15.08.2014

E-Mails in die Akten!

Umgang und Steuerung elektronischer Post

E-Mails in die Akten!

Umgang und Steuerung elektronischer Post

Auf dem Weg zur E-Akte: Grundsatz der „Schriftlichkeit des Verwaltungshandelns” muss gewahrt bleiben. | © beawolf - Fotolia
Auf dem Weg zur E-Akte: Grundsatz der „Schriftlichkeit des Verwaltungshandelns” muss gewahrt bleiben. | © beawolf - Fotolia

In einer Woche erhalten viele Sachbearbeiter heutzutage ungefähr zwei Papier-Briefe von Externen, die einen so relevanten Inhalt haben, dass sie Aufnahme in Akten finden. Die Zahl der aktenrelevanten E-Mails von Externen beläuft sich im selben Zeitraum meist mindestens auf das Zehn- bis Zwanzigfache. Behördenintern werden verschriftlichte Informationen fast ausschließlich als E-Mails versandt. Die nahezu flächendeckende Ausstattung der Behörden aber auch privater Haushalte mit Arbeitsplatzcomputern und E-Mailsystemen hat dazu geführt, dass sich der Anteil elektronischer Eingänge am gesamten Posteingangsaufkommen enorm erhöht hat, an vielen Arbeitsplätzen dürfte er in aller Regel deutlich über dem Anteil der Papiereingänge liegen.

Im Folgenden geht es nicht um die Gestaltung und Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch den E-Mail-Verkehr, mit positiven wie negativen Folgen. Wie auch immer man diese Folgen werten mag, E-Mails gehören zum Alltag und sind nicht wegzudiskutieren. Es muss somit um deren Steuerung und Behandlung gehen. In der Praxis der heutigen Schriftgutverwaltung entstehen eigentlich nur dann Probleme mit E-Mails, wenn diese als exotisches und irrelevantes Gebrabbel wahrgenommen werden. Viele der Probleme mit E-Mails haben vor allem mit deren Wahrnehmung oder eher Nicht-Wahrnehmung oder Unterschätzung zu tun. Dazu tritt häufig noch die Unkenntnis über die Basics der Schriftgutverwaltung.

E-Mails sind auch nur Schriftgut

Zunächst einmal fügt sich die Kommunikationsform E-Mail durchaus in eine Jahrhunderte alte Evolutionsreihe von Informationsträgern ein. Schon immer wird zwischen Inhalt, Schriftträger, Schrift und Beglaubigungsmitteln unterschieden. Als Schriftträger kamen früher sowohl Tonscheiben wie auch Papyrus, Tierhäute und schließlich Papier zum Einsatz. Beglaubigungsmittel unterschieden sich bereits bei mittelalterlichen Urkunden vom Schriftträger und der darauf befindlichen Schrift deutlich – etwa in Gestalt der mit Wachs aufgedrückten Siegel –, so dass auch der heutige Bedarf nach einer Signatur elektronischer Dokumente systematisch nichts Neues ist. Der traditionelle Schriftträger Papier wird bei der E-Mail durch die elektronische Form abgelöst, die allerdings eine deutlich andere Materialität besitzt. Die Schrift selbst enthält nach wie vor die entscheidenden kommunizierten Informationen. Die binäre Struktur von E-Mail-Nachrichten, durch die Schriftzeichen „berechenbar” werden, eröffnet zwar grundsätzlich neue Bearbeitungsmöglichkeiten, bezieht sich aber immer noch auf die analog über Schrift mitgeteilten Informationen. Wegen dieser Gemeinsamkeiten können E-Mails systematisch durchaus analog zu Papier-Briefen betrachtet werden.


Entscheidend ist, dass per E-Mail häufig Informationen übermittelt werden, die auch per Papier-Brief übermittelt werden könnten. E-Mails veranlassen dann ebenso Verwaltungshandeln, wie dies zuvor ein Papier-Brief tat. De facto ist der Informationswert von E-Mails deshalb prinzipiell ebenso hoch wie der eines Papier-Briefs. Eine behördliche E-Mail hat in aller Regel dieselbe Relevanz wie der Papier-Brief, den sie ersetzt. Von Vorteil ist es natürlich, wenn die E-Mails einer gewissen Form genügen, wie sie beispielsweise die DIN 5008 und 676 definieren. Wünschenswert wäre, dass die Absender dementsprechend Angaben zu Absender, Adressat, Gegenstand, Aktenzeichen, Bezug und Datum machen. Die öffentliche Verwaltung sollte ihrerseits solche Standards im E-Mail-Verkehr anwenden.

Wegen dieser möglichen Relevanz von E-Mails ist Posteingangskorb von E-Mails des Mitarbeiters einer Behörde keine Schmuddelecke von irgendwelchen Resten beliebiger Kommunikation. Ganz im Gegenteil: E-Mails, die dieselbe Relevanz wie Papier-Briefe haben, müssen auch so behandelt werden. Diese Behandlung muss den Standards der „Schriftlichkeit des Verwaltungshandelns” genügen. Nur wenn E-Mails nicht nach diesen Standards behandelt werden, werden sie zum Problem.

E-Mails in die Akten

Weil also E-Mails derselbe Stellenwert im Verwaltungshandeln zukommen kann wie Papier-Briefen, lässt sich manche Regel zur Behandlung von E-Mails unmittelbar aus dem Vergleich mit Papierdokumenten ableiten. Die Leitfrage zum Umgang mit E-Mails heißt deshalb: Was wäre mit dem Brief geschehen, den sie ersetzt? Der Brief wäre zentral bei der Poststelle eingegangen, dort – vielleicht – im Posteingangsbuch registriert und dann über den definierten Postgang dem zuständigen oder beauftragten Sachbearbeiter zugestellt worden. Der hätte ihn gelesen, die zugehörige Akte geholt, bearbeitet, den Brief samt Antwort darin abgelegt, die um den Brief erweiterte Akte schlussendlich wieder an die Registratur zurückgegeben.

Sein Stellvertreter wäre jederzeit in der Lage gewesen, anhand der Akte den Vorgang nachzuvollziehen – die Abfolge der Schriftstücke dokumentiert den Gang der Verhandlung –, den Sachstand zu erfahren – das oberste Schriftstück ist das jüngste – und den Vorgang weiter zu bearbeiten. Er hätte – sofern der zuerst mit dem Vorgang befasste Kollege nicht schlampig gearbeitet hätte – sicher sein können, dass die Akte vollständig ist und der jüngste Aktenvermerk oder das letzte Schriftstück das belegt, was er in der Sache zuletzt unternommen hat. Bei einem gleich gelagerten Fall hätte er in der Akte nachschauen können, wie der Kollege im Rahmen seines Ermessens in früheren Fällen entschieden hat und den neuen Antragsteller dementsprechend gleich behandeln können.

Insofern ist die Schriftlichkeit das notwendige Hilfsmittel zur Sicherstellung des Prinzips der Unpersönlichkeit der Amtsführung, wie sie Max Weber als sinnvolles Element jeder „Bürokratie” erkannt hat, um die Kontinuität des Verwaltungshandelns und die Gleichbehandlung auch im Vertretungsfall sicherzustellen. So verwirklicht Verwaltungshandeln den Artikel 3 des Grundgesetzes, die Gleichbehandlung seiner Bürgerinnen und Bürger.

Die Schriftlichkeit des Verwaltungshandelns ist nicht nur verwaltungsintern unentbehrlich, sondern darüber hinaus eine Pflicht, die aus Artikel 20 des Grundgesetzes folgt: Die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden. Dieses Prinzip erfordert, dass jede für den Geschäftsvorfall wesentliche Kommunikation schriftlich fixiert wird und daher jeder – unabhängig vom zuständigen Bearbeiter – die Historie des Geschäftsvorfalls rekonstruieren kann. Erst die Schriftlichkeit macht das Verwaltungshandeln im Zuge der Gewaltenteilung überprüfbar, kontrollierbar. Etwa durch Parlamente, Fachaufsichtsbehörden, Gerichte oder den Bürger selbst, die im Zweifelsfall die Akten einsehen können.

BVerfG: Aktenführung gehört zum Behördenhandeln

Das Bundesverfassungsgericht hat die besondere Bedeutung der Akten für diese Kernprozesse demokratischen Verwaltungshandelns 1983 unmissverständlich klargestellt: Behördenhandeln macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies des ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedarf. Die Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge umfasst das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das zukünftig in Frage kommende behördliche Handeln. Die Richter haben in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass nur die schriftliche Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge in Akten der vollziehenden Gewalt eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände und den Kontrollinstanzen die umfassende Prüfung gestattet. Deshalb müssen Akten – in schriftlicher Form – vollständig sein, wenn die Behörde ihrer aus der Bindung an Gesetz und Recht und aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität nachkommen können soll.

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 2000 näher beleuchtet, welche Informationen eine Behörde zu den Akten nehmen muss. Die Richter haben für das jeweilige Aufgabengebiet lapidar formuliert, dass schriftliche Äußerungen von Beginn bis Ende des Verfahrens in aller Regel – unabhängig von ihrer Bedeutung – zu den Akten zu nehmen sind. Als klaren Verstoß gegen die ihr obliegende Aktenführungspflicht erkannte das Gericht, dass eine Behörde Schriftsätze in den vorliegenden Verwaltungsverfahren weder in die Hauptakten noch in die Sammelakte aufgenommen hatte. Den Verstoß beurteilten die Richter als Unterdrückung zukünftiger Beweismittel und sahen eine Umkehr der Beweislast als gerechtfertigt an. Heutzutage finden schriftliche Äußerungen in Verwaltungsvorgängen häufig per E-Mail statt. Diese sind dann eindeutig aktenrelevant und müssen deshalb in die Akten aufgenommen werden.

Das Vorhandensein der Schriftstücke alleine genügt allerdings nicht. Ein einzelnes Dokument wie etwa ein Papier-Brief oder eine E-Mail ist ohne den Zusammenhang, in dem es entstanden ist und der von ihm ausgelöst wird, nicht aussagekräftig. Damit die gesammelten Schriftstücke leisten können, was wir von ihnen möchten, reicht es also nicht, dass sie da sind, sondern sie müssen in einer bestimmten Form und in einem bestimmten Ordnungszusammenhang – in der Regel der chronologischen Abfolge der Bearbeitung und dem durch den Aktenplan hergestellten Aufgabenzusammenhang – da sein.

Dieser Ordnungszusammenhang ist die Akte. Die Registraturrichtlinie des Bundes (RegR) definiert sie als: „Geordnete Zusammenstellung von Dokumenten mit eigenem Aktenzeichen und eigener Inhaltsbezeichnung.” Das Aktenzeichen verweist darauf, dass die Dokumente zu einer bestimmten Aufgabe oder Teilaufgabe zusammengestellt werden, die ihre Entsprechung in der Aufgabengliederung des Aktenplans findet. Die Inhaltsbezeichnung – der Aktentitel – verweist ebenfalls darauf, dass es sich um Dokumente zu einem bestimmten Thema oder Vorgang handelt. Mit geordnet ist gemeint, dass die einzelnen Dokumente in ihrem Zusammenhang, v. a. ihrer zeitlichen Abfolge abgelegt werden.

Die Akten als sinnvolle und nachvollziehbare Zusammenstellung von Dokumenten zu einem Thema oder zu einer Teilaufgabe müssen dabei dauerhaft integer (Manipulationssicherheit, Revisionsfestigkeit), authentisch (Nachvollziehbarkeit, Urheberschaft, Original/Kopie) und sicher sein. E-Mails als Schriftgut in einem Verwaltungsverfahren müssen daher unbedingt in die betreffende Akte aufgenommen werden.

Probleme mit E-Mails

Die Schwierigkeit mit den E-Mails fängt beim Posteingang an. E-Mail-Eingänge erfolgen sowohl zentral wie auch dezentral beim einzelnen Sachbearbeiter. Während Papier-Briefe die vorgesehene Hierarchie des Postgangs durchlaufen und je nach Organisation registrierter Bestandteil des Schriftgutes werden, kommen dezentral empfangene E-Mails direkt beim Sachbearbeiter an, ohne dass der Vorgesetzte steuernd eingreifen kann. Das muss nicht in jedem Fall schlecht sein, muss aber organisatorisch bewältigt werden. Wie gelangen diese relevanten E-Mails in den Geschäftsprozess und wie werden sie in ihm dokumentiert?

Die zunehmende Vermischung von elektronischen und papierbasierten Eingängen bei Beibehaltung bisheriger organisatorischer Abläufe, Ablagesysteme usw. führt zu Problemen, die über die bisherigen deutlich hinausgehen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass papierbasierte sowie elektronische Eingänge der Akten und Vorgänge mittlerweile parallel geführt werden und dabei oft genug wechselweise unvollständig sind. Hier muss aus schriftguttheoretischer Sicht ganz klar die führende Akte definiert sein. Auf Aktenebene muss klar sein, ob es sich um eine digitale oder um eine Papier-Akte handelt. Eine Mischung der Akte selbst – nach dem Motto die E-Mails digital und der Rest analog – ist äußerst kompliziert und läuft Gefahr, dass Vollständigkeit und Rechtsklarheit verloren geht. Hybride Akten sollten vermieden werden. Die Definition der führenden Akte – auf Papier oder elektronisch – muss nicht für die komplette Verwaltung erfolgen. Vielmehr empfiehlt sich diese Verfügung für einzelne Aufgabenbereiche.

Entweder Papier oder E-Akte

Solange in den Verwaltungen die Papier-Akte als führende Akte definiert ist – und das ist sie bis zur expliziten anderweitigen Definition durch Verfügungen oder Gesetze –, muss diese Papier-Akte allen Ansprüchen an die Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns genügen. Sie muss vor allem vollständig und konsekutiv geordnet sein. Deshalb führt bei Vorschrift der Papier-Akte nichts daran vorbei, relevante E-Mails auszudrucken und in der Akte mit abzuheften. Wie sieht die Praxis aus? Werden solche Ausdrucke der E-Mails erstellt und in den Akten mit abgeheftet?

Soll die elektronische Akte die führende werden, dann muss sie denselben Anforderungen wie die Papierakte genügen: Um Vollständigkeit herzustellen, müssen ihr alle relevanten Dokumente zugeordnet sein, darunter eben auch E-Mails, aber auch beispielsweise eingehende Papier-Briefe. In diesem Fall führt nichts daran vorbei, die Papier-Briefe einzuscannen, um die Scans in die E-Akte einfügen zu können. Um die innere Abfolge der Dokumente und deren Rechtscharakter (Entwurf/Original/Kopie) sicherzustellen, müssen auch die elektronischen Dokumente aktenmäßig geordnet sein, was sich beispielsweise durch Meta-Informationen oder – nach Erlass einer zdA-Verfügung – durch die Formierung etwa mehrseitiger PDF/a-Dokumente erreichen lässt.

Die Perspektive auch bei einer elektronischen Schriftgutführung muss diejenige der Akten sein, nicht diejenige des einzelnen Dokuments! Das jüngst vom KoopA ADV erarbeitete Grundsatzpapier „Aktenrelevanz von Dokumenten” nimmt durch den Begriff der Aktenrelevanz deutlich Bezug auf die Akte als zentralem Element der Schriftgutverwaltung. Vor allem Dokumentenmanagementsysteme leisten die Einbindung elektronischer E-Mails in elektronische Akten.

Vor diesem Hintergrund lässt sich dazu auffordern, dass angesichts des Prinzips der Aktenmäßigkeit des Verwaltungshandelns das Augenmerk nicht so sehr auf der Fähigkeit der elektronischen Systeme liegen sollte, Dokumente zu managen, sondern vielmehr darauf, Akten zu bilden, dauerhaft zusammenzuhalten, zu verwalten und später geordnet auszusondern.

Nach der Aussonderung wählen sich die Archive Akten für die dauernde Aufbewahrung aus. In diesen Akten sind dann auch die betreffenden E-Mails enthalten: Entweder als Ausdruck auf Papier oder in einer aus dem DMS extrahierten geordneten Zusammenstellung der zu einer E-Akte gehörenden Dokumente.

 

Prof. Dr. Wolfgang Sannwald

Projektleiter des Kommunalen Aktenplans 21 Baden-Württemberg
n/a