15.02.2013

Die Last mit der Altlast

Kommunale Bauaufträge und das Risiko belasteter Böden

Die Last mit der Altlast

Kommunale Bauaufträge und das Risiko belasteter Böden

Ein Hinweis auf eine mögliche Bodenkontamination hilft, Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden. | © gradt - Fotolia
Ein Hinweis auf eine mögliche Bodenkontamination hilft, Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden. | © gradt - Fotolia

Im Falle von Kontaminationen, die aus belasteten Böden resultieren, hat der Entsorgungsunternehmer regelmäßig hohe Transport- und Deponiekosten. Dies betrifft nicht nur Baumaßnahmen auf vormals industriell genutzten Grundstücken, die heute als Altlasten gelten, sondern insbesondere auch Straßenbau- und Erneuerungsmaßnahmen. Je nachdem welchen spezifischen Zuordnungswert nach der Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) der Boden hat, ist er schadstofffrei oder bei entsprechender Erhöhung von Bestandteilen verunreinigt. Dies schließt seinen uneingeschränkten Wiedereinbau aus und führt – je nach Verunreinigungsgrad – sogar zur Deponiepflicht. Wer frühzeitig um Verunreinigungen weiß, kann dies seinem Angebot preislich zugrunde legen, um die Entsorgungsleistungen mit zu übernehmen. Dies setzt voraus, dass sich die Verunreinigungen der Ausschreibung entnehmen lassen. Ansonsten droht ein Streit über die entstehenden Mehrkosten.

Wie sieht die Rechtsprechung Mehrvergütungsansprüche?

Im einem Ende 2011 von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 22.12.2011 – VII ZR 67/11; siehe auch Anm. Pützenbacher in LMK 2012, 329686) verlangte ein Unternehmer einer Straßenbaumaßnahme von der Gemeinde zusätzliche Vergütung für Tiefbauarbeiten mit der Begründung, er habe beim Aushub von Boden unterhalb einer Ortsdurchfahrt schadstoffhaltigen Boden angetroffen. Dieser Boden sei durch den öffentlichen Auftraggeber, die Gemeinde, bei der Auftragsvergabe nicht ausgeschrieben worden. Die Gemeinde hatte Teile einer Ortsdurchfahrt im Gemeindegebiet ausgebaut. Der Unternehmer wurde damit beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht der Ortsdurchfahrt und den darunterliegenden Boden zu entfernen. Angaben zur Bodenbeschaffenheit enthielten die Verträge nicht. Es wurde jedoch die Geltung der VOB/B vereinbart. Die Analyse des gelösten Bodens ergab einen Zuordnungswert von Z 1.1 nach LAGA, also eine geringfügige Schadstoffbelastung. Der Unternehmer machte Mehrvergütungsansprüche gegen die Gemeinde geltend. Er berief sich darauf, dass er mit belastetem Material nicht habe rechnen müssen. Nach Auffassung des BGH bestehen die geltend gemachten Mehrvergütungsansprüche jedoch nicht.

Wie ist der Bauvertrag auszulegen?

Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Preisabrede der Parteien auch den Aushub des kontaminierten Bodens erfasste. Hierbei war der Bauvertrag nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. Es war das gesamte Vertragswerk zugrundezulegen, wozu bei einer öffentlichen Ausschreibung auch die VOB/B gehört. Wie der Vertrag zu verstehen ist, hängt vom Empfängerhorizont ab. Dabei darf der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten. In dem entschiedenen Fall wurde der Boden in der Leistungsbeschreibung nicht beschrieben, so dass nach dem Wortlaut der Verträge der Aushub des jeweils vorgefundenen Bodens geschuldet und von der Preisvereinbarung umfasst war.


Auch aus den übrigen Umständen, insbesondere der Verkehrssitte oder den Ausschreibungsregelungen der VOB/A oder VOB/C ließ sich keine Einschränkung des Vertragswortlauts dahingehend entnehmen, dass der Aushub des Bodens mit einem Zuordnungswert von LAGA Z 1.1 nicht von der Preisvereinbarung umfasst war. Selbst wenn es in aller Regel notwendig ist, mögliche und zumutbare Angaben zu Bodenkontaminationen in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich zu erfassen, damit eine verlässliche Preisermittlung möglich ist, war die Angabe jedoch nicht zwingend. Sie kann immer dann unterbleiben, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass eine Bodenkontamination vorliegt. Das Gericht konnte auf ein Sachverständigengutachten zurückgreifen, das sich mit üblichen Straßenbaumaßnahmen und deren Ablauf beschäftigte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen befindet sich unterhalb der Asphaltdecke einer Ortsdurchfahrt regelmäßig ein mit Schadstoffen belasteter Boden. Daher musste den potentiellen Bietern bei der Angebotskalkulation auch bewusst sein, dass sie unterhalb der Asphaltdecke solchen Boden antreffen würden. Keiner der Bieter durfte davon ausgehen, der gemeinsam mit der Entfernung der Asphaltdecke ausgeschriebene Bodenaushub unterhalb dieser Decke könnte schadstofffreien Boden betreffen. Vielmehr wird regelmäßig belasteter Boden vorauszusetzen sein.

Welcher Angaben zur Bodenbeschaffenheit bedarf es?

Der von dem BGH entschiedene Fall zeigt, dass es zwar nicht notwendig ist, jedenfalls aber Sinn macht, zur Vermeidung von Auslegungsstreitigkeiten detaillierte Angaben zur Bodenbeschaffenheit in Bauverträge aufzunehmen. Eine Vielzahl von Behörden bemüht sich, die LAGA-Zuordnungswerte in den Ausschreibungen anzugeben oder Bodengutachten mit Ergebnissen der Laboranalyse der Ausschreibung beizufügen. Selbst wenn derzeit noch kein einheitliches oder weit verbreitetes Ausschreibungsverhalten festzustellen ist, kann sich eine Verkehrssitte bilden, die Einfluss auf das Verständnis des maßgeblichen Bieterkreises hat. Während im Jahre 2002 eine solche allgemeine Handhabung noch nicht nachweislich vorlag und nur einzelne Straßenverkehrsbehörden bereits LAGA-Zuordnungswerte angegeben haben, dürfte heute ein Hinweis auf die Bodenqualität bei Ausschreibungen zu Straßenbaumaßnahmen üblich und von allen Bietern zu erwarten sein. Da mittlerweile gesicherte Erfahrungswerte existieren, welche Kosten für den Transport und die Entsorgung von Böden je nach deren LAGA-Zuordnungswert anfallen, ist es den Bietern dann auch möglich, ihre Kalkulation den zu erwartenden Verunreinigungen anzupassen. Somit kann vermieden werden, dass das Risiko einer hohen Belastung sich einzig und allein beim Unternehmer realisiert oder allein bei der ausschreibenden Stelle verbleibt.

Der von dem BGH betrachtete Fall bezieht sich allerdings auch nur auf die Kosten der Entsorgung und Deponierung belasteter Böden. Auf einem anderen Blatt steht, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn der Bauunternehmer bei der Entsorgung nicht nur auf solches Material trifft, das einer besonderen abfalltechnischen Behandlung bedarf, sondern darüber hinaus auch weitere Sanierungsmaßnahmen des Bodens, der Bodenluft oder sogar des Grundwassers angezeigt sind, um die betroffenen Flächen bebaubar zu machen. Für die Erforderlichkeit und die Kosten solcher Maßnahmen, die der Ausschreibung nicht zu entnehmen waren, gelten sicherlich die Grundsätze, die der BGH für die reine Entsorgung aufgestellt hat, nicht. Hier wird der Bauunternehmer – je nachdem wie die Regelung des Baugrundrisikos im Bauvertrag ausgestaltet ist – sicherlich mit Mehrvergütungsansprüchen rechnen können.

 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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