Netiquette durch Digitale-Dienste-Gesetz
DSA und DDG schaffen klare Vorgaben und strenge Kontrollen
Netiquette durch Digitale-Dienste-Gesetz
DSA und DDG schaffen klare Vorgaben und strenge Kontrollen

Am 17.02.2024 ist der Digital Services Act (DSA) als unmittelbar geltende Verordnung in der EU in Kraft getreten. Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) folgte mit einem Monat Verspätung am 21.03.2024 in Deutschland ein Durchführungspaket für die DSA-Regelungen. Bisher galt für die Bekämpfung von Hate Speech im Netz das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das vom DDG weitgehend abgelöst wird.
Ziel von DSA und DDG ist es, bei der Erbringung digitaler Dienste sowohl Rechtssicherheit für Anbieter zu schaffen, was ihre Verpflichtungen betrifft, als auch den Grundrechts- und Verbraucherschutz zu garantieren.
Online-Plattformen sollen wirksame Aufsichtsstrukturen zur Seite gestellt bekommen. Für die Anbieter von sozialen Netzwerken, audiovisuellen Mediendiensten, Videosharing-Plattformen und anderen Nutzerkommunikationsdiensten wird das Verhältnis der Diensteanbieter und seiner Nutzer neu aufgesetzt.
Eine bedingte Haftungsbefreiung der Anbieter endet bei der Verpflichtung, ein wirksames Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorzuhalten. Davon umfasst sind gerade auch Hate Speech und Desinformation in Form von Fake News aller Art. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte und Dienstleistungen aller Art anbieten, vorher überprüfen.
Der Regelungsrahmen
Der DSA selbst sieht strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen und Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) vor und abgestufte geringere Überwachungsverpflichtungen für kleinere und mittlere Anbieter.
Mit den Regelungen DSA/DDG entstehen Risikobewertungs- und Risikominimierungspflichten, die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Reaktions-, Prüfungs- und Kontrollmechanismen, sowie Datenzugangs-, Compliance- und Transparenzverpflichtungen und die Entrichtung von Aufsichtsgebühren.
Transparenzverpflichtungen
Transparenzverpflichtungen entstehen für kommerzielle Werbung und ein Verwendungsverbot für bestimmte Daten für kommerzielle Werbung. Die Gesamtheit und Komplexität dieses Regelungsrahmens ist ein Regelungsauftrag an die EU-Mitgliedstaaten, nationale Durchführungsgesetze zu erlassen. Dem ist die Bundesrepublik Deutschland mit dem DDG nachgekommen.
Das bestehende NetzDG erfüllt die DSA-Vorgaben in vielerlei Hinsicht nicht, vor allem, was die Aufsichtsbehörde für digitale Dienste und ihre Eingriffsmöglichkeiten anbelangt. Gleiches gilt für den Sanktionsapparat, der Zuwiderhandlungen der Anbieterseite wirksam begegnen soll.
Mit dem DDG wird das NetzDG entkernt und das Telemediengesetz (TMG) aufgehoben; dessen Regelungsmaterien werden in das DDG verschoben.
Ein Blick in die Details
Es ist sicher keine Untertreibung, wenn man das Zusammenspiel von DSA und DDG als komplex beschreibt. Die Aufgabenstellung klingt einfach und gut nachvollziehbar. Das DSA gibt den EU-Rahmen für den Kampf gegen Hass, Hetze und Desinformation im Netz vor, indem nicht nur Nutzer für ihr Verhalten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollen, sondern die Betreiber von Diensten wie Telegram, X, TikTok, YouTube, Instagram, Facebook und zahlreiche andere dazu verpflichtet werden, Risiken ihrer Plattformen zu erkennen, zu bewerten und durch einen Selbstreinigungsmechanismus zu unterbinden.
Die zuständigen Aufsichtsbehörden wiederum sollen kontrollieren, ob die Betreiber dies in ausreichendem Maß tun, um die Kernbereiche von Demokratie, Wahlen und Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen zu gewährleisten.
Digital-Services-Coordinator (DSC)
Nach langen Diskussionen, die auch zu der verspäteten Verabschiedung des DDG führten, hat das Parlament eine unabhängige und neu geschaffene Stelle bei der Bundesnetzagentur bestimmt, § 12 Abs. 1 DDG.
Jeweils in ihrem Verantwortungsbereich für die Aufsicht mit zuständig sind neben dem Digital-Services-Coordinator (DSC) bei der Bundesnetzagentur die Landesmedienanstalten (§ 10 Abs. 1 DDG), die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (§ 12 Abs. 2 DDG) sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, § 12 Abs. 3 DDG.
Der DSC als Leiter der Aufsichtskoordinierungsstelle soll über die notwendige Erfahrung und Sachkunde verfügen und ein leicht zugängliches und benutzerfreundliches Beschwerdemanagement-System einrichten, um Transparenz und Beteiligungsbereitschaft zu fördern.
Eine wichtige Rolle spielt auch das Bundeskriminalamt (BKA) § 13 DDG. Es soll als zentrale Anlaufstelle über mutmaßlich strafbare Inhalte informiert werden und nach Vorprüfung die Informationen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten.
Gefahr der Datenhäufung
Kritiker der Regelung befürchten, dass durch die Vielzahl von Meldungen bei Verdacht auf Straftaten, die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von Personen darstellen, beim BKA ein ‚bottleneck‘ von Datenhäufungen entsteht, die ein effektives und zeitnahes Vorgehen gegen echte Gefahrenlagen erschwert.
Ähnliche Phänomene beobachtet man bei Geldwäschemeldepflichten oder Meldungen an die BaFin. Ab 2025 soll das BKA einen jährlichen Rechenschaftsbericht über die Hinweislage erstellen.
Bei der Koordinierungsstelle für digitale Dienste soll ein Beirat, bestehend aus 16 Mitgliedern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaftsverbänden, eingerichtet werden, der die Koordinierungsstelle in grundsätzlichen Fragen der Anwendung und Durchsetzung der DSA-Bestimmungen unabhängig und weisungsungebunden berät, § 21 DDG.
Die Mitglieder des Beirats werden vom Deutschen Bundestag vorgeschlagen und haben Informationsansprüche. Die Sitzungen des Beirats sind öffentlich. Seine Beschlüsse haben Empfehlungscharakter.
Sämtliche mit der Umsetzung der DSA befasste Behörden, einschließlich der Koordinierungsstelle für digitale Dienste, können die Öffentlichkeit auf geeignete Weise über ihre Tätigkeit unterrichten, § 28 Abs. 1 DDG. Richtigerweise sollte das ‚Können‘ ein ‚Müssen‘ sein.
Weitreichende Befugnisse der Bundesnetzagentur
Die Befugnisse der Bundesnetzagentur zur Durchsetzung der Informations-, Organisations- und Transparenzverpflichtungen der Anbieterseite sind weitreichend und erstrecken sich von Auskunftsverlangen, Ermittlungs- und Beschlagnahmerechten bis hin zu Löschungsverlangen und Websperren, § 30 DDG.
Der Bußgeldkatalog des § 33 DDG ist umfangreich und nach der Schwere der Ordnungswidrigkeiten gestaffelt. Das maximale Bußgeld in Höhe von bis zu 6% des weltweiten Jahresumsatzes des betreffenden Anbieters wird über Art. 52, 74 DSA ermöglicht und orientiert sich damit an entsprechenden DSGVO-Regelungen.
(…)
Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Rdw-Kurzreport 11/2024, S 442 ff.