15.02.2013

Mit 65 ist Schluss

Wählbarkeitsgrenze für berufsmäßige kommunale Wahlbeamte bestätigt

Mit 65 ist Schluss

Wählbarkeitsgrenze für berufsmäßige kommunale Wahlbeamte bestätigt

Der 65. Geburtstag ist für berufsmäßige erste Bürgermeister und Landräte nicht immer erfreulich. | © Lucky Dragon - Fotolia
Der 65. Geburtstag ist für berufsmäßige erste Bürgermeister und Landräte nicht immer erfreulich. | © Lucky Dragon - Fotolia

Mit seiner Entscheidung vom 19.12.2012 erklärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) die Vorschrift des bayerischen Kommunalwahlrechts für verfassungsgemäß, nach der zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister und zum Landrat nicht gewählt werden kann, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat.

Sachverhalt und Entscheidung

Art. 39 Abs. 2 Satz 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG), der für die vor dem 1.1.2020 stattfindenden Gemeinde- und Landkreiswahlen Anwendung findet, bestimmt, dass zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister und zum Landrat nicht gewählt werden kann, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat. Für ab dem 1.1.2020 stattfindende Wahlen gilt als Altersgrenze die Vollendung des 67. Lebensjahres. In diesen Einschränkungen der Wählbarkeit sahen die Antragsteller eines Popularklageverfahrens beim BayVerfGH eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung. Der BayVerfGH wies den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit ab. Mit dieser Entscheidung bestätigte er das Ziel des Gesetzgebers, die Altersgrenze für die Wählbarkeit zum berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamten weiterhin beizubehalten, um deren Amtsausübung möglichst während der gesamten Amtszeit sicherzustellen, als legitim und angemessen. Das Gericht sah dabei insbesondere die durch das Unionsrecht geprägten strikten Rechtfertigungsvoraussetzungen für eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters als erfüllt an.

Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung

Die Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters liegen nach Auffassung des Gerichts in den an den berufsmäßigen ersten Bürgermeister und Landrat gestellten beruflichen Anforderungen (vgl. § 8 Abs. 1 AGG), die deren Leistungsfähigkeit über die gesamte Amtszeit hinweg erfordere. Diese Anforderung sei auch sachlich gerechtfertigt. So stellte der BayVerfGH klar, dass berufsmäßige kommunale Wahlbeamte zahlreiche und mit hoher Verantwortung verbundene Aufgaben in Bezug auf die Verwaltung und Vertretung ihrer Kommune wahrzunehmen hätten. Dafür sei „ein erhebliches, den Durchschnitt übersteigendes Maß an Arbeitseinsatz, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit im Sinn physischer und psychischer Belastbarkeit“ erforderlich. Feste Arbeitszeiten gebe es nicht, vielmehr müssten von den Amtsträgern auch an Abenden sowie Wochenenden zahlreiche Aufgaben wahrgenommen werden.


Die Wichtigkeit der unbeeinträchtigten Leistungsfähigkeit eines berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamten wird in der Entscheidung auch den gesetzlichen Vertretungsregelungen entnommen, wonach berufsmäßige erste Bürgermeister regelmäßig, Landräte stets ehrenamtlich vertreten werden. Der Gesetzgeber habe daher davon ausgehen können, dass es ehrenamtlichen Vertretern grundsätzlich nicht möglich sei, den (zeitlichen) Anforderungen einer hauptamtlichen Tätigkeit über längere Zeit hinweg zu entsprechen.

Mögliche altersbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit

Mit der Bestätigung, dass eine über die gesamte Amtszeit andauernde Leistungsfähigkeit einen legitimen Grund für die Beibehaltung der Altersgrenze darstellt, wird zugleich die Annahme des Gesetzgebers gestützt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter steigt. Dem von den Antragstellern vorgetragenen Argument, dass wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass ältere Arbeitnehmer nicht weniger, sondern anders leistungsfähig seien und im Alter eintretende Kapazitätsverluste durch Erfahrungen, Fertigkeiten und Motivation ausgeglichen würden, tritt das Gericht mit folgenden Argumenten entgegen:

  • Diesbezügliche Untersuchungen seien nicht ohne weiteres übertragbar. Sie bezögen sich überwiegend auf den Personenkreis der etwa 55- bis 64-Jährigen. Die vorliegend angegriffene Altersgrenze ermögliche den berufsmäßigen ersten Bürgermeistern und Landräten hingegen eine Amtsausübung „gegebenenfalls sogar bis in den Beginn des achten Lebensjahrzehnts hinein“.
  • Nach den Untersuchungen müsse die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zum Beispiel durch Flexibilisierung der Arbeitszeit positiv unterstützt werden.
  • Entsprechende Arbeitsbedingungen seien mit den Anforderungen an das Amt des kommunalen Wahlbeamten nicht vereinbar.
  • Das Argument, ältere Arbeitnehmer könnten auf gewonnene Erfahrungen zurückgreifen, könne lediglich bei Amtsinhabern eine Rolle spielen, nicht jedoch bei weiteren/anderen Bewerbern.

Keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes

Eine Höchstaltersgrenze gibt es weder für ehrenamtliche erste Bürgermeister noch für Mitglieder der Staatsregierung. Darin liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, da diese unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt sei:

Der gesetzliche Regelfall sieht vor, dass bei einwohnerärmeren Gemeinden der erste Bürgermeister Ehrenbeamter, bei größeren Gemeinden hingegen Beamter auf Zeit ist. Diese Unterscheidung beruht auf der Annahme, dass Aufgabenumfang und Arbeitseinsatz sowie Einwohnerzahl unmittelbar voneinander abhängen. Daher konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass das Amt des ersten Bürgermeisters in einwohnerschwächeren Gemeinden grundsätzlich nicht den besonderen Einsatz erforderlich macht, der in größeren Gemeinden die Altersgrenze rechtfertigt.

Einen sachgerechten Differenzierungsgrund zwischen berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamten und Mitgliedern der Staatsregierung sieht das Gericht unter anderem darin, dass diese im Krankheitsfall durch eine hauptberufliche Vertretung ersetzt werden, wohingegen für berufsmäßige erste Bürgermeister im gesetzlichen Regelfall sowie für Landräte stets nur ehrenamtliche Vertreter zur Verfügung stehen.

Anhebung der Altersgrenze auf das 67. Lebensjahr erst 2020 im Rahmen gesetzgeberischen Ermessens

Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Anhebung der Altersgrenze erst im Jahr 2020 und nicht bereits zu den kommenden Kommunalwahlen im Jahre 2014 konnte der BayVerfGH nicht erkennen. Zum einen sei es Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und wann ein Rechtsgebiet der Novellierung bedürfe. Erst wenn äußerste Grenzen überschritten würden, sei ein verfassungsgerichtliches Eingreifen geboten. Im Übrigen liege der Übergangsregelung die sachliche Überlegung zu Grunde, dass durch die Gesetzesänderung nicht in bereits in Aussicht auf die nächsten Kommunalwahlen getroffene Planungen verändernd eingegriffen werden sollte.

Sondervotum

Letztere Auffassung wurde nicht von allen Mitgliedern des Gerichts geteilt. In einem Sondervotum führten zwei Mitglieder aus, dass die Übergangsregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Der Gesetzgeber sei zu der Annahme gelangt, „dass er auch Personen zwischen der Vollendung des 65. und des 67. Lebensjahrs physisch und psychisch für hinreichend belastbar hält, den Anforderungen im Amt des ersten Bürgermeisters oder des Landrats gerecht zu werden. Dass insoweit in der Entwicklung der Leistungsfähigkeit älterer Menschen zwischen 2014 und 2020 wesentliche Unterschiede zu erwarten wären, die es rechtfertigen könnten, die angehobene Altersgrenze erst ab 2020 anzuwenden, ist nicht erkennbar.“ Demzufolge sei eine Differenzierung zwischen Personen, die das 65. Lebensjahr, und solchen, die das 67. Lebensjahr vollendet haben, nicht weiter gerechtfertigt.

Fazit

Das Urteil wird sicherlich Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinweg erregen, existieren doch in weiteren 14 Bundesländern (Ausnahme NRW) unterschiedlichste Altersgrenzenregelungen für berufsmäßige erste Bürgermeister oder Landräte. Für Bayern dürfte mit der Entscheidung des BayVerfGH Rechtssicherheit für die kommenden allgemeinen Kommunalwahlen im März 2014 hergestellt sein.

Redaktionsanmerkung: In PUBLICUS 2012.1 S. 20 haben wir ein Plädoyer des Autors Michael Sedlmair für die Abschaffung der Altergrenze veröffentlicht.

 

Dr. Susanne Reichel

Bayer. Staatsministerium des Innern, München
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