27.11.2017

Öffentliches Auftragswesen

Echte und unechte Rahmenvereinbarungen: eine Klarstellung für die Praxis

Öffentliches Auftragswesen

Echte und unechte Rahmenvereinbarungen: eine Klarstellung für die Praxis

Echte Rahmenvereinbarungen im Sinne des Vergaberechts müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. | © Coloures-Pic - stock.adobe.com
Echte Rahmenvereinbarungen im Sinne des Vergaberechts müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. | © Coloures-Pic - stock.adobe.com

Seit Jahrzehnten schließt das Staatsministerium der Finanzen in Bayern sogenannte »Rahmenvereinbarungen« oder »Rahmenverträge« für Beschaffungen der öffentlichen Hand ab. In der Praxis wurden diese »Vereinbarungen« oder »Verträge« vielfach als das Ergebnis eines wettbewerblichen Verfahrens angesehen, ohne dass tatsächlich ein solches Verfahren dem Abschluss dieser Vereinbarungen vorausgegangen wäre. Vielfach haben die öffentlichen Auftraggeber deshalb auch davon abgesehen, Lieferungen/ Leistungen, die in solchen »Rahmenverträgen« enthalten waren, nach den verbindlichen Regelungen des Vergaberechts (z. B. § 3 ff VOL/A) in einem geordneten Verfahren dem Wettbewerb zu unterstellen.

Definition »echter« Rahmenvereinbarungen

Rahmenvereinbarungen im Sinne des Vergaberechts

  • sind öffentliche Aufträge i. S. der § 103 Abs. 2 bis 4 GWB zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggeber (n)/ Sektorenauftraggeber(n) nach §§ 98, 99, 100 GWB und einem oder mehreren Unternehmen (Wirtschaftsteilnehmer) mit dem Ziel, die Bedingungen für eine Mehrzahl von Einzelaufträgen, die während eines bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, insbesondere den in Aussicht genommenen Preis, festzulegen (§ 103 Abs. 5 Satz 1 GWB, § 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A [künftig: § 15 UVgO], § 21 VgV);
  • bieten sich in der Praxis zur Vereinfachung der Vergabeverfahren an, wenn z. B. zu einem noch nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt kurzfristig eine Lieferung / Leistung ansteht, nähere Angaben zu den Einzelaufträgen aber noch offen sind;
  • beinhalten noch nicht den eigentlichen Austauschvertrag (Leistungsabruf, Stufe 2, § 4 Abs. 2 VOL/A, § 21 Abs. 2 bis 54 VgV), sondern regeln nur Bedingungen für Einzelverträge, die zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden (Grundvereinbarung, Stufe 1; siehe hierzu KG NZBau 2001, 161, 162; VK Bund, Beschluss vom 20.05.2003, Az. VK 1- 35/03, 2. VK Brandenburg, Beschluss vom 09.04.2001 – Az.: 2 VK 18/01);
  • sind nur darauf angelegt, das »in Aussicht genommene« Auftragsvolumen so genau wie möglich festzulegen, und geben dem Auftragnehmer in der Regel (noch) keinen Anspruch auf den einzelnen Auftrag;
  • stellen selbst keinen Beschaffungsprozess dar;
  • kommen nur in Frage, wenn außer dem »in Aussicht genommenen Preis« lediglich ein Teil der in Aussicht genommenen Bedingungen (wie Umfang, Ort der Gesamt- oder Teilleistung) bekannt ist;
  • unterliegen wie jeder öffentliche Auftrag wettbewerblichen Verfahrensregeln;
  • haben zur Folge, dass die auf ihrer Grundlage erteilten Einzelaufträge einem vereinfachten Vergabeverfahren unterliegen können.

 

Zulässigkeit: Mindestinhalt einer Rahmenvereinbarung

Rahmenvereinbarungen dürfen von den öffentlichen Auftraggebern für dieselbe Leistung nicht in mehreren, ggf. unterschiedlich ausgestalteten Rahmenvereinbarungen dem Wettbewerb unterstellt werden (Bindungswirkung, § 4 Abs. 1 Satz 3 VOL/A) und nicht missbräuchlich oder in einer Art angewandt werden, den Wettbewerb zu behindern, einzuschränken oder zu verfälschen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 VgV).


Wirksame Rahmenvereinbarungen müssen mindestens

  • den in Aussicht genommenen Preis (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A, § 21 VgV, § 103 Abs. 5 Satz 1 GWB), unter Offenlegung der Berechnungsgrundlagen, z. B. nach Menge der Leistung/ Stundenansatz, ggf. mit Preisgleitklausel (VK Bund, Beschluss vom 20.05.2003, Az. VK 1 – 35/03);
  • das in Aussicht genommene Auftragsvolumen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VOLA, § 21 Abs. 1 Satz 1 VgV), ggf. Schätzung nach Erfahrungswerten;
  • die Festlegung eines bestimmten Zeitraums (Laufzeit), innerhalb dessen die Einzelaufträge nach § 4 Abs. 2 VOL/A, 21 Abs. 6 VgV vergeben werden sollen

enthalten (Muster einer Rahmenvereinbarung: Preiss/Hausmann/Kurarzt/Bearbeiter, Beck’sches Formularhandbuch Vergaberecht B. II. 4).

 

Wettbewerbliche Verfahren

Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung gelten die gleichen vergaberechtlichen Vorschriften wie für die Erteilung anderer öffentlicher Aufträge (§ 103 Abs. 5 Satz 2 GWB, § 21 Abs. 1 Satz 1 VgV). D. h., dem Abschluss solcher Vereinbarungen muss ein transparentes Vergabeverfahren (§ 2 Abs. 1 VOL/A, § 97 Abs. 1 GWB) nach § 3 VOL/A bzw. §§ 14 bis 17 VgV – in der Regel eine Öffentliche Ausschreibung/ ein offenes/ Verfahren/ ein nicht offenes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb – vorausgehen, sofern nicht die in § 3 Abs. 3 bis 5 VOL/A bzw. §§ 16, 17 VgV aufgeführten Ausnahmetatbestände eine Beschränkte Ausschreibung / eine Freihändige Vergabe bzw. ein nicht offenes Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb / ein Verhandlungsverfahren zulassen (§ 3 VOL/A [künftig: §§ 8 ff UVgO], §§ 16, 17 VgV; zur Schätzung des Auftragswertes vgl. § 3 Abs. 4 VgV).

 

Geschlossenes System

Rahmenvereinbarungen sind ein »geschlossenes System«, zu dem niemand nachträglich Zutritt erhält, »weder auf Seiten der Käufer noch auf Seiten der Lieferanten« (Kommission in »Erläuterungen – Rahmenvereinbarungen – klassische Richtlinie« (Dokument CC/2005/03_ rev1 vom 14.07.2005), Ziff. 2.1; Machwirth, VergabeR 2007, 385, 388). Sollen nach den Vorgaben im Wettbewerb mehrere öffentliche Auftraggeber mit einer Rahmenvereinbarung Aufträge vergeben, müssen diese von Anbeginn entweder in der Bekanntmachung oder mittels eines Verweises auf die Vergabeunterlagen oder eines bei einem der Auftraggeber einzusehenden Verzeichnisses identifiziert werden. Die Erteilung von Einzelaufträgen ist also nur zwischen den Auftraggebern, die ihren voraussichtlichen Bedarf für das Vergabeverfahren gemeldet haben, und den Unternehmen, mit denen Rahmenvereinbarungen abgeschlossen wurden, zulässig (§ 4 Abs. 2 VOL/A, § 21 Abs. 2 Satz 2 VgV). Eine spätere Erweiterung des Kreises der Auftraggeber oder Auftragnehmer ist unzulässig (Kommission in »Erläuterungen – Rahmenvereinbarungen – klassische Richtlinie« vom 14.07.2005, Ziff. 2.1.).

 

Vereinbarungen mit Nachlasskonditionen: keine Rahmenvereinbarungen

All die aufgezeigten Anforderungen werden von vielen »Rahmenvereinbarungen« des Bayerischen Finanzministeriums nicht erfüllt. Diesen »Vereinbarungen« kommt daher keinerlei vergaberechtliche Bedeutung zu. Künftig werden solche Regelungen auch nicht mehr als »Rahmenvereinbarungen«, sondern als »Vereinbarungen mit Nachlasskonditionen« bezeichnet. Auch diesen Vereinbarungen kommt keine vergaberechtliche Relevanz zu. Den Vergabestellen wird daher lediglich anheimgestellt, Unternehmen, mit denen entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden, in eine Angebotsaufforderung einzubeziehen (FMS vom 07.10.2016, Nr. 57-H 4222 – 1/1). Unberührt davon bleibt die Möglichkeit, diese Rabattangebote bei sogenannten Direktkäufen bis (einmalig) 1 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) pro Jahr je Beschaffungsart (§ 3 Abs. 10 VgV/§ 3 Abs. 6 VOL/A bzw. künftig § 14 UVgO) in die wirtschaftliche Betrachtung einzubeziehen. Zur Wertgrenze vgl. Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 06.12.2016 (AllMBl. S. 2181) für den staatlichen Bereich bzw. IMBek vom 07.12.2016 (AllMBl S. 2190) für die Kommunen in Bayern.

 

Hans Schaller

Gelernter Kommunalbeamter, u. a. Leiter der Abteilung Wirtschaftsförderung, Industrieansiedlung und Recht einer Kommunalverwaltung, viele Jahre Prüfer im kommunalen und staatlichen Bereich, u. a. für Vergaben und Zuwendungen Lehrbeauftragter an den Hochschulen Hof und Osnabrück.
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