01.01.2016

Neuer Ankunftsnachweis für Flüchtlinge

Skepsis angebracht: Das neue Gesetz löst die wirklichen Probleme nicht

Neuer Ankunftsnachweis für Flüchtlinge

Skepsis angebracht: Das neue Gesetz löst die wirklichen Probleme nicht

Zur besseren Identifizierung der Asylsuchenden erhalten diese künftig den sog. Ankunftsnachweis.|© cevahir87 - Fotolia
Zur besseren Identifizierung der Asylsuchenden erhalten diese künftig den sog. Ankunftsnachweis.|© cevahir87 - Fotolia

Die Bundesregierung hat am 9. Dez. 2015 den vom Bundesminister des Innern vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der   Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustausch­verbesserungs­gesetz)” beschlossen. Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, Asyl- und Schutzsuchende sowie Personen, die unerlaubt nach Deutschland einreisen oder sich unerlaubt aufhalten, früher als bisher zu registrieren sowie die in diesem Zusammenhang erfassten Informationen den berechtigten öffentlichen Stellen im Rahmen der erforderlichen Aufgabenerfüllung zur Verfügung zu stellen.

Ankunftsnachweis mit fälschungssicheren Elementen

Zur besseren Identifizierung der Asylsuchenden erhalten diese künftig eine mit fälschungssicheren Elementen ausgestaltete Bescheinigung. Dieser sog. Ankunftsnachweis ist auch die Voraussetzung für den Bezug von Leistungen. Bisher wurde zunächst von der Grenzpolizei an der Grenze eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA) ausgestellt. Mit der Meldung bei der Aufnahmeeinrichtung und der Beantragung von Asyl bei der dortigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde der Ausländer in das Ausländerzentralregister (AZR) eingetragen (mitunter schon vorher von der Bundespolizei). Damit war feststellbar, wann und wo er sich gemeldet hat. Die Eintragung im AZR konnte der Ausländer auch nicht beeinflussen (löschen/fälschen).

Es stellt zwar einen Vorteil dar, dass der Ankunftsnachweis nunmehr fälschungssichere Elemente enthält – dies war jedoch bisher in der ausländerrechtlichen Praxis ein bestenfalls untergeordnetes Problem. Es gibt aber immer noch keine europaweite Datei, in der festgehalten wird, wo der Drittstaatsangehörige Sozialleistungen bezieht. Deshalb kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass Ausländer in mehreren Ländern gleichzeitig Sozialleistungen erhalten oder in einem Land arbeiten und gleichzeitig in einem zweiten EU-Staat Sozialleistungen erhalten. Dies stellt einen Missbrauch von Sozialleistungen dar, der weiterhin möglich ist.


Rechtliche Probleme mit dem neuen Gesetz nicht gelöst

Laut Mitteilung des Bundesministeriums des Inneren sollen „alle zur Registrierung vom Migranten befugten Stellen mit einem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem (sog. Fast-ID) ausgerüstet werden, um Doppelregistrierungen zu verhindern. Über eine Sofortabfrage können diese Stellen unverzüglich feststellen, ob zu einer Person bereits Daten vorhanden sind”. Diese Technik steht bereits jetzt zur Verfügung und auch die Nutzung ist den Behörden bereits erlaubt. Das neue Gesetz räumt hier also der Bundespolizei keine neuen Befugnisse ein. Was aber passiert, wenn ein Migrant die Abgabe von Fingerabdrücken verweigert? Die Folge ist derzeit zumindest nicht, dass er damit vom Asylverfahren ausgeschlossen und folglich unmittelbar zurückgewiesen oder zurückgeschoben wird. Trotz der Verweigerung wird der Migrant im Regelfall in das deutsche Asylverfahren aufgenommen. Mitunter kommen Asylantragsteller nicht aus Syrien, sondern aus Staaten oder zumindest Regionen, in denen es Krieg und politische Verfolgung nicht gibt (sog. „sichere Drittstaaten” i. S. von Art. 16a Abs. 2 GG sowie Anlage I zur AufenthV). Nach § 26a AsylG dürfen diese Personen im Bundesgebiet nicht als Asylberechtigte anerkannt werden. Dennoch erfolgt auch hier an der Landgrenze im Regelfall keine unmittelbare Zurückweisung oder Zurückschiebung. Die überwiegende Mehrheit der Migranten kommt über die Landgrenze in das Bundesgebiet.

Teilweise haben die Migranten bereits in einem anderen EU- oder Schengenstaat Asyl beantragt. Nach dem Dublin-Recht müsste dann das Asylgesuch in diesem (anderen) EU- oder Schengenstaat bearbeitet und der Ausländer dort auch untergebracht und versorgt werden. Es bedarf auch keines zweiten Asylverfahrens im Bundesgebiet; denn der Flüchtling ist bereits in einem europäischen Land sicher. Abweichend von diesen europäisch verbindlich geregelten Bestimmungen reisen diese Flüchtlinge – teilweise sogar mit Unterstützung der anderen EU-Staaten – weiter in das Bundesgebiet. Das widerspricht eindeutig dem (europäischen) Dublin-Recht. Dennoch nimmt die Bundesrepublik Deutschland auch diese Migranten anstandslos in das Asylverfahren im Bundesgebiet auf. Das neue Gesetz schafft selbst bei diesen offensichtlichen Missbrauchsfällen keine Besserung. Es ist nicht mal so, dass die bestehenden europäischen Bestimmungen eingehalten werden. Die derzeitige Praxis lädt geradezu zum Missbrauch des Asylrechts im Bundesgebiet ein.

Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse in Köln bleibt festzustellen, dass die Begehung von Straftaten, wie Taschendiebstahl oder sexuelle Belästigung, nicht automatisch zum Ausschluss der Asylverfahrens und folglich nicht zur unmittelbaren Abschiebung führt. Einen verbesserten Schutz der Bevölkerung vor kriminellen Migranten, die sich bereits im Bundesgebiet befinden, sieht das neue Gesetz nicht vor.

Zusätzliche Speicherung von Daten

Für Asyl- und Schutzsuchende sowie unerlaubt eingereiste und unerlaubt sich aufhaltende Personen werden künftig zu den bereits heute schon im Ausländerzentralregister zu speichernden Grundpersonalien zusätzliche weitere Daten gespeichert. Neu hinzu kommen etwa die im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung erhobenen Fingerabdruckdaten, der Staat, aus dem die Einreise erfolgt ist, Angaben zu begleitenden minderjährigen Kindern und Jugendlichen sowie Informationen zu durchgeführten Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen. Bei Asyl- und Schutzsuchenden sollen zudem Informationen zu Schulbildung, Berufsausbildung sowie sonstige Qualifikationen gespeichert werden, die für die schnelle Integration und Arbeitsvermittlung erforderlich sind.

Deutschkenntnisse unbedingte Voraussetzung zur Integration

Es bleibt weiterhin ein Problem, dass die meisten Berufe nicht nur oberflächliche Kenntnisse der deutschen Sprache erfordern, die bei mehr als 95 % der Migranten nicht vorhanden sind. Das Erlernen einer ganz neuen Sprache über oberflächliche Standardsätze hinaus dürfte nicht unter einem Jahr zu schaffen sein. Die bisherige ausländerrechtliche Praxis hat gezeigt, dass nicht alle Migranten das mühsame Erlernen der deutschen Sprache mit Nachdruck betreiben. Integration kann nur funktionieren, wenn diese nicht nur ermöglicht, sondern auch gewollt ist und konsequent angenommen wird. Hier dürfte bisher das tatsächliche Problem der Integration von Migranten im Bundesgebiet gelegen haben. Einen Lösungsansatz dazu enthält auch das neue Datenaustauschverbesserungsgesetz nicht.

Zentrales „Kerndatensystem”

Die Daten werden künftig früher – das heißt nach Möglichkeit bereits bei dem ersten Kontakt – erhoben und zentral in einem „Kerndatensystem” gespeichert. Es ist noch nicht ersichtlich, was genau mit Kerndatensystem gemeint ist, ob also diese Datei im AZR implementiert wird oder parallel läuft. Falls neben dem AZR, das bereits seit vielen Jahren erfolgreich betrieben wird, eine ganz neue Software entwickelt werden sollte (wohl eher nicht), stellt sich die Frage, warum nun ein zweites System installiert wird. Die Verteilung der Personaldaten von Ausländern von bisher einer Datei auf nunmehr zwei Dateien birgt die grundsätzliche Gefahr in sich, dass mehr Probleme als Lösungen entstehen, zumindest den Behörden zusätzlicher Arbeitsaufwand entsteht. Das wäre kontraproduktiv. Zudem bringt neue Software oft Anwendungsprobleme mit sich.

Der Kreis der Behörden, die Daten aus dem zentralen Kerndatensystem erhalten, soll erweitert werden. Allen öffentlichen Stellen, die Daten aus dem Kerndatensystem für ihre Aufgabenerfüllung benötigen, werden die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt. Dies betrifft neben den Sicherheitsbehörden insbesondere das BAMF, die Aufnahmeeinrichtungen, die Ausländerbehörden, die Asylbewerberleistungsbehörden, die Bundesagentur für Arbeit, die für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stellen sowie die Meldebehörden. Diese Behörden sollen nicht nur zum Datenabruf aus dem Register berechtigt sein, sondern zusätzlich auch Befugnisse zur Übermittlung bzw. Aktualisierung von Daten erhalten (z. B. Informationen zur Teilnahme an einem Integrationskurs sowie zur Änderung der Anschrift).

Sicherheitsabgleich nach Datenspeicherung

Mit der Schaffung eines an das Konsultations-Verfahren zentraler Behörden (KZB-Verfahren) angelehnten Sicherheitsabgleichs sollen die Sicherheitsbehörden frühzeitig überprüfen können, ob zu einer Person insbesondere terrorismusrelevante Erkenntnisse oder sonstige schwerwiegende Sicherheitsbedenken bestehen. Dieser Sicherheitsabgleich soll unverzüglich nach Speicherung der Daten im Kerndatensystem erfolgen. Hier liegt das Problem, dass zu Terroristen (z. B. IS-Kämpfern) meist keine Daten bekannt sind. Sofern zu einem Ausländer keine terrorismusrelevanten Erkenntnisse bekannt sind, kann ein Datenabgleich kaum zu einem gewinnbringenden Ergebnis führen. Es stellt sich also eher die Frage, wie neue Erkenntnisse hinzugewonnen werden können.

Gesetzentwurf mit Evaluierungsklausel

Die Wirksamkeit der mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz beschlossenen Maßnahmen soll nach einer Anlaufzeit unter Einbeziehung externen wissenschaftlichen Sachverstands überprüft werden. Der Gesetzentwurf enthält zu diesem Zweck eine Evaluierungsklausel. Wenn ein Gesetz von den Institutionen evaluiert wird, die das Gesetz beschlossen haben, ist das Ergebnis dieser Evaluierung absehbar. Wer bescheinigt sich schon selbst, Fehler gemacht zu haben.

Bundesinnenminister de Maizière erklärt zu dem neuen Gesetz: „Der Gesetzentwurf ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die ankommenden Personen schnell und identitätssichernd zu registrieren. Wir müssen wissen, welche Flüchtlinge nach Deutschland kommen und wir wollen entscheiden, wo ihr Asylverfahren durchgeführt wird. Die Daten werden dann unmittelbar auf elektronischem Wege den berechtigten öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt. Damit werden wir schneller bei der Erfassung. Beides wird also dazu beitragen, die Asylverfahren zu beschleunigen und das Flüchtlingsaufkommen besser zu steuern.”

Das neue Gesetz löst die wirklichen Probleme nicht

Ob sich das zentrale Kerndatensystem bewährt, muss sich erst in der Praxis beweisen. Ansonsten stellt das neue Gesetz sicher keinen Nachteil dar, löst aber auch nicht die wirklichen Probleme. Ein wesentliches Problem besteht darin, dass das Personal des BAMF und auch die technische Ausstattung bei Weitem nicht in der Lage sind, die unerwartet hohe Zahl von Asylbewerbern zu bearbeiten. Eine wesentliche Leistungssteigerung können die bisherigen Mitarbeiter des BAMF nicht mehr leisten. Neues Personal auszubilden, das rechtssicher entscheidet und formfehlerfreie Bescheide erstellt, dürfte mindestens zwei Jahre dauern. Auch das Problem, endlich den Missbrauch des Asylrechts einzudämmen, um sich besser um die tatsächlich Verfolgten kümmern zu können, packt dieses Gesetz nicht annähernd an. Schnelle rechtlich einwandfreie Zurückweisungen direkt an der Grenze würden einen erfolgversprechenden Lösungsansatz darstellen. Die Rechtslage ist aber bei näherem Hinsehen schwierig. Zudem ist die politische Richtung im Bundesgebiet derzeit nicht deckungsgleich mit dem Europarecht. Die Bundespolizei kann deshalb derzeit nur vermuten, was rechtlich richtig und gleichzeitig politisch gewollt ist. Zudem sind auch bei der Bundespolizei Personal und Ausstattung begrenzt.

Hinweis der Redaktion: Der Autor ist Verfasser des im Richard Boorberg Verlag erschienenen Werks „Grenzpolizeiliches Ausländerrecht für Polizei, Zoll und Justiz“. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

 
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