09.03.2016

Mit Augenmaß haushalten

Die Länder sind auf einem guten Weg, die Schuldenbremse einzuhalten

Mit Augenmaß haushalten

Die Länder sind auf einem guten Weg, die Schuldenbremse einzuhalten

Auch die Finanzen der Kommunalebene sollten in die Regelung der Schuldenbremse mit einbezogen werden. | © M. Schuppich - Fotolia
Auch die Finanzen der Kommunalebene sollten in die Regelung der Schuldenbremse mit einbezogen werden. | © M. Schuppich - Fotolia

Die gute Nachricht zuerst: Länder und Kommunen in Deutschland sind auf einem guten Weg, die ab 2020 geltende Schuldenbremse einzuhalten. Im Jahr 2014 lagen neun der 16 Bundesländer mit ihrem Haushalt im Plus. Bis auf das hoch verschuldete Bremen und das Saarland können es alle aus eigener Kraft schaffen, bis 2020 strukturell ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Zu diesen Ergebnissen kommt das „PwC-Länderfinanzbenchmarking 2015”, für das die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC die aktuelle Finanzsituation der Bundesländer in Deutschland zum vierten Mal in Folge analysiert hat. Die Betrachtung schließt auch die Finanzsituation der Kommunen ein.

Haushalte profitieren von hohem Steueraufkommen

Der guten gesamtwirtschaftlichen Lage ist es zu verdanken, dass die öffentlichen Haushalte anhaltend hohe Einnahmen zu verzeichnen haben. Die Situation hat sich 2014 sogar noch einmal deutlich verbessert.

Positiv wirken sich zudem die anhaltenden Niedrigzinsen aus, die Ländern und Kommunen eine günstige Kapitalaufnahme auf den Finanzmärkten bzw. eine Refinanzierung bestehender Schulden ermöglichen. Doch nun der Wermutstropfen: Der Finanzierungssaldo, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben, hat sich im Jahr 2014 trotz der guten Rahmenbedingungen nur marginal verändert. Er liegt mit einem Plus von zehn Euro lediglich um fünf Euro über dem Vorjahreswert. In den Jahren zuvor war dagegen ein ausgeprägter Aufwärtstrend zu verzeichnen gewesen: Im Jahr 2012 hatte sich der Finanzierungssaldo noch auf ein Minus von 61 Euro pro Einwohner belaufen. Warum trotz zunehmender Steuereinnahmen unterm Strich nicht mehr übrigbleibt, hat einen einfachen Grund: Die Länder geben wieder mehr aus. Doch das ist nicht in jedem Fall als Rückschritt zu werten. Denn unter diese Ausgaben fallen auch dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin sind auch in Zukunft gut beraten, ihre zum Teil extrem niedrige Sachinvestitionsquote deutlich zu erhöhen. Insgesamt weisen nur vier Länder ein Niveau auf, das als Substanz erhaltend angesehen werden kann: Sachsen, Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg. Die sprunghaft gestiegenen Sachinvestitionen haben bei dem ansonsten finanziell solide aufgestellten Sachsen sogar dazu geführt, dass das Bundesland beim PwC-Nachhaltigkeitsindex von Platz fünf auf Platz zwölf abgerutscht ist. Doch insgesamt ist Sachsens Finanzpolitik nach wie vor vorbildlich: Die Schuldenquote wie auch die künftigen Versorgungsausgaben sind relativ gering.


Ausgaben an zukünftigen Aufgaben orientieren

Der PwC-Nachhaltigkeitsindex ist das Kernstück der Länderfinanzbenchmarking-Studie. Er macht eine Prognose zur künftigen Finanzkraft der Länder und den daraus resultierenden Konsolidierungsaufgaben. Die Haushalte der Bundesländer und ihrer Kommunen können als nachhaltig angesehen werden, wenn in Zukunft genügend Finanzmittel verfügbar sind, um Ausgaben auf dem heutigen, entsprechend fortgeschriebenen Leistungsniveau zu finanzieren. Länder, die nur niedrige Schulden und Versorgungslasten haben, können deswegen sehr viel höhere Ausgaben zulassen als Länder mit hohen Belastungen durch Zinsen und Versorgungsausgaben. Das Einhalten der Schuldenbremse im Jahr 2020 wird deshalb vor allem davon abhängen, ob jedes Land maßvoll haushaltet und die Höhe seiner Ausgaben so früh wie möglich an seinen zukünftigen Möglichkeiten orientiert.

Bei der Berechnung des Index werden die Finanzmittel, die den Ländern und ihren Kommunen im Jahr 2020 pro Einwohner zur Verfügung stehen, ins Verhältnis zum Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer gesetzt. So auch der Mittelverbrauch im Jahr 2014. Werden beide Quotienten wiederum ins Verhältnis gesetzt, ergibt sich daraus ein Indexwert, der eine Rangbildung hinsichtlich der Frage ermöglicht, welches Land im Hinblick auf seine künftigen finanziellen Möglichkeiten am vorsichtigsten mit seinen verfügbaren Mitteln vorgeht. Unterhalb eines Indexwertes von 95 Prozent werden in einer je Einwohner-Betrachtung zusätzliche Konsolidierungsanstrengungen erforderlich, die finanziellen Spielräume sind dann begrenzt. Länder deren Einwohnerentwicklung im Vergleich zu anderen Ländern ungünstig ist, müssen mit zusätzlichen Einschränkungen der finanziellen Spielräume rechnen.

Unterschiede zwischen den Ländern gehen zurück

Insgesamt ist zu beobachten, dass sich die Schere zwischen finanziell gut und weniger gut gestellten Ländern immer mehr schließt: Lag der Indexwert im Jahr 2012 zwischen 70 Prozent und 112,9 Prozent, reicht diese Spanne im Jahr 2014 nur noch von 81,6 Prozent bis 106,3 Prozent. Diese zunehmende Konvergenz der Länderfinanzen darf durchaus als finanzpolitischer Erfolg gewertet werden.

Zu den Ergebnissen im Einzelnen: Die Anzahl der Bundesländer, die bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen ihre Ausgaben unter Berücksichtigung der Einwohnerentwicklung real senken müssen, ist mit sechs nach wie vor relativ hoch. Das Ende der Skala markiert das Saarland als Bundesland mit dem höchsten Sparbedarf von 2,8 Prozent (preisbereinigt und nach Abzug der Zins- und Versorgungsausgaben), gefolgt von Sachsen-Anhalt (1,7 %), Bremen (1,0 %), Thüringen (0,8 %) und aufgrund der ungünstigen Einwohnerentwicklung auch Mecklenburg-Vorpommern (0,4 %), während Hessen trotz niedrigem Indexwert aufgrund der positiven Einwohnerentwicklung seine Ausgaben leicht steigern kann. Kein Problem, die Schuldenbremse 2020 einzuhalten, dürften die beiden Erstplatzierten Bayern und Baden-Württemberg haben ebenso wie Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die die Plätze drei bis fünf in diesem Ranking belegen:

PwC-Nachhaltigkeitsindex 2015:
Bayern  106,3 %
Baden-Württemberg  101,8 %
Hamburg  101,5 %
Niedersachsen  101,3 %
Schleswig-Holstein  100,0 %
Rheinland-Pfalz  98,1 %
Berlin  97,9 %
Nordrhein-Westfalen  97,2 %
Brandenburg  95,3 %
Mecklenburg-Vorpommern  94,3 %
Hessen  94,2 %
Sachsen  94,1 %
Thüringen  92,9 %
Sachsen-Anhalt  89,1 %
Bremen  87,3 %
Saarland  81,6 %

Eine naheliegende Frage ist natürlich, was passiert, wenn sich die Wirtschaft nicht so positiv entwickelt, wie es die jüngsten Steuerschätzungen nahelegen. Sinken die Steuereinnahmen beispielsweise um einen Prozentpunkt – und das bei gleichzeitig sinkendem Zinsniveau und geringerem Anstieg des Preisniveaus wie in wirtschaftlichen Schwächephasen üblich –, gehören auch Hessen und Brandenburg zu den Bundesländern, die ihre Ausgaben real kürzen müssen.

Sinkende Einwohnerzahlen belasten ostdeutsche Länder

Die ostdeutschen Flächenländer haben es besonders schwer: Im Gegensatz zum Westen haben sie besonders unter sinkenden Einwohnerzahlen zu leiden und zudem das Auslaufen der zusätzlichen Finanzmittel aus dem Solidarpakt II zu verkraften. So hat Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 mit einem Einwohnerrückgang von 2,1 Prozent zu rechnen, in Thüringen sind es 2,8 Prozent, in Sachsen-Anhalt sogar
4,3 Prozent. Dagegen steigt die Einwohnerzahl in den westlichen Flächenländern bis 2020 im Durchschnitt um 1,5 Prozent.

Das bedeutet, die Steuereinnahmen in den ostdeutschen Bundesländern werden mittelfristig abschmelzen. Sie müssen deswegen ihren Gürtel weiterhin eng schnallen. Allerdings weisen sie momentan ein Ausgabenniveau auf, das deutlich über dem der westdeutschen Länder liegt. Es gibt also durchaus Einsparpotenziale. Zudem zeichnet sich ab, dass Ländern in Ostdeutschland die geplante Neuregelung des Länderfinanzausgleichs besonders zugutekommt.

Die Schuldenbremse sollte Kommunen einbeziehen

In einigen westdeutschen Flächenländern ist zu beobachten, dass sich die finanzielle Situation auf Landesebene zwar verbessert, aber die Haushaltslage der Städte und Gemeinden prekär ist. Besonders ausgeprägt ist das im Saarland: Dort weisen die Kommunen ein außergewöhnlich hohes Finanzierungsdefizit von 259 Euro je Einwohner auf. Aber auch Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen verzeichnen mit einem Minus zwischen 97 und 72 Euro je Einwohner Defizite in alarmierender Höhe. Für uns ist das ein Grund, dafür zu plädieren, auch die Finanzen der Kommunalebene in die Regelung der Schuldenbremse einzubeziehen, womit die Länder stärker verpflichtet würden, für eine ausreichende Finanzierung der Kommunen zu sorgen. Schließlich müssen die Länder über kurz oder lang ohnehin für ihre überschuldeten Städte und Gemeinden finanziell geradestehen. Allerdings kommt die im Dezember 2015 vorgeschlagene Neuregelung zum Länderfinanzausgleich den Bundesländern mit finanzschwachen Kommunen besonders entgegen – vorausgesetzt, die Regierungen leiten diese Mittel entsprechend weiter.

Finanzielle Mittel reichen für Flüchtlinge aus

Und in Zukunft? Wie sich die gesamtwirtschaftliche Lage und auch die Zahl der Flüchtlinge weiterhin entwickeln werden, ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Außerdem basiert das aktuelle PwC-Länderfinanzbenchmarking auf den Zahlen des Haushaltsjahres 2014. Deshalb fließen die Ausgaben für Flüchtlinge bisher nur zu einem kleinen Teil mit ein. Doch in den meisten Ländern sind die finanziellen Voraussetzungen nach unserer Einschätzung ausreichend bis gut, um die Herausforderungen bei der Versorgung, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge zu meistern. Und auch die aktuellen Ergebnisse des Haushaltsjahres 2015 deuten darauf hin, dass sich die Länderhaushalte trotz Flüchtlingsthematik weiter erholen konnten. Die längerfristige finanzielle Auswirkung dieser Thematik werden wir in kommenden Länderfinanzbenchmarkings näher beobachten.

 

Alfred Höhn

Partner bei PwC und Leiter des Bereiches öffentlicher Sektor, Berlin
 

Thorsten Schramm

Manager bei PwC im Bereich öffentlicher Sektor und Experte für finanzwissenschaftliche und Haushaltsfragestellungen, Berlin
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