15.12.2015

Das neue Bundesmeldegesetz

Kritische Anmerkungen zu den wesentlichen Änderungen

Das neue Bundesmeldegesetz

Kritische Anmerkungen zu den wesentlichen Änderungen

Die Problematik der gesetzlichen Regelungen im Meldewesen darf nicht unterschätzt werden. | © WoGi - Fotolia
Die Problematik der gesetzlichen Regelungen im Meldewesen darf nicht unterschätzt werden. | © WoGi - Fotolia

Am 1. November 2015 ist das Bundesmeldegesetz (BMG) endlich in Kraft getreten. Eigentlich hätte das schon ein halbes Jahr früher, nämlich am 1. Mai 2015, geschehen sollen. Man hatte jedoch die Schwierigkeiten, vor allem der EDV-technischen Umstellung auf die neuen Regelungen, unterschätzt. Und dies trotz einer von vornherein auf zwei Jahre bemessenen Vorlaufzeit für die Umsetzung dieses Gesetzes, das bereits im Mai 2013 als Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens verkündet worden war (siehe BGBl. I 2013, 1084 v. 08. 05. 2013)!

Änderungen des Gesetzes bereits vor seinem Inkrafttreten

Schon dieser zeitliche Ablauf mahnt, den Schwierigkeitsgrad des Meldewesens und der für dieses Gebiet getroffenen gesetzlichen Regelungen keinesfalls zu unterschätzen. Ihre Tücken zeigen sich auch daran, dass das Bundesmeldegesetz noch vor seinem Inkrafttreten fast ein halbes Dutzend Mal geändert werden musste. Rein äußerlich hatten diese Änderungen jeweils nur einen geringen Umfang. Wie wenig dies jedoch oft besagt, belegt die aktuell letzte Änderung durch Art. 4 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. 10. 2015 (BGBl. I, 1722). Sie betraf die Umsetzung der Meldepflicht von Asylbewerbern. Damit ist sie allein in diesem Jahr voraussichtlich für mehr als 1 Million Menschen von Bedeutung, die neu in die Bundesrepublik eingereist sind. Dabei liegen von ihnen bisher in aller Regel keinerlei Daten in den Melderegistern vor.

Zwei herausragende Neuerungen

Unter den zahlreichen Neuerungen des Bundesmeldegesetzes ragen zwei hervor, die im Laufe ihres Lebens nahezu alle Bürgerinnen und Bürger irgendwann einmal betreffen. Es handelt sich zum einen um die Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der Anmeldung und zum anderen um den bedingten Sperrvermerk für Bewohner von Pflegeheimen. Diese beiden Rechtsinstitute sollen deshalb im Folgenden näher betrachtet werden. Dabei sind jeweils auch kritische Anmerkungen veranlasst.


Neu: Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers

Die Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der Anmeldung findet auch in der breiten Öffentlichkeit deutliche Aufmerksamkeit. Sie betrifft alle Personen, die – in der Regel aus dem Ausland kommend – erstmals eine Wohnung in Deutschland beziehen, außerdem sämtliche Personen, die innerhalb Deutschlands umziehen. Insgesamt sind das pro Jahr über 10 Millionen Personen. Sie alle sind seit dem 1. November 2015 verpflichtet, bei der Anmeldung eine Bestätigung des Wohnungsgebers vorzulegen. Diese Bestätigung soll sicherstellen, dass die bei der Anmeldung angegebene Wohnung auch tatsächlich bezogen wird und dass nicht nur eine Scheinanmeldung vorliegt. Solche Scheinanmeldungen kommen in der Praxis häufiger vor, als man glauben sollte. Die Motive hierfür sind ganz unterschiedliche Natur. Sie reichen von dem eher harmlosen Wunsch, unberechtigt an einen Anwohnerparkausweis zu kommen, bis hin zum Missbrauch einer Adresse für hochkriminelle Aktivitäten wie Fahrzeugschiebereien oder gar Menschenhandel.

Standardfall: Bestätigung des Vermieters

In der Praxis läuft die Mitwirkung des Wohnungsgebers (im Detail geregelt in § 19 BMG) beim Standardfall des Anmietens einer neuen Wohnung wie folgt ab:

  • Beim Abschluss des Mietvertrages stellt der Vermieter eine Bestätigung aus. Sie muss außer dem Namen und der Anschrift des Vermieters (in seiner Eigenschaft als Wohnungsgeber) die Anschrift der vermieteten Wohnung sowie die Namen aller meldepflichtigen Personen enthalten (also nicht nur den Namen des oder der Mieter, etwa die Namen eines Ehepaares, das die Wohnung gemeinsam mietet, sondern außerdem beispielsweise noch die Namen aller Kinder, die mit in die Wohnung einziehen).
  • In der Bestätigung gibt der Vermieter außerdem das Datum des Einzugs an. Es liegt regelmäßig Tage, wenn nicht Wochen später. Die Bestätigung selbst dagegen trägt das Datum des Tages, an dem sie ausgestellt wird.
  • Damit wäre die Bestätigung an sich rechtlich gesehen unbrauchbar. Aus ihr ergibt sich nämlich ganz offensichtlich, dass der Einzug noch nicht erfolgt sein konnte, als die Bestätigung ausgestellt wurde.
  • Gleichwohl wird die Meldebehörde das Einzugsdatum so akzeptieren. Allerdings wird sie in der Regel zur Sicherheit noch einmal kurz nachfragen, ob es tatsächlich auch bei diesem Einzugsdatum geblieben ist.
  • Falls sich das Datum verschoben hat (etwa, weil die Renovierung der neuen Wohnung länger gedauert hat als geplant), entsteht für den Bürger im Regelfall kein zusätzlicher „Stress”. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes trifft für solche Fälle in ihrer Ziffer 19.1 folgende Regelung: „Sofern das von der meldepflichtigen Person mitgeteilte Datum des Ein- oder Auszugs vom durch den Wohnungsgeber mitgeteilten Datum abweicht, soll in der Regel das von der meldepflichtigen Person mitgeteilte Datum im Melderegister gespeichert werden.” Im Klartext: Die Meldebehörde wird nicht etwa fordern, dass eine neue Bescheinigung vorgelegt wird, die erst nach dem tatsächlichen Einzug ausgestellt wurde. Vielmehr wird sie das abweichende Einzugsdatum eintragen, das ihr der Bürger nennt. Ge-nauer nachhaken wird sie nur, wenn der Eindruck entsteht, es solle etwas manipuliert werden.

Bezug der eigenen Wohnung

Sollte ein Bürger neu in eine Wohnung einziehen, deren Eigentümer er ist, ist er gewissermaßen sein eigener Wohnungsgeber. In diesem Fall genügt es, dass er der Meldebehörde versichert, selbst Eigentümer zu sein (in der Praxis als „Eigenerklärung” bezeichnet). Nachweisen muss er sein Eigentum in der Regel nicht. Sofern er aber beispielsweise den notariellen Kaufvertrag leicht zur Hand ist, kann es sinnvoll sein, ihn zur Anmeldung vorsichtshalber mitzubringen.

Fall der Untermiete

In Fällen der Untermiete ist der Hauptmieter Wohnungsgeber, nicht etwa der „eigentliche” Vermieter, mit dem der Hauptmieter seinerseits einen Mietvertrag hat. Diese lebensnahe Regelung trifft Ziffer 19.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift.

„Zusammenziehen” aufgrund persönlicher Beziehung

Versäumt hat man es, im Gesetz oder in der Verwaltungsvorschrift den alltäglichen Fall ausdrücklich zu regeln, dass bei einem Mieter/einer Mieterin die Partnerin/der Partner in die Wohnung mit einzieht. Die meisten Meldebehörden behandeln diese Konstellation im Ergebnis wie eine Untermiete und fordern eine Bestätigung des Mieters der Wohnung, also des Partners, der die Wohnung bisher allein innehatte. Manche Meldebehörden verzichten in solchen Fällen jedoch auch völlig auf eine Bestätigung. Sie sind der Auffassung, ein solches „Zusammenziehen” habe rein persönliche Motive und sei nicht als „Wohnungsvergabe” zu bewerten. Diese Sichtweise ist in Baden-Württemberg besonders häufig. Dort bestand bis vor etwa 15 Jahren nach damaligem Landesrecht eine Bestätigungspflicht des Wohnungsgebers und es war üblich, in den Fällen des „Zusammenziehens” keine Bestätigung zu fordern.

Erfolg der Neuregelung zweifelhaft

Ob die Bestätigungspflicht des Wohnungsgebers wirklich dazu führen wird, dass es weniger Scheinanmeldungen gibt, kann man nach den früheren Erfahrungen mit entsprechenden Regelungen bezweifeln. Sie wurden damals nämlich letztlich wegen fehlender Effektivität abgeschafft. Die Belastung des Bürgers hält sich allerdings in Grenzen. Das Bestätigungsformular kann beliebig gestaltet sein, sofern es alle notwendigen Angaben enthält. Muster stellen die Meldebehörden durchweg gratis auf ihrer Homepage zur Verfügung. Für die Meldebehörden allerdings ist der Zusatzaufwand beachtlich. Die „wenigen Minuten” je Anmeldevorgang, um eine vorgelegte Bestätigung zu prüfen und etwaige Fragen des Bürgers zu beantworten, addieren sich für sie bei größeren Meldebehörden so sehr, dass in Großstädten zusätzliches Personal eingestellt werden musste.

Neu: Bedingter Sperrvermerk (u. a. für Bewohner von Pflegeheimen)

Den Meldebehörden macht zudem eine Neuerung zu schaffen, die vor allem sämtliche Bewohner von Pflegeheimen betrifft. Für sie ist künftig im Melderegister ein „bedingter Sperrvermerk” einzutragen. Er bewirkt, dass der betroffene Bewohner anzuhören ist, bevor über ihn eine Melderegisterauskunft erteilt wird (siehe § 52 BMG). Dies hört sich denkbar harmlos an, löst aber beträchtliche Arbeitsabläufe aus:

  • Melderegisterauskünfte erfolgen am häufigsten in Form einer „einfachen Melderegisterauskunft” (geregelt in § 44 BMG). Dabei geht es regelmäßig um die Bestätigung, dass die Anschrift eines Bürgers, die beispielsweise bei einem Versandhaus gespeichert ist, nach wie vor aktuell ist bzw. darum, die jetzt aktuelle Anschrift des Bürgers zu erfahren.
  • Solche Auskünfte werden standardmäßig erteilt, ohne den betroffenen Bürger auch nur darüber zu informieren. Eine solche Information schreibt das Gesetz auch nicht vor. Der Grund: Es geht davon aus, dass die eher banale Auskunft den Bürger durchweg nicht belastet.
  • Ist ein bedingter Sperrvermerk eingetragen, blockiert er dieses äußerst einfache Vorgehen. Stattdessen muss der betroffene Bürger ausdrücklich angehört werden (schriftlich mit einer Fristsetzung von in der Regel zwei Wochen, siehe dazu Ziffer 52 22.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift).
  • Dies verursacht zwar Aufwand, wäre aber aus der Sicht einer Meldebehörde in der Regel noch hinnehmbar. Das auch deshalb, weil gerade Bewohner von Pflegeheimen sich in der Regel im Rahmen der Anhörung schlicht nicht äußern werden.
  • Mancher meint, die einfache Melderegisterauskunft könne mit einer leichten Zeitverzögerung schließlich doch erteilt werden, falls sich der betroffene Einwohner nicht äußert. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift belehrt uns hier aber eines Besseren.
  • Sie weist – durchaus zutreffend – darauf hin, dass eine Auskunftserteilung für den Betroffenen belastend wirke (so Ziffer 52.0.4). Daraus zieht sie den Schluss, dass der betroffenen Person ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid zu übermitteln ist, falls nach der Anhörung eine Auskunft erfolgen soll. Dieser Bescheid muss die beabsichtigte Erteilung der Auskunft ankündigen (so Ziffer 52.2.2).
  • Die Rechtsbehelfsfrist beträgt einen Monat (siehe § 70 Abs. 1 VwGO, soweit das Landesrecht die Möglichkeit des Widerspruchs vorsieht bzw. § 74 VwGO, soweit das Landesrecht nur die Möglichkeit der direkten Klage eröffnet). Dies allein verzögert die Erteilung der einfachen Melderegisterauskunft um 6-8 Wochen. Zu berücksichtigen sind nämlich neben der Rechtsbehelfsfrist die Postlaufzeit, die Wiedervorlage usw. Hinzu kommt die zeitliche Verzögerung von ungefähr drei Wochen durch die schon erwähnte Anhörung.
  • Schneller als nach knapp drei Monaten wird deshalb künftig eine einfache Melderegisterauskunft über den Bewohner eines Pflegeheims auch in völlig problemlosen Fällen kaum noch zu erhalten sein.
  • Sollte der Bewohner außerdem noch Rechtsbehelfe (je nach Landesrecht Widerspruch und/oder Klage) ergreifen, ist die zeitliche Verzögerung nicht mehr kalkulierbar. Mit Bangen sehen viele Meldebehörden dem Unverständnis von Antragstellern über solche Abläufe entgegen.

Erheblicher Aufwand ohne klar definierten Nutzen

Fragt man danach, was der Sinn eines bedingten Sperrvermerks ist, so fällt die Antwort schwer. Die Gesetzesbegründung schweigt dazu ebenso wie die Verwaltungsvorschrift. Einzutragen ist ein bedingter Sperrvermerk für die Bewohner völlig unterschiedlicher Einrichtungen. Dazu zählen neben Pflegeheimen vor allem noch (zu weiteren Details siehe § 52 Abs. 1 BMG):

  • Justizvollzugsanstalten
  • Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber (dagegen nicht einer Gemeinschaftsunterkunft im Rahmen der Anschlussunterbringung nach der Erstaufnahme!)
  • Einrichtungen zum Schutz vor häuslicher Gewalt („Frauenhaus”)
  • Einrichtungen zur Behandlung von Suchterkrankungen.

Diese Einrichtungen haben letztlich nichts miteinander gemeinsam, außer vielleicht den Umstand, dass man sich dort in der Regel nur aufhält, wenn es nicht zu vermeiden ist. Auch mag es sein, dass eine derartige Wohnanschrift Diskriminierungen nach sich ziehen kann. Dieser Gedanke trägt allerdings bei einem Pflegeheim nicht. Sich dort als pflegebedürftiger Mensch aufhalten zu müssen, hat gewiss nichts Ehrenrühriges an sich. Somit lässt sich im Ergebnis nur feststellen, dass der Gesetzgeber – warum genau auch immer- auf der Basis mutmaßlich diffuser Annahmen die Eintragung eines Sperrvermerks für ganz unterschiedliche Einrichtungen angeordnet hat.

Für Antragsteller zieht ein Sperrvermerk erhebliche Verzögerungen bei der Erteilung von Melderegisterauskünften nach sich. Dabei sind diese Auskünfte größtenteils völlig banal. Für die Meldebehörden bewirkt ein Sperrvermerk einen Mehraufwand, der sich in Großstädten zu kompletten „Mann- bzw. Frau-Kapazitäten” aufaddiert. Abzuwarten bleibt deshalb, ob die Regelung in der vorliegenden Form auf Dauer Bestand haben wird.

 

Dr. Eugen Ehmann

Regierungspräsident
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