15.08.2014

Neue Impulse aus der EU

Strukturen für alternative Streitbeilegung verbessern

Neue Impulse aus der EU

Strukturen für alternative Streitbeilegung verbessern

Die EU gibt neue Anstöße zur Umsetzung der alternativen Streitbeilegung. | © virtua73 - Fotolia
Die EU gibt neue Anstöße zur Umsetzung der alternativen Streitbeilegung. | © virtua73 - Fotolia

Richtlinie und Verordnung

Die alternative Streitbeilegung hat Hochkonjunktur. Viele sehen in ihr eine einfache, schnelle und kostengünstige Alternative zur gerichtlichen Streiterledigung. Nach der Mediations-Richtlinie 2008/52/EG vom 21. Mai 2008 (ABl. L 136/3) hat der europäische Gesetzgeber deshalb nachgelegt und zugleich sowohl die Richtlinie 2013/11/EU über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ABl. L 165/63) als auch die Verordnung 524/2013 über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ABl. L 165/1) erlassen.

Durch sie wird es für Verbraucher sehr viel leichter werden, Streitigkeiten mit Vertragspartnern alternativ beizulegen. Das betrifft nicht nur private Unternehmer, sondern auch die öffentliche Hand.

Alternative Streitbeilegung heute und morgen

Ein Blick auf Deutschland zeigt, dass es bereits viele Formen der alternativen Streitbeilegung gibt – etwa die Schlichtungsstellen für Energie, Nahverkehr oder Telekommunikation, den Ombudsmann der Versicherungen oder der öffentlichen Banken. Auch viele Kommunen unterhalten Schieds- und Mediationsstellen, um Streitigkeiten bürgernah und einvernehmlich beizulegen.


Das Ziel der Europäischen Union ist es, diese Strukturen zu verbessern. Die Richtlinie verpflichtet daher die Mitgliedstaaten, für alle Streitigkeiten eines Verbrauchers aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen ein flächendeckendes Netz von Stellen alternativer Streitbeilegung zu schaffen (Art. 5). Diese Stellen und ihre mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen müssen den Mindestanforderungen der Richtlinie, die keine Vollharmonisierung bezweckt, genügen.

Auch die öffentliche Hand ist betroffen

Den Geltungsbereich der Richtlinie bilden Streitigkeiten über vertragliche Verpflichtungen aus Kauf- oder Dienstleistungsverträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern (Art. 2). Für alle Streitigkeiten aus Verträgen, auf die Kaufrecht anzuwenden ist oder die eine Dienstleistung im Sinne der Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 (ABl. L 376/36) zum Gegenstand haben, wird es in Zukunft also eine zuständige Stelle der alternativen Streitbeilegung geben müssen. Dabei ist es egal, ob der Unternehmer eine Person des privaten oder des öffentlichen Rechts ist. Ob Autos, Versicherungen, Beförderungen, Wasser oder Müll: In Zukunft muss es für diesbezügliche Streitigkeiten eine außergerichtliche Anlaufstelle geben. Ausgenommen sind allerdings Gesundheitsdienstleistungen, Dienstleistungen öffentlicher Anbieter von Weiter- und Hochschulbildung sowie nichtwirtschaftliche Dienstleistungen der öffentlichen Hand von allgemeinem Interesse, etwa kostenlose Kulturangebote.

Stellen alternativer Streitbeilegung

Um der Richtlinie zu genügen, müssen Stellen auf Dauer eingerichtet sein, bestimmten Verfahrensanforderungen entsprechen und in einer Liste geführt werden. Zuständig für diese Liste wird eine noch zu benennende deutsche Behörde sein (vielleicht das Bundesamt für Justiz oder das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz). Die Aufnahme in die Liste kann als Genehmigung oder Akkreditierung klassifiziert werden. Stellen alternativer Streitbeilegung, die den Anforderungen der Richtlinie genügen, haben einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Eintragung. Verstößt eine Stelle allerdings gegen die Auflagen der Richtlinie, so kann sie aus der Liste gelöscht werden. Ob natürliche Person, juristische Person des privaten oder des öffentlichen Rechts, die Richtlinie lässt jede Rechtsform zu. Die zahlreichen Schiedsstellen von Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts in Deutschland werden daher bestehen bleiben können.

Ablauf des Verfahrens

Nach den Vorstellungen der Richtlinie beginnt das Verfahren der alternativen Streitbeilegung damit, dass der Verbraucher – online per Internet und E-Mail oder offline per Post und Fax – seine Beschwerde bei der zuständigen Stelle einreicht. Sobald feststeht, dass der Unternehmer sich am Verfahren beteiligt, wird die Beschwerde von den betrauten natürlichen Personen (Schlichtern, Schieds- und Ombudsleuten, Mediatoren) bearbeitet. Hierbei soll das Verfahren einfach sein; ein persönliches Erscheinen der Parteien oder andere Beweise als Urkunden werden eher ungewöhnlich sein. Wie das Verfahren enden soll, können die Mitgliedstaaten selbst entscheiden bzw. die Entscheidung den einzelnen Stellen überlassen. In aller Regel wird das Verfahren mit einer für beide Seiten unverbindlichen Empfehlung enden, die dann angenommen oder abgelehnt werden kann. Aber auch eine ganz oder teilweise verbindliche Entscheidung ist denkbar. So sind bereits heute die Entscheidungen des Versicherungsombudsmanns bis 10.000 € für das Versicherungsunternehmen – nicht aber den Verbraucher – verbindlich.

Mindestanforderungen an das Verfahren

Verfahren der alternativen Streitbeilegung müssen nach Art. 1 der Richtlinie freiwillig, unabhängig, unparteiisch, transparent, effektiv, schnell und fair sein. Was sich dahinter verbirgt, erläutert die Richtlinie detailliert. So ist der Unternehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich an der alternativen Streitbeilegung zu beteiligen, sofern Gesetze oder Selbstverpflichtungen der Branche eine solche Pflicht nicht schaffen. Sowohl die Stelle wie die von ihr mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen müssen unabhängig und unparteiisch sein. Ein Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand ist nicht erforderlich, kann aber jederzeit herangezogen werden. Das Verfahren soll kostenlos bzw. nur gegen eine kleine Missbrauchsgebühr verfügbar sein und innerhalb von 90 Tagen beendet werden.

Die zukünftige Online-Plattform

Damit der Verbraucher die für ihn und seine Streitigkeit zuständige Stelle leichter findet, wird durch die Verordnung die Europäische Kommission verpflichtet, hierfür eine Internet-Plattform einzurichten. Diese Plattform wird über die Webseiten der Kommission jedermann zugänglich sein und der Abwicklung alternativer Streitbeilegungsverfahren dienen. Mittels eines elektronischen Formblattes kann der Verbraucher seine Beschwerde an die zuständige Stelle übermitteln, die als erstes prüft, ob der Unternehmer sich am Verfahren beteiligt. In diesem Fall findet die gesamte Kommunikation zwischen Beschwerdeführer, Beschwerdegegner, der Stelle und den mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen online – also vor allem per E-Mail mit angehängten gescannten Dokumenten – statt. Das Verfahren selbst unterliegt weiterhin den Vorschriften der Richtlinie bzw. den in ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Regelungen.

Die Umsetzung

Während die Verordnung Anfang 2016 in Kraft treten wird, ist die Richtlinie bis Mitte 2015 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Dazu wird der deutsche Gesetzgeber zuerst die Verfahrensanforderungen festlegen und eine zuständige Behörde bestimmen müssen. Danach werden wahrscheinlich alle existierenden bzw. interessierten Stellen, die diesen Anforderungen genügen, aufgefordert werden, sich in die Liste eintragen zu lassen. Ferner müssen für solche Streitigkeiten aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen, für die es noch keine existierenden Streitbeilegungsstellen gibt, neue geschaffen werden. Auch kann der Gesetzgeber, da ihm nur Mindestanforderungen gestellt werden, mehr Verbraucherschutz im Rahmen der alternativen Streitbeilegung schaffen. Er kann zum Beispiel das zu schaffende Netz auch für die Beilegung von Mietstreitigkeiten öffnen. Wir dürfen daher auf den Referentenentwurf, der für den Herbst geplant ist, gespannt sein.

 

Prof. Dr. Michael Hakenberg

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht, Hochschule Trier
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