20.11.2017

Neues WLAN-Gesetz

Das Ende der Störerhaftung – Anspruch auf Sperrung von Internetseiten

Neues WLAN-Gesetz

Das Ende der Störerhaftung – Anspruch auf Sperrung von Internetseiten

Ein freier Zugang zum Internet ist immer noch nicht gewährleistet. | © pab_map - Fotolia
Ein freier Zugang zum Internet ist immer noch nicht gewährleistet. | © pab_map - Fotolia

Kurz vor knapp einigte sich die Koalition Ende Juni 2017 auf ein WLAN-Gesetz (siehe hierzu auch den Beitrag von Professor Achim Albrecht in PUBLICUS 2017.9. Nun passierte das Gesetz auch den Bundesrat und wurde am 12. Oktober 2017 im Gesetzblatt veröffentlicht (BGBl. S. 3530). WLAN-Betreiber müssen künftig nicht mehr die Abmahnkosten tragen, wenn Dritte über ihren Anschluss illegales Filesharing betrieben haben. Neu geschaffen wird dagegen ein Anspruch geschädigter Rechteinhaber gegen WLAN-Anbieter auf Sperrung konkreter Internetseiten. Ein freier Zugang zum Internet ist damit leider immer noch nicht gewährleistet.

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Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern

Die Koalition um SPD und CDU haben sich nun mit einer lediglich kleinen Änderung auf den Entwurf eines »Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes« geeinigt. Bereits im April hatte man sich auf diesen Entwurf verständigt, doch danach gab es zwischenzeitlich Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern. Dank der Änderung wird die Störerhaftung damit faktisch abgeschafft.

Allerdings kam der Vorstoß reichlich spät – in den meisten anderen Ländern ist offenes WLAN in ganzen Städten schon seit Jahren üblich. Hierzulande hatten etwa Café-, Restaurant-, Hotel- oder Flughafenbetreiber damit gezögert, ihren Gästen Hotspots zur Verfügung zu stellen. Zu groß war – berechtigterweise – die Angst, für deren Rechtsverletzungen im Netz in Anspruch genommen zu werden.


Störerhaftung wird abgeschafft

Die wichtigste Änderung: Die in der Vergangenheit viel kritisierte Störerhaftung auf Unterlassung wird mit den Änderungen im Telemediengesetz (TMG) abgeschafft.

Bislang konnten Internetzugangsanbieter wie Hotspot-Betreiber dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Nutzer über sie rechtswidrig Inhalte ins Internet stellten – wie etwa beim Filesharing. Nutzen Dritte ihren Anschluss für das illegale Hochladen urheberrechtlich geschützten Materials, müssen WLAN-Anbieter derzeit immer noch die im Zusammenhang mit einem Unterlassungsanspruch entstehenden Kosten – wie etwa die Abmahnkosten – tragen.

Die Änderungen führen dazu, dass künftig Inhaber eines offenen Internetanschlusses die Kosten für die Abmahnung bzw. Unterlassung nicht mehr als Störer zu ersetzen haben. Hauptgrund: Niemand – weder Café-Betreiber noch Hotels – soll künftig Angst davor haben, automatisch mit Schadenersatz und Unterlassungsansprüchen konfrontiert zu werden, sobald Gäste illegale Inhalte herunterladen und über den jeweiligen Anschluss anbieten. Die Kosten verbleiben daher beim Rechteinhaber, sofern es ihm nicht gelingt, den tatsächlichen Täter ausfindig zu machen und erfolgreich in Anspruch zu nehmen.

Die Änderungen betreffen jedoch nicht die vermutete Haftung des Anschlussinhabers als Täter. Der BGH geht davon aus, dass derjenige, der einen Anschluss vorhält, zunächst einmal als der Täter einer Rechtsverletzung angesehen wird, wenn er nicht darlegen kann, dass auch weitere Personen zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung Zugriff auf den Anschluss hatten. Diese Entkräftung könnte nun vor allem für Hotspot-Anbieter eines Cafés, Flughafens oder einer sonstigen öffentlichen Räumlichkeit sehr leicht werden: Sie müssen wohl nur noch angeben, dass sie ihr WLAN öffentlich angeboten haben, um sich sowohl der Täter- als auch der Störerhaftung zu entziehen.

Das neue Gesetz wird auch als Reaktion auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) von 2016 verstanden. Danach haften Anschlussinhaber zwar grundsätzlich nicht als Täter auf Schadenersatz, jedoch kann gegen diese als Störer der Unterlassungsanspruch mit den damit verbundenen Abmahn- und Gerichtskosten geltend gemacht werden (Urteil vom 15.09.2016, Az. C484/14 – McFadden ./.Sony).

Anspruch auf Sperrung einzelner Internetseiten – Ein Problem?

Um das geistige Eigentum weiterhin angemessen zu schützen, sollen Rechteinhaber von WLAN-Betreibern aber verlangen können, dass sie einzelne konkret benannte Internetseiten sperren, über die bereits ein Rechtsverstoß erfolgt ist. In § 7 Abs. 4 der TMG-Ergänzung ist eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für gerichtliche Anordnungen für Blockaden gegen einen Diensteanbieter niedergeschrieben.

Das bedeutet, dass z. B. Filesharing-Seiten gesperrt werden müssen, über die von dem WLAN-Netzwerk aus bereits urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wurde. Bei Seiten wie »The Pirate Bay«, die eine der bekanntesten Webseiten zum Tauschen von Filmen, Serien und Musik ist, dürfte auch niemand etwas dagegen haben. Die Sperrung solch einer Seite wäre folgerichtig.

Dass der Anspruch auf Sperrung dennoch problematisch sein kann, lässt sich aber anhand eines weiteren Beispiels leicht darstellen. Vor kurzem berichteten wir über ein Verfahren vor dem Landgericht Leipzig. Dort entschieden die Richter, dass Fernseh-Mitschnitte auf der Plattform YouTube nicht weiterverbreitet werden dürfen. Geklagt hatte die Produktionsfirma eines Dokumentarfilms, deren Film ohne ihre Zustimmung auf YouTube veröffentlicht wurde. Eine klare Urheberrechtsverletzung. Und prompt kann es unschön werden, denn Cafés, Hotels und Co könnten so verpflichtet werden, YouTube zu sperren, sollte ein Film, eine Dokumentation, eine Serie oder ein Musikstück über den Anschluss hochgeladen worden sein.

Und dies ist nur ein Beispiel, das für zahlreiche weitere Fälle steht. Dann bleiben dem Café- oder Hotel-Betreiber nur zwei Möglichkeiten: die Sperranordnung ignorieren und damit eine Klage riskieren oder die Seite sperren lassen. Sicherlich bleibt abzuwarten, wie sich dieses Sperr-Instrument in der Praxis auswirken wird. Die Befürchtung jedoch, dass sich zahlreiche Betreiber trotz des neuen WLAN-Gesetzes gegen einen freien WLAN-Zugang entscheiden werden, bleibt bestehen. Denn weiterhin existiert eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Bei einem Rechtsverstoß haben Rechteinhaber künftig also einen Anspruch auf Sperrung der betreffenden Seite. Vor- und außergerichtliche Kosten dürfen dem WLAN-Betreiber für die Sperrungen aber nicht in Rechnung gestellt werden – diese müssten die Rechteinhaber bezahlen.

Außerdem müssen für eine solche Sperrung gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Der Nutzer muss über die zu sperrende Seite urheberrechtlich geschützte Inhalte illegal verbreitet haben. Die Wiederholung der Rechtsverletzung soll durch die Sperrung verhindert werden. Dieser Anspruch besteht jedoch nur als ultima ratio, wenn der Rechteinhaber nur so die Verletzung seines Rechts abstellen kann und die Abrufsperre zumutbar und verhältnismäßig ist.

Nach Meinung des Ministeriums könnten Betreiber diese Sperrung in der Regel einfach und ohne technische Vorkenntnisse über die Einstellungen des WLAN-Routers durchführen. Dagegen wird allerdings vorgebracht, dass dies einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand bedeuten würde. Die Rechteinhaber hätten hingegen lieber einen Anspruch auf eine präventive Sperrung solcher Internetseiten gesehen.

Keine Passwörter oder sonstige Verschlüsselung nötig

Schließlich stellt der Gesetzentwurf weiterhin klar, dass die Behörden WLAN-Betreiber nicht mehr dazu verpflichten dürfen, Nutzer zu registrieren, zu verlangen, dass Nutzer ein Passwort eingeben oder das Anbieten des Diensts bei Rechtsverstößen Dritter einzustellen. Anders als in früheren Fassungen werden Betreiber also auch nicht mehr dazu gezwungen, ihr Netz zu verschlüsseln, eine Vorschalt-Seite oder eine Identitätsprüfung einzubauen. Damit ist der Weg frei für eine anonyme ortsunabhängige Internet-Nutzung. An dieser Stelle wurde der Entwurf im Vergleich zur im April 2017 erzielten Einigung jedoch noch einmal nachgebessert: Es wird klargestellt, dass WLAN-Betreiber weiterhin zumindest freiwillig eigene Sicherheitsmaßnahmen wie z. B. Passwörter verwenden dürfen.

Bis zum Abend des 27.Juni gab es weiterhin heftige Diskussionen zwischen den Fraktionsvorsitzenden. Dann jedoch die Einigung: Anbieter von WLAN-Hotspots sollen von der Haftung für mögliche Rechtsverstöße ihrer Mitnutzer auch dann verschont bleiben, wenn sie ihr WLAN-Netz ohne Passwortschutz einrichten. Eine Passwortpflicht, die vor allem Innenpolitiker der Union gewollt hatten, ist damit endgültig passé.

Der EuGH hatte im September 2016 hingegen entschieden, dass einem WLAN-Anbieter durch eine Anordnung aufgegeben werden könne, sein Netz etwa durch ein Passwort zu sichern, um Rechtsverletzungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen. Außerdem sollte man sich vorher die Identität des Nutzers nachweisen lassen und Usernamen vergeben, damit die Nutzer identifizierbar sind. Anbieter mussten danach etwa selbst Nutzeraccounts anlegen und Passwörter vergeben, bevor sie Nutzer in ihr WLAN lassen.

Gesetz von 2016 wurde nachgebessert

Das TMG war erst im Juni 2016 reformiert worden. Damals war die Störerhaftung geblieben, lediglich die Schadenersatzpflicht der WLAN-Anbieter war weggefallen. Das Urteil des EuGHs im darauffolgenden September hatte allerdings wieder eine gewisse rechtliche Unsicherheit gebracht. Insbesondere die darin entschiedene Möglichkeit, dass WLAN-Betreiber zu Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet werden können, sollte abgeschafft werden.

 

Christian Solmecke

LL.M, Rechtsanwalt und Partner, Medienkanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, Köln
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