15.02.2013

Die Wirksamkeit von Verbotsmaßnahmen

Im Blickpunkt: Salafistische Bestrebungen in Deutschland

Die Wirksamkeit von Verbotsmaßnahmen

Im Blickpunkt: Salafistische Bestrebungen in Deutschland

Salafistische Bestrebungen werden von den Sicherheitsbehörden als ernstzunehmende Bedrohung eingestuft. | © bluedesign - Fotolia
Salafistische Bestrebungen werden von den Sicherheitsbehörden als ernstzunehmende Bedrohung eingestuft. | © bluedesign - Fotolia

Im Jahr 2012 wurde die demokratiefeindliche Haltung von Anhängern der Salafiyya für die Bevölkerung deutlich. Im Zuge der groß angelegten Koranverteilung kam es nach der provokativen Karikaturenveröffentlichung von Pro NRW e.V. zu gewalttätigen Ausschreitungen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass viele, insbesondere auch populäre Anhänger der islamistischen Bewegung Empfänger von Leistungen nach dem SGB II sind. Der Ruf nach einem Verbot salafistischer Vereinigungen in Deutschland wurde laut und der Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich reagierte. Am 29.05.2012 wurde das salafistische und hauptsächlich interaktive Netzwerk Millatu Ibrahim verboten.

Entwicklungen in Deutschland

Eingespannt in einem globalen Netzwerk werden die extremistischen Salafisten auf etwa 4.000 Personen bundesweit geschätzt. Als militant gelten mehrere hundert bis tausend Personen. Überwiegend männlich, liegt die Altersstruktur zwischen 15 und 35 Jahren. Rekrutierung und Propaganda funktionieren größtenteils über das Internet, insbesondere unter Nutzung sozialer Netzwerke und Online-Plattformen. Die Strategie zur Gewinnung neuer Anhänger zielt vor allem auf jugendliche Muslime, aber auch Konvertiten ab, die sich in Deutschland benachteiligt fühlen und extremen Islamismus als eine der Gesellschaft, von der sie sich ausgeschlossen fühlen, Angst einflößende Protesthaltung verstehen.

Die Tatsache, dass nur ein Teil der Salafiyya-Anhänger gewaltorientiert ist, macht sie in der Gesamtbetrachtung nicht minder gefährlich. Kennzeichnend für sie ist die Werbung zur Bekehrung für die eigene Glaubensauffassung. Diese Aufgabe des Da`wa ist bezeichnend für ihre Zielsetzung. Die Salafiyya gilt als die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland. Salafistische Bestrebungen in Deutschland werden von den Sicherheitsbehörden als ernstzunehmende Bedrohung eingestuft. Die Bewegung ist keineswegs eine homogene Vereinigung, die Haltung zur Gewalt gegen aus ihrer Sicht Nichtgläubige ist ambivalent und von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Die Übergänge zwischen friedlichen und gewaltbereiten Einstellungen von Anhängern sind fließend.


Die Salafiyya als Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Salafisten sind sunnitische Muslime, die es sich zum Ziel setzen, den Ur-Islam wiederherzustellen. Das Weltbild ist pluralistisch unterteilt in Gut und Böse. Die westliche Demokratie wird als Anmaßung gegen Allah abgelehnt. Nicht-Salafisten sollen bekehrt oder bekämpft, der deutsche Staat islamisiert werden. Ein Kennzeichnen der Salafiyya ist die Forderung nach einer wörtlichen Auslegung des Korans, die jegliche allegorische Deutung zu einem Missbrauch werden lässt. Damit gelten Vertreter anderer Glaubensauffassungen innerhalb des Islams wie z.B. die Schiiten als Ungläubige, die mittels des Djihads bekämpft werden müssen. So verlangt die Salafiyya von ihren Anhängern die strikte Einhaltung muslimischen Rechts und der traditionellen Einzelvorschriften des islamischen Lebensstiles bezüglich des Auftretens, der Kleidung, der Segregation der Geschlechter etc.

Haltung und Ziel der Salafisten läuft Art. 20 GG zuwider. Insbesondere, wenn sie zur Gewalt gegen den Staat und die Ersetzung dessen durch ein islamisches System nach eigenen Vorstellungen aufrufen. Die Diffamierung von Nicht-Muslimen, insbesondere von Juden verstößt zudem gegen Art. 1 Abs. 1 GG. Einzelne salafistische Personenzusammenschlüsse, die sich unter einem Gruppennamen formieren, könnten entsprechend als Ausländervereinigung nach § 14 Abs. 1 und 2 Vereinsgesetz verboten werden. Gegen die Gruppe Millatu Ibrahim wurde ein solches Verbot ausgesprochen.

Vereinsverbot gegen Millatu Ibrahim

Das onlinebasierte Netzwerk Millatu Ibrahim („Die Religion Ibrahims“) wurde in Solingen von den extremistischen Salafisten Denis Cuspert (ehemals Rapper „Deso Dogg“) und Mohamed Mahmoud gegründet. Im Internet traten sie als Millatu Ibrahim e.V. auf, dieser war jedoch zu keinem Zeitpunkt ein eingetragener Verein. Neben den Gründungsmitgliedern sind nur wenige Mitglieder bekannt, da sich die Anhänger größtenteils über das Internet austauschen und auch so ihre Ideologie verbreiten. Diese äußerte sich durch explizite Aufrufe, die Demokratie in einen islamischen Staat nach Regeln der Scharia mit Gewalt zu verwandeln. Der Verfassungsschutz sah in deren Agitation die Gefahr, dass junge Menschen, die sich erst zu radikalisieren begonnen haben, als Einzeltäter zuschlagen würde, wie Arid Uka, der Kontakt zu dem Onlinenetzwerk „Dawa FFM“ hatte.

Das Verbot gegen Millatu Ibrahim stützt sich auf Artikel 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG. Der Zusammenschluss richtet sich ganz offensichtlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Mit der am 29.05.2012 ergangenen Verbotsverfügung hat Bundesinnenminister Friedrich die Auflösung des Vereins angeordnet (BAnz v.14.06.2012). Mit dem Verbot ging zudem die Beschlagnahmung und Einziehung des Vereinsvermögens nach §§ 11 und 13 VereinsG einher.

Vereinsverbot als staatliche Bekämpfungsstrategie gegen Extremismus

Vereinsverbote stellen einen Schwerpunkt der Maßnahmen des Bundesministeriums des Innern bei der Bekämpfung gegen Extremismus dar, seit der Bundestag die Aufhebung des Religionsprivilegs im Rahmen des Anti-Terror-Pakets am 09.11.2001 beschlossen hatte. Aus dem Religionsprivileg in § 2 Abs. 2 Nr. 3 des deutschen Vereinsgesetzes ergab sich bis zu seiner Abschaffung, dass Religionsgemeinschaften keine Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes waren. Damit unterlagen Religionsgemeinschaften nicht den für Vereine bestehenden Kontrollen und Einschränkungen und konnten auch nicht nach § 3 des Vereinsgesetzes verboten werden.

Das Verbotsverfahren unterliegt, auch nach Wegfall des Religionsprivilegs, engen rechtlichen Voraussetzungen. Der Eingriff des Verbots einer religiösen Vereinigung wiegt schwer und ist angesichts des Gewichts, das die Freiheit des religiösen Bekenntnisses in der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes besitzt, nur dann gerechtfertigt, wenn er im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Abwägung der kollidierenden Verfassungsgüter unerlässlich ist. Dies ist der Fall, wenn sich die Vereinigung gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet. Im Umgang mit extremistischem Gedankengut jeglicher Art sieht das Grundgesetz die geistig-politische Auseinandersetzung als primär an. Verbotsmaßnahmen stehen in der Regel erst an letzter Stelle staatlicher Intervention, entsprechend hoch sind die rechtlichen Hürden.

Eingeschränkte Wirksamkeit eines Verbots

Das Ersetzen der Demokratie durch einen islamischen Staat und die „Vernichtung alles Unislamischen“ ist zweifellos eine verfassungsfeindliche Haltung. Damit sind Verbotsmaßnahmen generell möglich. Die Salafiyya ist allerdings eine Bewegung, kein einzelner Verein. In dieser gibt es nur wenige Strukturen, die sich gesetzlich und in ihrer Organisationsform verbieten lassen. Auch ist die Wirksamkeit eines Verbotes für Strukturen, die vor allem im Internet funktionieren, eingeschränkt. Trotz Verbots von Millatu Ibrahim in Deutschland sind Mitglieder weiterhin aktiv. Auf Blogs und in radikalislamischen Internetforen meldet sich Mahmoud nach wie vor, wahrscheinlich aus Ägypten, zu Wort. Im Herbst 2012 drohte er mit einem seiner Mitstreiter mit Terroranschlägen in Deutschland.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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