15.08.2014

Drum prüfe, wer sich ewig bindet…

Zur Mitgliedschaft in einem Zweckverband

Drum prüfe, wer sich ewig bindet…

Zur Mitgliedschaft in einem Zweckverband

Umlagebescheide von Wasserzweckverbänden müssen Finanzbedarf „angemessen” auf die Mitglieder verteilen. | © K.-U. Häßler - Fotolia
Umlagebescheide von Wasserzweckverbänden müssen Finanzbedarf „angemessen” auf die Mitglieder verteilen. | © K.-U. Häßler - Fotolia

Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge werden mitunter von mehreren Kommunen im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit gemeinsam erledigt. Die Zusammenarbeit wird insbesondere dann erwogen, wenn größere Investitionen notwendig sind, die die Finanzkraft einer Kommune übersteigen. So wurden in den 1970er Jahren eine Reihe von Wasserzweckverbänden, in späteren Jahren z. B. auch Zweckverbände zur Realisierung von Müllverbrennungsanlagen oder in jüngster Zeit zur Breitbandversorgung gegründet.

Zur Finanzierung des Zweckverbands sieht dessen Satzung entsprechend § 19 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) in Baden-Württemberg regelmäßig vor, dass der Zweckverband von seinen Mitgliedern Umlagen erheben kann, soweit der Aufwand des Zweckverbands nicht durch anderweitige Erlöse und Einzahlungen gedeckt ist. Die Höhe der Umlagen wird dabei häufig einerseits nach tatsächlicher Inanspruchnahme (z. B. Wasserverbrauch, angelieferte Müllmenge) und andererseits nach dem bei Gründung des Zweckverbands von einem Mitglied angemeldeten, zumeist in der Satzung festgeschriebenen Bedarf (z. B. Wasserbezugsrechte, Müllkontingent) berechnet.

Problem: Änderung der satzungsmäßigen Umlage

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) musste sich in einer Entscheidung (VGH Baden-Württemberg, Entsch. v. 05. 05. 2014, 3 S 1947/2) betreffend den Zweckverband Landeswasserversorgung aktuell mit der Frage befassen, welche Auswirkungen es hat, wenn sich im Laufe der Jahrzehnte die tatsächlichen Voraussetzungen sehr stark ändern und beispielsweise der Wasserbedarf einer Kommune aus verschiedensten Gründen erheblich gegenüber den bei Gründung des Zweckverbands getroffenen Annahmen und festgeschriebenen Bezugsrechten zurückgegangen ist. Im entschiedenen Fall hatte ein Verbandsmitglied aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit der satzungsmäßigen Umlageregelung beanstandet und eine Herabsetzung seiner Umlage verlangt.


Die in den nachfolgenden Ausführungen angesprochene Problematik stellt sich in vergleichbarer Weise auch in anderen Bundesländern.

VGH BW: Eigenmächtige Umlageänderung nicht möglich

Zu Unrecht, wie der VGH – anders als noch das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart, Entsch. v. 15. 08. 2012, 3 K 1490/11) in der Vorinstanz – feststellte. Der VGH betonte, dass „§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKZ einen weiten Spielraum für die Bemessung des Maßstabs von Zweckverbandsumlagen eröffnet, der im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot begrenzt ist. Der Beitragsmaßstab darf danach nicht sachwidrig und für das Wirken des Verbands völlig unpassend sein. Die Grundsätze des Wasserrechts sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da sie nicht die Aufgabe haben, eine angemessene Lastenverteilung zwischen den Mitgliedern des Zweckverbands zu bewirken”.

Eine Herabsetzung des Bezugsrechts aus eigenem Willensentschluss ist dem einzelnen Mitglied somit nicht möglich. Eine Ausnahme davon kommt – so der VGH weiter – nur unter den in § 60 LVwVfG genannten Voraussetzungen und dem dort normierten Grundsatz von Treu und Glauben in Betracht, wenn die „Mitgliedschaft in einem Zweckverband zu nicht vorhersehbaren Folgen für ein Mitglied führt. […] An die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs eines Mitglieds im Zweckverband sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, da ein besonderes, im öffentlichen Interesse geschütztes Vertrauen der übrigen Mitglieder auf die Dauerhaftigkeit der Gemeinschaftslösung besteht”. Der VGH knüpfte damit an seine bisherige Rechtsprechung zum Ausscheiden von Mitgliedern aus einem Zweckverband an und verneinte im konkreten Fall eine nach Treu und Glauben gebotene Herabsetzung des Bezugsrechts.

Im Kern begründete der VGH dies – völlig zutreffend – damit, dass „eine einseitige Herabsetzung des Wasserbezugsrechts zu Lasten der anderen Mitglieder geht. Die Anmeldung des jeweiligen Bezugsrechts beruht auf einer Prognose, die naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden ist. Das sich daraus ergebende Risiko einer von den – der Prognose zugrunde gelegten – Annahmen und Erwartungen abweichenden Entwicklung hat das jeweilige Mitglied selbst zu tragen und kann nicht auf die anderen Mitglieder verlagert werden”.

Solidargedanke gilt nicht unbegrenzt

Allerdings beendete der VGH seine Ausführungen – lapidar, doch ebenfalls völlig zutreffend – mit dem Hinweis: „Die – selbstverständliche – Verpflichtung des Verbands, etwaige Überkapazitäten im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich Sinnvollen abzubauen, bleibt davon unberührt.” Mit anderen Worten: Dem Solidargedanken sind insoweit Grenzen gesetzt, als auch ein Zweckverband sich stets um eine wirtschaftliche Erfüllung seiner Aufgaben bemühen muss und nicht darauf vertrauen darf, dass es die Solidargemeinschaft „schon richtet”. Insbesondere dann, wenn umfangreiche Sanierungsinvestitionen an den vorhandenen Anlagen oder gar Neuinvestitionen anstehen, darf der Zweckverband – wie bei der erstmaligen Investitionsentscheidung – seine neuen Investitionsentscheidungen nur auf der Grundlage aktueller Bedarfsprognosen treffen. Meldet ein Mitglied hierbei einen sehr viel geringeren oder gar keinen Bedarf mehr an, muss der Zweckverband dies im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich Sinnvollen für die Zukunft berücksichtigen.

Fazit

Der Zweckverband ist eine Solidargemeinschaft, aus der sich einzelne Mitglieder nur bei Unzumutbarkeit eines Verbleibs lösen können. Insoweit ist der Beitritt zu einem Zweckverband eine weitreichende Entscheidung, die wohl überlegt sein will. Dies sollte Kommunen dennoch nicht davon abhalten, Ressourcen zu bündeln und – v. a. kapitalintensive – Aufgaben ggf. interkommunal gemeinsam zu erfüllen. Entscheiden sich Kommunen für eine interkommunale Zusammenarbeit – wie sie gegenwärtig z. B. für die Klärschlammentsorgung oder die Bioabfallvergärung in der Praxis diskutiert wird –, ist im Übrigen ungeachtet der Rechtsform der Zusammenarbeit (rein vertraglich, gemeinsame Gesellschaft oder Zweckverband) stets die Verlässlichkeit der Absprachen als „Fundament” der langjährigen Zusammenarbeit erforderlich. In jedem Fall sollten die Partner schon bei Beginn der Zusammenarbeit überlegen, wie man tatsächlichen Änderungen im Laufe der Jahre für alle Beteiligten angemessen Rechnung tragen kann, um die positive Entscheidung für die Mitgliedschaft in einem Zweckverband zu erleichtern.

 

Dr. Beatrice Fabry

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht
Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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