09.03.2016

Osmanen Germania

Rockerkriminalität und türkischer Rechtsextremismus

Osmanen Germania

Rockerkriminalität und türkischer Rechtsextremismus

In den vergangenen Monaten wurden in mehreren deutschen Städten „Osmanische Sportclubs” gegründet. | © avtorpainter
In den vergangenen Monaten wurden in mehreren deutschen Städten „Osmanische Sportclubs” gegründet. | © avtorpainter

Nach einer Kriegserklärung gegen etablierte Outlaw Motorcycle Clubs (OMC) wie die Hells Angels (HAMC) und die Bandidos ist der neue Club Osmanen Germania in aller Munde. Seit der offiziellen Gründung im April 2015 im hessischen Dreieich haben die türkischstämmigen Rocker bisher bundesweit 20 Gruppen aufgebaut. Diese Entwicklung ist umso mehr besorgniserregend, da sie nicht nur neue gewalttätige Auseinandersetzungen zu anderen Clubs forcieren, sondern neben einem monetären Interesse mitunter eine türkisch-nationalistische Ideologie leben, wie es Anhänger der rechtsextremen Grauen Wölfe tun. Ihr Ziel definieren sie in eigens produzierten Werbevideos sehr klar: „Wir kommen und übernehmen das ganze Land”.

Größenwahn und rasante Verbreitung

In Dreieich (Offenbach), Frankfurt und vor allem in Städten in Nordrhein-Westfalen wurden in den vergangenen Monaten „Osmanische Sportclubs” gegründet. Am 6. Juli 2015 verkündete man auf der eingerichteten Facebook-Präsenz bereits zehn eingerichtete Chapter: „Wir eröffnen einen Boxclub nach dem anderen, in jeder großen Stadt Deutschlands. OSMANEN GERMANY ist ein Vorstand Chapter, in dem nur Vorstände von den einzelnen Städten vertreten sind.” Um ihre Vereinsziele zu kommunizieren wählen sie musikalische Untermalungen im Sinne von Rap-Songs mit expliziten Texten: „Deutscher, gehst du in die Diskothek – Osmanen machen jetzt die Tür – doch nicht so wie der Cassius Clay – Frontalangriff, hast jetzt kapiert?” Während in Deutschland mittlerweile schon 20 solcher Boxclubs eröffnet wurden und weitere geplant sind, existieren bereits Ableger in der Schweiz, in Schweden und in der Türkei.

Kampfansage an die Hells Angels?

Sie präsentieren sich in schwarzen Kutten mit aufgenähtem Logo („Patch”). Dieser ähnelt dem anderer Rockerbanden. Das und auch die Begrifflichkeit Chapter sind typisch für Rockergruppen, gleichzeitig stellt es eine Abgrenzung zu dem Hells Angels MC dar, die ihre Ortgruppen als Charter bezeichnen. Weiterhin wollen sie einen neuen Typ Rockerclub bilden, nämlich keine Motorcycle Clubs (MCs), sondern Boxclubs (BC). Ihnen gehe es vor allem um den Boxsport. Die rasante Ausbreitung dieser Clubs ist auch durch einen Faktor bedingt, der sie von anderen OMC unterscheiden: Es gibt keine lange Anwärterzeit, in der man sich Monate, wenn nicht gar jahrelang bewähren muss, dadurch wiederum herrscht Fluktuation innerhalb der Mitglieder. Für Aufsehen sorgten die Rocker im Januar 2016 in Neuss, wo sie mit rund 80 Mitgliedern durch die Stadt liefen. Solche Präsentationen, wie im übrigen auch in Duisburg, sind Machtdemonstrationen und eine Kampfansage, in erster Linie an den HAMC. Dann ginge es eben nicht nur um den Boxsport, ebenso wenig, wie es den Hells Angels, Bandidos oder dem Mongol MC lediglich um Motorräder geht, sondern um legale wie illegale Geschäftszweige, z. B. in Verbindung mit dem Nachtleben.


Das Verhältnis zu den Hells Angel ist indes noch unklar. In den Medien wird spekuliert, ob die Osmanen Germania nicht tatsächlich aus den Hells Angels hervorgehen. Dafür spricht vor allem ein Foto in den sozialen Netzwerken, auf dem sich Mitglieder des Boxclubs Arm in Arm mit den türkischen Hells Angels aus Gießen präsentieren. Diese haben sich bereits blutige Machtkämpfe mit anderen Clubmitgliedern geliefert und waren unter anderem im Juli 2014 an der Schießerei vor dem Katana Club in Frankfurt am Main beteiligt. Es existiert zudem das hartnäckige Gerücht, dass es sich beim tatsächlichen Kopf der Osmanen um das ehemalige HAMC-Mitglied Necati „Neco” Arabaci handeln soll, der seit längerem in die Türkei abgetaucht ist. Bestätigt ist das allerdings noch nicht.

Extreme Attitüde

Noch ein weiterer Aspekt fällt an den Osmanen Germania auf. Während andere Rockergruppen häufig bemüht sind, sich von extremistischen Inhalten abzugrenzen, zeigt sich dazu hier bei dem neu gegründeten OG BC ein sehr ambivalentes Bild. Obwohl man auf Facebook-Präsenzen, beispielsweise der Osmanen Germania Stuttgart die Herkunft, Ethnie oder Religion als gleichgültig betont (vgl. FB-Post vom 4. September 2015), beweisen sowohl Aktivitäten, Raptexte und auch Symboliken das Gegenteil. In einem, ebenfalls auf einer Facebook-Präsenz der OG , hochgeladenen Videos (selbiges wurde mittlerweile entfernt), beschwört der Songtext das „osmanische Blut”, zeigt das Wappen der Mitglieder über ganz Deutschland und propagiert in diesem Zusammenhang die Zahl 1453, die mehrfach erwähnt vermutlich auf das Jahr der Eroberung Konstantinopels hinweist. Noch expliziter wird es, als ebenfalls über soziale Netzwerke eine türkisch-nationalistische Demonstration in Frankfurt beworben wird. Auf Facebook bekennen sich Männer, die sich einem Boxclub der Osmanen zugehörig fühlen, nicht selten gleichzeitig als Sympathisanten des umstrittenen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan oder als Anhänger der rechtsextremen Grauen Wölfen.

Fazit

Noch immer sind die Hierarchien und der Kopf dieser schnellwachsenden Rockerkaste nicht wirklich klar. Zwar präsentieren sich Mehmet Bagcı und Selçuk Can Sahin als Gründer, doch dass sie alleine Clubs aufbauen, die nach eigenen Angaben in Deutschland bereits über 2.500 Mitglieder haben sollen, ist zu bezweifeln. Ob die Osmanen ein Phänomen sind, dass sich aufgrund interner Streitigkeit und einer starken Heterogenität in der Gruppe selbst wieder auflöst oder ob sie sich zu einem langwierigen Akteur in der Rockerszene entwickeln: Es ist ein Sammelbecken sowohl für Personen mit krimineller Energie, die möglicherweise bei anderen OMC nicht landen konnten, für frustrierte Überläufer aus dieser Szene, aber auch für türkische Nationalisten mit faschistischem Gedankengut. Ihre Ambitionen „Jugendliche von der Straße zu holen” klingt unter diesen Vorzeichen nicht gerade vertrauenserweckend.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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