15.12.2015

Gefahrenpotenzial der Grauen Wölfe

Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland

Gefahrenpotenzial der Grauen Wölfe

Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland

Die Symbolik des Wolfes entstammt der türkischen Mythologie.
Die Symbolik des Wolfes entstammt der türkischen Mythologie.

Die türkischen Grauen Wölfe (Bozkurtlar), oder auch Ülkücü-Bewegung (Bewegung der Idealisten) genannt, sind seit Jahren im Visier deutscher Sicherheitsbehörden. Nicht nur im Rahmen der beiden Wahlkämpfe in diesem Jahr in der Türkei, sondern auch durch das politische Erstarken der Kurden hetzen Anhänger der Grauen Wölfe hierzulande und rufen zur Gewalt v.a. gegen Kurden, Griechen und Armenier auf. Während nach solchen expliziten Aufrufen ein kurdischer Jeside durch einen Messerangriff in Hannover beinahe getötet wurde, finden sich eher wenige Berichte in den Medien. Derweil steigt die Zahl gerade junger Anhänger auch in Deutschland.

Ursprung, Überzeugung und Ausprägung in der Türkei

Die Ideologie der Ülkücü-Bewegung basiert auf den Vorstellungen Alparslan Türkeş, der 1961 die Partei MHP (Milliyetçi Hareket Partisi = Partei der nationalistischen Bewegung) gründete und deren Vorsitzender er war. Zwischen 1965 und 1970 bekam der türkische Ultranationalismus eine faschistische Massenbewegungsform und Türkeş etablierte als ehemaliger Offizier einen Führerkult um seine Person. Jedes MHP-Mitglied musste ihn mit dem Titel Basbugum (mein Führer) anreden. Gemäß seinen auch schriftlich niedergelegten Ansichten sei das türkische Volk anderen Völkern überlegen und setze diese herab. Die Symbolik der drei Halbmonde steht für den Anspruch der Herrschaft über die drei Kontinente Asien, Afrika und Europa unter einem vereinigten Turkvolk in der Religion des sunnitischen Islam. Die Symbolik des Wolfes entstammt der türkischen Mythologie, wonach die Wölfin Asena das türkische Volk vor der Unterwerfung gerettet und aus Zentralasien in das Gebiet der heutigen Türkei geführt habe. Mit erhobener rechter Hand, die einen Wolfskopf symbolisieren soll, zeigen sie daher den „Wolfsgruß“. Die Anhänger empfinden noch heute eine weltliche Unterdrückung des türkischen Volkes und ihres Stolzes. Die MHP ist derzeit in der Großen Nationalversammlung der Türkei vertreten. Eine weitere rechtsextreme und gleichzeitig islamistische Partei, die ebenfalls der Bewegung der Grauen Wölfe nahesteht, ist die BBP (Büyük Birlik Partisi = Große Einheitspartei). Jugendverbände der BBP nennen sich Alperen Ocaklar (Unterschlupf).

Auftreten und Vereinswesen in Deutschland

Längst sind die Grauen Wölfe auch in Deutschland angekommen. Bereits 1978 wird die Türk Federasyon (ADÜTDF), die Auslandsabteilung der MHP, in Frankfurt am Main gegründet. Dies sogar mit Unterstützung der deutschen Politik. Die ADÜTDF orientiert sich an der Ideologie und Politik der MHP und ist dem türkischen rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen und wird deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet. In der Türkei wurde die MHP von 1981 bis 1987 verboten. Gleichzeitig werden in Deutschland zwei weitere Organisationen der Grauen Wölfe gegründet: Die ATIB in Köln und die ATB (Avrupa Türk Birliği = Verband der türkischen Kulturvereine in Europa) in Frankfurt am Main, die die BBP in Europa vertreten. Die drei Dachorganisationen Türk Federasyon, ATIB und ATB unterhalten heute bundesweit rund 303 Vereine mit etwa 20.000 Mitgliedern. Zentralrat der Muslime, dem gehört neben anderen Verbänden auch der Dachverband ATIB an, ein türkisch-islamischer Kulturverein, der sich in den achtziger Jahren von der Türk Federayson abgespalten hat. In Deutschland treten gerade die jugendlichen Anhänger der Grauen Wölfe als nicht-organisationsgebunden auf.


Personen- und Gewaltpotenzial

Die Wahlen in der Türkei im Mai 2015 zeigten auch in Deutschland eine hohe Anzahl an Sympathisanten. Knapp 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken in Deutschland durften bereits vom 8. bis 31. Mai in den türkischen Generalkonsulaten wählen, davon machten rund 480.000 Wähler Gebrauch. Die MHP erhielt 9,7 Prozent der Stimmen von türkischen Wählern in Deutschland. Insgesamt erzielte die Partei knapp 16,5 Prozent, womit sie sich leicht gegenüber den letzten Wahlen verbessern konnten. Entsprechend muss man neben den ca. 47.000 Wählern der MHP von noch weiteren Sympathisanten der Grauen Wölfe ausgehen. Aktuell erscheinen die Grauen Wölfe gerade für junge Menschen attraktiv.

Gewalt ist die von den Ülkücü-Jugendlichen am häufigsten erwähnte Lösung, um Verhaltensweisen und Ideen, die von ihnen als „unsittlich“, „dreckig“, „antitürkisch“ oder „schädlich“ wahrgenommen werden, zu beseitigen. Der deutsche Nationalsozialismus und insbesondere die Person Hitlers als Bekämpfer der Juden, werden glorifiziert.

Gewalttaten, Attentate und Anschläge gehören zur Tradition der Grauen Wölfe. Der Attentäter Mehmet Ali Ağca, der 1981 auf Papst Johannes Paul II. schoss, gehörte der Vereinigung an. Ein weiterer bekannter Anschlag erfolgte 1984 in Berlin, bei dem eine Frau stirbt und die türkisch-kurdische Publizistin Seyran Ateş lebensgefährlich verletzt wird. Neben dem Kurden als Adressat von Hass und Gewalt, richten sich die Aggressionen gegen alle Strömungen, die nach Auffassung der Grauen Wölfe ihren Herrschaftsanspruch unterminieren. Dazu zählen neben Kurden auch Armenier und Griechen, sowie Juden und Christen; häufig allerdings auch Aleviten, da die Ausrichtung nicht nur nationalistisch, sondern auch sunnitisch-islamistisch geprägt ist. Als praktizierende Antisemiten empfinden sie Sympathien für die Person Hitlers und verehren ihn, wie viele andere islamistische Gruppierungen im Übrigen auch als wirksamen Bekämpfer der Juden.

Nachdenken über Verbot

Trotz der hochgradig rassistischen und ultranationalistischen Ideologie sind die Grauen Wölfe und entsprechende Vereine und Ableger der türkischen MHP und BBP bislang in Deutschland nicht verboten. Allerdings sind die Jugendgruppen nicht an Vereine gebunden, jedoch nutzen sie die Infrastruktur der eingetragenen Vereine. Auch die Symboliken der Grauen Wölfe sind nicht verboten, sofern sie nicht auf das Hakenkreuz oder andere Symbole des NS-Regimes zurückgreifen. Ein Verbot alleine hilft jedoch nicht, die Ideologie als solche wirksam zu bekämpfen. Hierzu bedarf es Aufklärungskonzepte, die gezielt junge Menschen mit türkischem Migrationshintergrund ansprechen.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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