15.08.2014

Neue Perspektiven gesucht

Investitionsrückgang: EEG-Reform bremst Energiegenossenschaften

Neue Perspektiven gesucht

Investitionsrückgang: EEG-Reform bremst Energiegenossenschaften

EEG-Reform: Harter Belastungstest für junge Energiegenossenschaften. | © DOC RABE Media - Fotolia
EEG-Reform: Harter Belastungstest für junge Energiegenossenschaften. | © DOC RABE Media - Fotolia

Zum 1. August 2014 ist das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft getreten. Einige Tage zuvor hatte die EU-Kommission die beihilferechtliche Genehmigung für das EEG 2014 erteilt. Mit der Reform verbindet die Bundesregierung das Ziel, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien planvoll zu steuern und dabei vor allem die Kosten der Energiewende zu begrenzen. Dementsprechend stehen die Ausnahmeregeln von der EEG-Umlage auf dem Streichzettel. Zudem soll die Markt- und Systemintegration weiter voranschreiten und damit die Förderung durch Einspeisevergütung mehr und mehr der verpflichtenden Direktvermarktung weichen. Für die bessere Planbarkeit des Ausbaus werden zu den einzelnen erneuerbaren Energietechnologien spezifische Ausbaukorridore gesetzlich fixiert. Der Ausbau soll zudem schrittweise auf Ausschreibungsverfahren umgestellt werden.

Das EEG hat zu einem großflächigen Ausbau der erneuerbaren Energien geführt. Die Solar-, Bio- und Windenergietechnologie wurde gleichermaßen zur Marktreife entwickelt. Durch die festgelegte Einspeisevergütung über 20 Jahre, die Abnahmegarantie für den produzierten Strom und die vorrangige Einspeisung in das Stromnetz war es für Landwirte, Unternehmen oder Bürgervereinigungen vergleichsweise einfach, in erneuerbare Energien zu investieren. Für diese dezentralen Akteure sind verlässliche Rahmenbedingungen besonders wichtig. Hiervon haben auch die neuen Energiegenossenschaften profitiert.

Bedeutung der Energiegenossenschaften

Unter dem Dach des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) sind etwa 800 Energiegenossenschaften registriert. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden 450 genossenschaftliche Betreibergesellschaften gegründet. Genossenschaften ermöglichen Privatpersonen, Kommunen oder Unternehmen, sich auch mit überschaubaren finanziellen Beträgen an der Energiewende in ihrer Heimat zu beteiligen. Ein Engagement ist in vielen Genossenschaften bereits mit weniger als 100 Euro möglich. Mehr als 90 Prozent der Genossenschaftsmitglieder sind Privatpersonen. Sie haben im Durchschnitt etwa 3.000 Euro an Geschäftsguthaben gezeichnet. Die breite Beteiligungsmöglichkeit ist der Schlüssel für eine akzeptanzfördernde Betreiberstruktur.


In Energiegenossenschaften kommen gleichgesinnte Bürger, Landwirte oder Unternehmer zusammen, um – häufig gemeinsam mit kommunalen Entscheidungsträgern, öffentlichen Einrichtungen und regionalen Banken – Kraftwerksprojekte im Bereich der Sonnen- oder Windenergie zu initiieren. Auch lokale Nahwärmenetze werden in genossenschaftlicher Rechtsform betrieben. Investitionsrisiko und Betreiber-Know-how werden über das Gemeinschaftsunternehmen gebündelt. Die Leitungsgremien sind zumeist ehrenamtlich besetzt. Die Genossenschaft ist ein regionales, mitgliederorientiertes Unternehmen und nicht mit einer „grünen” Anlagemöglichkeit zu verwechseln. Sie fördert die regionale Wertschöpfung, da oftmals ortsansässige Handwerksbetriebe oder Banken in die Projektumsetzung eingebunden werden. Die Kommunen profitieren durch zusätzliche Steuereinnahmen.

Die lokale Verwurzelung, die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und das „anteilige Eigentum” sind die wesentlichen Gründe, warum es bei genossenschaftlich organisierten Energieprojekten nur selten zu Akzeptanzproblemen kommt. Die Menschen sind viel eher bereit, ein Windrad oder eine Biogasanlage in ihrem Heimatort zu akzeptieren, wenn es ihnen selbst gehört und die Wertschöpfung in der Region bleibt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass auch zukünftig kleine Marktakteure wie Energiegenossenschaften an der Energiewende mitwirken können.

Auswirkungen der EEG-Reform

Die Reform des EEG hat zu einer großen Verunsicherung bei den Energiegenossenschaften geführt. Laut der DGRV-Jahresumfrage wird in diesem Jahr fast jedes dritte Gemeinschaftsunternehmen keine weiteren Investitionen vornehmen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren lediglich acht Prozent ohne konkreten Investitionsplan. Nach Schätzungen des DGRV werden damit rund 300 Millionen Euro an regionalen Investitionen zurückgehalten. Bislang haben die Energiegenossenschaften rund 1,35 Milliarden Euro in die dezentrale Energiewende investiert. Auch die Gründungszahlen im 1. Quartal 2014 sprechen eine deutliche Sprache. Bundesweit wurden lediglich 17 neue Energiegenossenschaften registriert, das entspricht etwa der Hälfte des Vorjahreswertes.

Besonders kritisch wird von den Energiegenossenschaften die Streichung des „solaren Grünstromprivilegs” gesehen. In den vergangenen Monaten haben immer mehr Gemeinschaftsunternehmen ihre Projekte vor Ort nach dem so genannten „Direktverbrauch” umgesetzt. Abnehmer im räumlichen Zusammenhang werden direkt mit Solarstrom beliefert, ohne dass das öffentliche Verteilnetz in Anspruch genommen wird. Nach diesem Muster werden Gewerbetreibende, regionale Unternehmen, Mieter und kommunale Einrichtungen wie Kulturzentren, Schulen oder Kindergärten mit Solarstrom versorgt.

Mieterstromkonzepten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn hiermit werden nicht nur die großen Solarstrompotenziale im städtischen Raum erschlossen, sondern es wird ein Schritt zur direkten Stromversorgung der Mitglieder gemacht. Durch die Streichung des Grünstromprivilegs ist nun aber fraglich, ob solche Projekte noch wirtschaftlich umsetzbar sind. Bislang musste nämlich auf den vor Ort gelieferten Photovoltaikstrom nur eine reduzierte EEG-Umlage gezahlt werden.

Mit dem EEG 2014 besteht für alle Neuanlagen ab einer installierten Leistung von über 500 kW eine Pflicht zur Direktvermarktung, d. h. für diese Projekte erhält man keine vollumfassende Einspeisevergütung mehr. Die Größengrenze wird ab dem Jahr 2016 auf eine Leistung von 100 kW abgesenkt. Spätestens dann werden die Größenkategorien der meisten genossenschaftlichen Energieprojekte erreicht.

Viele Energiegenossenschaften werden aber aufgrund ihrer Größe und ehrenamtlichen Struktur vor dem Problem stehen, dass sie ihren Strom nicht selbst vermarkten können. Sie werden kaum in der Lage sein, die damit verbundenen Finanzierungs- bzw. Transaktionskosten und das Prognoserisiko allein zu stemmen. Auch die Kooperation mit einem Direktvermarkter wird nicht immer die einfache Lösung sein. Auch für ihn stellt sich die wirtschaftliche Frage, ob die relativ kleinteiligen Projekte der Energiegenossenschaften sinnvoll gebündelt werden können. Der proportional höhere Kostenaufwand für solche Projekte könnte insgesamt zur Zurückhaltung führen. Eine Alternative wäre eine eigene Vermarktungsgenossenschaft. Für die Zukunft liegt in jedem Fall ein besonderes Augenmerk auf einer möglichen weiteren Absenkung der Bagatellgrenze von 100 kW für die Direktvermarktungspflicht.

Zukünftiges Potential der Energiegenossenschaften

Ab Ende 2016 soll die EEG-Förderhöhe bei allen Technologien über Ausschreibungsverfahren bestimmt werden. Zunächst werden hierzu Pilotausschreibungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen getestet, das Ausschreibungsmodell wird bis zum Jahresende über eine Rechtsverordnung eingeführt. Wenngleich der Gesetzgeber auf Akteursvielfalt viel Wert legt, stellt sich die Frage, ob sich Energiegenossenschaften gegenüber größeren Wettbewerbern, die parallel mehrere Projekte einbringen, im Bieterverfahren durchsetzen werden. Sie werden aufgrund ihrer Größe und Regionalität nur ein, bestenfalls einige wenige Projekte gleichzeitig in Ausschreibungsverfahren haben. Je nach den (konkret in der Verordnung noch zu fixierenden) Präqualifikationen und Pönalen kann mit einer Ausschreibung ein Vorfinanzierungs- und Projektrisiko verbunden sein, das für Ein-Projekt-Betreibergesellschaften prohibitiv wirken könnte. Ein „Nicht-Zuschlag” lässt sich mangels Projektalternativen wirtschaftlich nicht abfedern.

Hingegen besteht ein großes Potenzial für Energiegenossenschaften in den nächsten Jahren vor allem im Bereich der Nahwärmeversorgung. Zwar wurde der weitere Ausbau der Bioenergie deutlich gebremst, doch es gibt noch viele Biogasanlagen, die kein Wärmekonzept haben. Ein Großteil der in der Biomasse enthaltenen Energie wird derzeit noch nicht genutzt. Das ist die Chance für Energiegenossenschaften, die Wärmenetze für Dörfer oder Stadtteile betreiben. Auch hier kommen die Stärken der genossenschaftlichen Rechtsform zum Tragen: breite Beteiligungsmöglichkeit und demokratische Mitbestimmung. Etwa 120 Wärmenetzgenossenschaften sind im DGRV organisiert, allein in den vergangenen drei Jahren sind 70 dieser Gemeinschaftsnetze hinzugekommen.

 

Dr. Andreas Wieg

Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften,
Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. DGRV), Berlin
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