, Kultur und Tourismus fördern sowie Klima, Umwelt, Mobilität – nachhaltig planen und handeln. Mit ihnen sollen vorhandene Stärken weiter ausgebaut werden. Es gilt mit Blick auf kommende Generationen in allen Bereichen vorausschauend zu planen und zu handeln. Nachfolgend ausgewählte Bereiche im Einzelnen:
Schuldenabbau
Um den notwendigen finanziellen Spielraum zur Erreichung ihrer spezifischen Ziele zu erhalten, arbeitet die Stadt konsequent am Abbau ihrer Schulden. 2002 betrugen diese noch 41,4 Millionen Euro, Ende 2015 waren es noch 8,2 Millionen Euro und bis zum Jahr 2020 soll die Stadt Kempten schuldenfrei sein. Diese Entwicklung wurde von der Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in ihrer Begründung gewürdigt.
Unabhängig von langfristigen finanziellen Zielen muss eine Kommune kurzfristig reagieren können. Aktuelles Beispiel ist die Integration der Flüchtlinge. Sie wird eine der größten und schwierigsten Aufgaben der kommenden Jahre sein. Kempten hat auf diese Entwicklung zum Jahreswechsel unter anderem mit der Schaffung eines neuen Amtes für Integration reagiert.
Klimaschutz und Energie
Mit dem Motto „Die Stadt Kempten ist Vorzeigestadt im Klimaschutz” wurde die langfristige Leitlinie festgelegt, ein Klimaschutzkonzept benennt die konkreten Maßnahmen. So folgt Kempten in der kommunalen Beschaffung strengen Richtlinien für Energie- und Klimaschutz und ist seit 2015 Fairtrade-Stadt.
Der kommunale Fuhrpark wird dort, wo es technisch sinnvoll ist, sukzessive auf Elektrofahrzeuge umgestellt und neu zu errichtende städtische Gebäude sind im Passivhaus-Standard zu bauen. Dadurch – und durch weitere, umfassende Maßnahmen – ist es gelungen, den kommunalen CO2-Ausstoß in den Jahren zwischen 2000 und 2016 um 80 Prozent zu senken. Die Verringerung des Energieverbrauchs schont nicht nur die Umwelt, sie entlastet langfristig auch den kommunalen Haushalt. Ein Beispiel dafür ist die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende Leuchtmittel. Auf diese Weise wird Strom entsprechend dem jährlichen Durchschnittsbedarf von über 2.500 Haushalten eingespart. Das entspricht Ausgaben in diesem Zeitraum in Höhe von rund 240.000 Euro. Insgesamt gibt Kempten durch den Einsatz eines eigenen Energiemanagements alljährlich rund eine Million Euro weniger für Strom und andere Energieträger aus als noch im Jahr 2000. Dieses Beispiel zeigt: Nachhaltige Politik zahlt sich aus.
Soziales
Auch wenn die Diskussion über die Flüchtlingssituation derzeit Vieles zu überlagern scheint, ist es wichtig, die sozialen Bereiche ganzheitlich zu betrachten. So wird beispielsweise seit mehreren Jahren die schulische Inklusion weiterentwickelt. Es gibt in Kempten eine große Anzahl von guten Modellen, die in Abstimmung mit verschiedenen Partnern entstanden sind. Für diesen Einsatz erhielt die Stadt 2015 vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst das Prädikat „Modellregion Inklusion”. Diese und weitere Maßnahmen sind unter dem strategischen Ziel „Zusammenleben aktiv gestalten” summiert.
Wirtschaft
Auch die konsequente Stärkung des Wirtschaftsstandortes wurde von der Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises gewürdigt. Neben einer intensiven Betreuung der Unternehmen sowie der gezielten Förderung von Gründern gehört dazu die Stärkung der Innenstadt mit einem eigenen Einzelhandelskonzept. Darin wurden die Einkaufsinnenstadt sowie zehn dezentral gelegene Nahversorgungszentren als städtebaulich schutzwürdige Bereiche und Investitionsvorranggebiete definiert. Einzelhandel mit zentrumsrelevanten Sortimenten ist dem Konzept folgend weiterhin ausschließlich in diesen Versorgungsbereichen anzusiedeln oder zu erweitern. Für entsprechende Randsortimente bei sogenannten „Mehrbranchenunternehmen” (zum Beispiel Möbel-, Bau- oder Gartenmärkte) gilt eine maximale Verkaufsfläche von 200 Quadratmeter je Einzelsortiment. Diese Maßnahmen stärken den Handel in der Innenstadt und damit Kemptens Position als die zentrale Einkaufsstadt des Allgäus.
Bürgerbeteiligung und Vernetzung
Der nachhaltige Erfolg der Stadt setzt sich aus zahlreichen Einzelmaßnahmen im Verbund mit einer guten Vernetzung verschiedenster Akteure aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Sehr wichtig ist die frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die politischen Entscheidungsprozesse, wie es in Kempten derzeit beispielsweise bei der Entwicklung des neuen Mobilitätskonzepts oder der Neugestaltung des Stadtparks der Fall ist. Hier lautet das Motto: Die Stadt kommt zu den Bürgerinnen und Bürgern, informiert sie und freut sich im Gegenzug auch über Ideen und Meinungen. Das kann zum Beispiel über die Einbindung in Planungswerkstätten ebenso passieren wie mithilfe von Bürgerversammlungen oder dem sogenannten „Markt der Meinungen”, bei dem die Besucher an einem Informationsstand in der Nähe des Wochenmarktes befragt werden. Diese intensive Form der Bürgerbeteiligung wurde von der Jury ebenfalls hervorgehoben.
Auszeichnung und Verpflichtung
Die passende Kombination verschiedener Akteure und Ideen ist kein statisches Ergebnis. Vielmehr muss sie aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und anderer Einflüsse immer wieder neu justiert und mit zusätzlichen Ideen, Geld und Energie weiterentwickelt werden. So ist der Deutsche Nachhaltigkeitspreis auf der einen Seite eine Auszeichnung für das bereits Erreichte. Andererseits ist er eine klare Aufforderung, sich nicht zurückzulehnen, sondern regelmäßig zu hinterfragen, was man wie noch besser machen kann.
Hier sieht sich die Stadt Kempten nicht nur ihrem Ruf als moderne Hochschul- und Kulturstadt verpflichtet, sondern auch ihrer langen Geschichte als älteste schriftlich genannte Stadt Deutschlands. Bereits der griechische Geograph Strabon (ca. 63 v. Chr. bis 23 n. Chr.) hat eine keltische „Polis” (also eine Stadt) Kambodounon in seinen Aufzeichnungen beschrieben.