15.12.2015

Militärkonversion in Bayern

Individuelles Wohnen in alten Gebäuden mit Städtebauförderung

Militärkonversion in Bayern

Individuelles Wohnen in alten Gebäuden mit Städtebauförderung

Wildfleckener Modell: Bestandsgebäude aus den 1930er Jahren. | ©
Wildfleckener Modell: Bestandsgebäude aus den 1930er Jahren. | ©

In den ehemaligen Militärarealen der Bundeswehr und der US-Armee stehen riesige Flächen mit unzähligen Bestandsgebäuden für eine Nachnutzung zur Verfügung. Wie die Konversion durch richtigen Umgang mit dem Vorhandenen und sinnvolle Weiterentwicklung des Bestandes mit Unterstützung der Städtebauförderung gelingen kann, zeigen folgende vier Beispiele.

Attraktiver Wohnraum für Familien in historischen Objekten

In Schwabach wurden frühzeitig Leitlinien für die künftige Nutzung des 22 Hektar großen innerstädtischen Areals der ehemaligen O´Brien-Barracks festgelegt. Anfangs stand noch die Ansiedlung von Gewerbe und Verwaltungseinrichtungen im Vordergrund. Mit dem Ziel, einen lebendigen Ortsteil zu entwickeln, hat die Stadt Schwabach im Laufe der Jahre jedoch geeignete Grundstücke erworben und in markanten, erhaltenswerten Kasernengebäuden Kultur- und Bildungseinrichtungen untergebracht. Insbesondere die Anlage eines Museumsparks und die Erweiterung des in einem ehemaligen Kasernengebäude angesiedelten Stadtmuseums haben dem Standort zu einem städtebaulichen Qualitätsgewinn verholfen. Mit der Sanierung der Bestandsgebäude hat die Stadt Schwabach ein Zeichen für den Erhalt gesetzt. Durch gezielte Investitionen der Stadt wurde das ehemalige Kasernenareal zunehmend auch für Wohnnutzung attraktiv. Weitere historische Objekte wie die denkmalgeschützten Stallungen, das Casino und ehemalige Mannschaftsgebäude wurden von privaten Investoren erworben und saniert. Die umgenutzten Gebäude mit ihrem ganz eigenen Charakter werden am Wohnungsmarkt sehr gut angenommen und sind besonders bei jungen Familien beliebt. Das Schwabacher Beispiel zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten und Vorteile für hochwertigen Wohnraum im Bestand, der eine echte Alternative zu Neubausiedlungen am Ortsrand bietet.

Kostengünstiger Wohnraum im Bestand der 30er Jahre

Durch den Abzug von 8.000 amerikanischen Soldaten aus der Rhön-Kaserne in Wildflecken kam die bis dahin gute Entwicklung der Gemeinde zum Stillstand. Eine besondere Aufgabe im Rahmen der Konversion stellte der Umgang mit den leerstehenden Wohnungen aus den 1930er Jahren dar. Während anfangs der Abriss und der anschließende Neubau von Einfamilienhäusern geplant war, wurde dies im Laufe des Planungsprozesses aus städtebaulichen, volkswirtschaftlichen und insbesondere sozialen Gründen ausgeschlossen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde das Wildfleckener Modell entwickelt:


  • Die Marktgemeinde erwirbt die Grundstücke mit den Gebäuden vom Bundesvermögensamt zum reinen Bodenwert.
  • Die Grundstücke werden aufgeteilt und einzeln weiterverkauft. Zum Gebäude mit je vier bis fünf Wohneinheiten wird auch Miteigentum an den Nebenanlagen veräußert.
  • Die Verkaufspreise liegen je Grundstück zwischen 40.000 Euro und 52.000 Euro.
  • Im Kaufpreis enthalten sind die Kosten für den Gasanschluss sowie der Erneuerung des Kanalanschlusses und eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 10.000 Euro.
  • Ebenfalls im Kaufpreis enthalten ist eine Modernisierungspauschale in Höhe von 20.000 Euro für die Erneuerung der sanitären Einrichtungen, der Heizungsanlage und der Dachdämmung. Der Erwerber erhält diesen Betrag zurück, sobald er entsprechende Maßnahmen innerhalb von zwei Jahren nachweist.
  • Voraussetzung für den Erwerb ist, dass mindestens eine Wohneinheit pro Objekt vom jeweiligen Eigentümer für die Dauer von zehn Jahren selbst bewohnt wird.

Am Wildfleckener Modell wird deutlich, dass der Erhalt der Gebäude – auch wenn sie einfach sind und einen niedrigeren Ausbaustandard haben – bedeutende Vorteile bietet. Durch den guten baulichen Zustand können diese sofort genutzt und bewohnt werden. Jeder Käufer kann sich für ein Eigenheim entscheiden, das seinem persönlichen Bedarf und seinen finanziellen Möglichkeiten entspricht. Durch die Modernisierungspauschale wird zudem ein Anreiz geschaffen, den Wohnwert zu heben.

Bestandsgebäude als Grundlage für die städtebauliche Entwicklung

Die Umstrukturierung des ehemaligen Fliegerhorsts Fürstenfeldbruck hat aufgrund der Größe mit 180 Hektar und der Nähe zur Innenstadt eine ausgeprägte städtebauliche Bedeutung. Von den Bestandsgebäuden mit rund 130.000 Quadratmetern Grundfläche stehen über 50.000 Quadratmeter unter Denkmalschutz. Allein das ehemalige Mannschaftsgebäude, an zentraler Stelle des Areals, verdeutlicht mit seiner Länge von 1.000 Metern die Dimension des Gebäudebestandes. Das Wohnen in diesen Gebäuden wird einen besonderen Stellenwert erhalten und das Gebiet maßgeblich prägen. Als erste Stufe werden sämtliche Gebäude umfangreich untersucht. Dabei werden die im Bestand gebundenen Energien und Ressourcen ebenso berücksichtigt wie die vorhandenen architektonischen, sozialen und historischen Potenziale. Für die Gebäude werden beispielhaft Weiterentwicklungs- und Nutzungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Varianten aufgezeigt. Diese Voruntersuchungen und vertieften Darstellungen für den Gebäudebestand bilden dann die Grundlage für einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb. So erhalten die Wettbewerbsteilnehmer klare Vorgaben für den Umgang mit dem Vorhandenen und deren Nachnutzungsmöglichkeiten. Der Gebäudebestand steht damit im Mittelpunkt der weiteren Entwicklungen; er bildet den Rahmen für die im nächsten zeitlichen Abschnitt neu zu bebauenden Flächen.

Amerikanisches Lebensgefühl durch die Housing-Areas

Auch die städtebauliche Entwicklung der ca. 200 Hektar großen ehemaligen Warner-Barracks in Bamberg ist stark bestandsorientiert. So stehen beispielsweise 13 baugleiche Mehrfamilienhäuser aus den frühen 50er Jahren mit rund 200 Wohneinheiten im Bereich der Flynn-Family-Housing am Lindenanger für eine Nachnutzung zur Verfügung.

Sie verkörpern den typischen Baustil der Housing-Areas ehemaliger US-Militärareale. Die Grundrisse der Wohnungen sind mit rund 130 Quadratmeter relativ groß, die Räume sind allerdings anders aufgeteilt als in Deutschland üblich: Den Mittelpunkt der Wohnungen bildet der „Livingroom” mit ca. 40 Quadratmeter; zudem gibt es noch je zwei bis drei Zimmer mit rund 20 Quadratmeter, Küche, Bad, aber kein zusätzliches Gäste-WC.

Ohne Trittschalldämmung sind die Wohnungen entsprechend hellhörig. Würden die Grundrisse dem Gewohnten angepasst, die Außenwände energetisch optimiert, eine Trittschalldämmung nachgerüstet werden, dann würden die Sanierungskosten schnell in Dimensionen steigen, die Abbruch und Neubau wirtschaftlicher erscheinen lassen.

Doch gerade dieses Lebensgefühl, das die amerikanischen Gäste in die Stadt gebracht haben, gibt den Gebäuden das Besondere und Werthaltige – auch wenn sie nicht dem deutschen Standard entsprechen. Es ist ein großer Vorteil, dass die Stadt Bamberg die Gebäude zu einem vernünftigen Preis von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erwerben kann.

Die Gewinnmaximierung steht hier nicht im Vordergrund und so kann versucht werden, mit Ausbauvarianten in unterschiedlichen Standards kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Auch verschiedene Bauherren- und Eigentümermodelle können zur Durchmischung der Bewohner beitragen. Im Rahmen der Städtebauförderung werden dazu unterschiedliche Modelle erprobt.

Fazit

Die Schließung und Reduzierung von Militärstandorten ist eine Aufgabe, bei der die Oberste Baubehörde im bayerischen Innenministerium und die Kommunen seit den 1990er Jahren eng zusammenarbeiten. Eine neue, zivile Nutzung zu finden, bei der vorhandene Gebäude erhalten und wieder mit Leben erfüllt werden können, ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine besondere Chance für die Stadt- und Ortsentwicklung. Mit Mitteln der Städtebauförderung werden die Gemeinden bei den Vorbereitungsmaßnahmen und auch bei der Umsetzung der Projekte finanziell unterstützt.

Mit der Arbeitshilfe „Städtebauförderung in Bayern – Militärkonversion” liefert die Oberste Baubehörde den Kommunen eine umfangreiche Beispielsammlung zu möglichen Strategien sowie eine fundierte fachliche Grundlage zu den erprobten Rechts- und Verfahrensinstrumenten. Auf der folgenden Internetseite kann das Dokument direkt im PDF-Format heruntergeladen werden. Ebenso können kostenlos Papier-Exemplare bestellt werden.

 

Thomas Mühlender

Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern,
für Bau und Verkehr, Sachgebiet Städtebauförderung, München
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