13.01.2016

Liegenschaftspolitik ist Chefsache!

Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen entwickelt Empfehlungen

Liegenschaftspolitik ist Chefsache!

Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen entwickelt Empfehlungen

Ohne zusätzliches Bauland gibt es kein bezahlbares Wohnen.|© Kara - Fotolia
Ohne zusätzliches Bauland gibt es kein bezahlbares Wohnen.|© Kara - Fotolia

Eine entscheidende Voraussetzung für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist die Verfügbarkeit von Bauland zu vertretbaren Preisen. Die zuletzt stark steigenden Baulandpreise in den städtischen Wachstumsräumen sind ein wesentlicher Kostenfaktor für den Wohnungsneubau. Was aber können Kommunen, Bund und Länder dazu beitragen, um preiswertes Bauland zu schaffen?

Dazu hat der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik” betreut und zentrale Empfehlungen entwickelt. Eine Zusammenfassung der Empfehlungen sowie das ausführliche Empfehlungs- und Ergebnispapier ist auf der Internetseite des Deutschen Verbandes zu finden unter: www.deutscher-verband.org/publikationen/dokumentationen. Die Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik” ist ein zentraler Bestandteil des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

Über ein Jahr lang befassten sich Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, von Stadt- und Grundstückentwicklungsgesellschaften, Planer und Architekten sowie weitere Baurechtsexperten mit erfolgversprechenden Wegen, um mehr preisgünstiges Bauland für den bezahlbaren Wohnungsneubau bereit zu stellen. Das Bündnis hat zum Spitzengespräch mit Bundesbauministerin Hendricks am 27. November 2015 seinen Abschlussbericht mit allen Ergebnissen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen vorgelegt.


Ohne zusätzliches Bauland kein bezahlbares Wohnen

Die Grundstückspreise bestimmen zu einem erheblichen Anteil die Baukosten. In den städtischen Wachstumsräumen mit angespannten Wohnungsmärkten sind die stark gestiegenen Baulandpreise ein wesentlicher Faktor für die steigenden Baukosten. Dort sind nach einer Auswertung des BBSR von 2011 bis 2014 die Grundstückspreise für Geschosswohnungsbau um 16 Prozent gestiegen, in den wachsenden Großstädten mit über 500.000 Einwohnern sogar um 31 Prozent. Im Jahr 2014 kostete der Quadratmeter in Großstädten über 500.000 Einwohnern im Durchschnitt 550 Euro. Vielfach besteht darüber hinaus in den Wachstumsregionen ein grundsätzlicher Mangel an Bauland. Nicht selten scheitern konkrete Bauvorhaben, für die Investoren und Kapital bereitstehen, an nicht verfügbaren Flächen oder Baurechten.

Ausreichend verfügbares Wohnbauland zu vertretbaren Preisen ist deshalb eine entscheidende Stellschraube für mehr bezahlbaren Wohnungsneubau zur Miete und im Eigentum. Hier ist in erster Linie eine strategische und aktivierende Liegenschaftspolitik der Kommunen mit preisdämpfender Wirkung gefragt. Doch auch Bund und Länder müssen unterstützend tätig werden, um für bessere Rahmenbedingungen bei der Schaffung und Mobilisierung von mehr Bauland zu sorgen.

Kommunales Engagement in der Baulandbereitstellung stärken

Liegenschaftspolitik ist Chefsache! Noch mehr Kommunen müssen mehr Bauland in eigener Verantwortung entwickeln, um Baulandpotenziale zu schaffen und zu aktivieren. Liegenschaftspolitik muss ferner gezielt mit der kommunalen Wohnungspolitik verknüpft werden. Rein fiskalische Ziele dürfen dabei nicht einseitig die sozialen, städtebaulichen und wohnungspolitischen Zielsetzungen dominieren.

Eine Reihe von Städten zeigt bereits heute wie es geht: Sie erstellen und beschließen integrierte Baulandstrategien, die das vorhandene Instrumentarium des Baugesetzbuches gebündelt und angepasst an die lokale Situation einsetzen. Sie nutzen damit gezielt die Chance, Grundstückspreise und die Wohnungsangebote zu gestalten.

Die entscheidende Grundlage bilden eine strategische Bodenvorratspolitik sowie kommunaler Zwischenerwerb, um immer wieder neue Flächen an den Markt bringen zu können. Dazu gilt es, konsequent gute Gelegenheiten zum Erwerb von entwicklungsfähigen Grundstücken zu nutzen. Um den in der aktuellen Situation benötigten Mengeneffekt bei der Baulandschaffung zu erreichen, sollte insbesondere das bewährte Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme konsequent genutzt werden. Die städtebauliche Entwicklung größerer urbaner Neubauquartiere entfaltet erfahrungsgemäß eine preisdämpfende Wirkung auf dem Wohnungsmarkt.

Kommunale Grundstücke für bezahlbaren Wohnraum

Kommunale Grundstücke müssen zudem in größerer Menge und preisreduziert für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Dafür sind die Spielräume der Haushalts- und Gemeindeordnungen konsequent auszunutzen.

Einige Städte wenden dazu bereits heute erfolgreich Konzeptvergaben, Vergaben mit Auflagen oder andere Formen der Preisdifferenzierung beim Verkauf von Liegenschaften an, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Ähnliche Effekte haben kooperative Baulandmodelle bei nicht-städtischen Grundstücken. Städtebauliche Verträge regeln die Finanzierung von Entwicklungs- und Infrastrukturkosten, setzen Quoten für den geförderten oder preisgedämpften Wohnungsbau und vereinbaren weitere soziale, städtebauliche und ökologische Anforderungen. Dabei müssen die kostenwirksamen Vorgaben wirtschaftlich vertretbar bleiben und mit der Zielsetzung des bezahlbaren Wohnens in Einklang stehen.

Bedarf an ausreichendem und qualifiziertem Fachpersonal

Damit mehr Bauland zur Verfügung gestellt werden kann und auch rasch bebaut wird, benötigen Verwaltungen schließlich ausreichendes und qualifiziertes Fachpersonal, um eine zügige Baurechtschaffung und Baugenehmigungen zu erreichen. Dazu müssen vor allem die Länder für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen sorgen, die Kommunen ihrerseits diese aber auch konsequent für die Stärkung der Planungs- und Genehmigungskapazitäten einsetzen.

Auch Bund und Länder stehen in der Pflicht und müssen ihre Liegenschaften für bezahlbaren Wohnungsbau vergünstigt an Kommunen oder direkt an die Bauwilligen abgeben.

Ebenfalls muss endlich dem preistreibenden Charakter der Grunderwerbsteuer Einhalt geboten werden. Die von den meisten Bundesländern auf bis zu 6,5 Prozent erhöhte Grunderwerbsteuer muss wieder auf maximal 3,5 Prozent reduziert werden. Eine bundeseinheitliche Regelung wird angeregt. Zudem sollte der Bund eine vorsteuerliche Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer ermöglichen, um die Verteuerung durch die Mehrfachbesteuerung bei kommunalem Zwischenerwerb, bei der Entwicklung von Bauland durch Entwicklungsträger und beim Wohnungsneubau durch Bauträger und Projektentwickler zu beheben.

Handlungsspielräume der Innenentwicklung konsequent nutzen und erweitern

Der Vorrang der Innenentwicklung im gesamten Stadtgebiet erfordert es, die vorhandenen Innenentwicklungspotenziale konsequent zu nutzen. Hier sind die Baulückenschließung, die Aktivierung von Brachflächen und die Nachverdichtung sowie die Umwidmung von nicht mehr benötigten Gewerbeimmobilien durch ein gezieltes kommunales Innenentwicklungsmanagement voranzutreiben.

Um die Flächenpotenziale der Innenentwicklung effektiv erschließen zu können, ist eine Weiterentwicklung der boden- und planungsrechtlichen Regelungen erforderlich. Um auch dispers verteilte kleinere Grundstücke im Innenbereich zu aktivieren und einer Entwicklung zuzuführen, ist es sinnvoll, den Anwendungsbereich städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen zu erweitern oder einen eigenen Maßnahmentyp der Innenentwicklung („Innenentwicklungsmaßnahmengebiet”) im Baugesetzbuch zu verankern, der die entwicklungsrechtlichen Optionen für Bauverpflichtungen und ein aktives Ankaufsrecht der entsprechenden Flächen umfasst.

Ein weitere Möglichkeit, baureife innerstädtische Grundstücke zu aktivieren und diese rasch zu bebauen oder für die Bebauung zu veräußern, besteht in der Einführung einer steuerlichen Option zur Mobilisierung bebaubarer, unbebauter Grundstücke im Grundsteuergesetz, die von den Kommunen genutzt werden kann (sog. zoniertes Satzungsrecht).

Um mehr Wohnungsneubau in der Stadt zu ermöglichen und die Innenentwicklungspotenziale tatsächlich bestmöglich nutzen zu können, müssen vor allem die derzeit durch den Lärmschutz eingeschränkten planerischen Gestaltungsspielräume in lärmvorbelasteten Gebieten erweitert werden. Unter Anerkennung der hohen Bedeutung des Lärmschutzes für Gesundheit und Lebensqualität in unseren Städten sollen den Kommunen zum einen mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, auch gegenüber gewerblichem Lärm passive Lärmschutzmaßnahmen anzuwenden, wie es beim Verkehrslärm möglich ist. Zum anderen sollten die Kommunen in bestimmten städtebaulichen Konstellationen die Zuordnung von Lärmschutzrichtwerten zu den einzelnen Baugebietskategorien nachvollziehbar und korrigierend abwägen können, wenn ansonsten eine vorgesehene Wohnbebauung nicht realisiert werden kann.

Weiterhin wird empfohlen die Baunutzungsverordnung anzupassen, um Wohnungsbauvorhaben mit einer flexiblen Nutzungsmischung und höheren Dichten zu ermöglichen. Dies kann z. B. mit der Einführung einer neuen Kategorie „Urbanes Wohngebiet” erfolgen.

Notwendige Außenentwicklung bedarfsgerecht und flexibel ermöglichen

In wachsenden Stadtregionen mit zu geringen Innenentwicklungspotenzialen ist darüber hinaus auch eine bedarfsgerechte Außenentwicklung notwendig, ohne die dort keine ausreichende und preisgünstige Wohnraumversorgung zu erreichen ist. Dazu sollte die Landes- und Regionalplanung – unter Anerkennung des deutschlandweit geltenden 30-Hektar-Ziels – ausreichende kommunale Reserven bei der Bemessung des Wohnbauflächenbedarfs und der Ausweisung von Wohnbauflächen einräumen. Ziel ist es, den Kommunen Planungsalternativen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Wohnbauflächenentwicklung auf die Flächen mit der besten Verfügbarkeit konzentrieren können.

 

Dr. Josef Meyer

Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V., Berlin info@deutscher
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