14.03.2025

Kostenerstattungsanspruch bei Aufnahme in ein Frauenhaus

Urteil des Bundessozialgerichts

Kostenerstattungsanspruch bei Aufnahme in ein Frauenhaus

Urteil des Bundessozialgerichts

Ein Beitrags aus »Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrags aus »Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)« | © emmi - Fotolia / RBV

Sucht eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht, ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten. Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach ist ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der kommunalen Träger durch eine Flucht der leistungsberechtigten Frau und ggf. ihrer Kinder vom bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in ein Frauenhaus. Erstattungsverpflichtet ist der kommunale Träger am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb eines Frauenhauses („Herkunftskommune“). Erstattungsberechtigt ist die Kommune, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich i. S. d. § 36 SGB II das Frauenhaus gelegen ist.

Der Wortlaut der Vorschrift schließt eine gleichwohl bestehende Kostenerstattungsverpflichtung des kommunalen Trägers am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts nach weiteren Aufenthaltswechseln nicht aus. Die Regelung bezweckt die Vermeidung der einseitigen Kostenbelastung derjenigen kommunalen Träger nach dem SGB II, die ein Frauenhaus unterhalten.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls tatrichterlich festzustellen und im Rahmen einer voraus-schauenden Betrachtung zu würdigen. Aus dieser prognostischen Beurteilung folgt zugleich, dass der gewöhnliche Aufenthalt bereits begründet sein kann beim Eintreffen am Einrichtungsort und nicht erst nach einem längeren Aufenthalt vor Ort.


Nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung zum Schutz der Einrichtungsorte vor einer Kostentragung (vgl. § 98 Abs. 2 i. V. m. § 109 SGB XII) bedarf dieser Schutz einer Vorverlagerung im Hinblick auf einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Ortes, an dem der Hilfebedürftige in die Einrichtung aufgenommen worden ist. Würde eine solche, auch nur kurzfristige Aufenthaltsbegründung außerhalb der Einrichtung Anknüpfungspunkt für die Kostentragung sein, liefe der Schutz des Einrichtungsorts weitgehend leer. Dieser Schutz gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine Person in der Absicht, später in eine Einrichtung aufgenommen zu werden, den Ort der Einrichtung aufsucht, und nur eine vorübergehende Zeit außerhalb der Einrichtung bis zur Aufnahme überbrücken muss und will.

Diese Grundsätze sind trotz unterschiedlicher Regelungsstruktur auf § 36 a SGB II zu übertragen. Der Gesetzeszweck – Schutz des Einrichtungsorts – ist identisch. Identisch ist auch die gesetzgeberische Grundaussage sowohl im SGB XII als auch im SGB II, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt durch eine Aufnahme in eine Einrichtung außer Betracht bleiben soll.

Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der aufnehmenden Kommune (zunächst) außerhalb eines Frauenhauses steht dann einer Erstattungspflicht der Herkunftskommune nicht entgegen, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in der Absicht begründet worden ist, in das Frauenhaus vor Ort aufgenommen zu werden und nur eine vorübergehende Zeit außerhalb der Einrichtung bis zur Aufnahme zu überbrücken ist (Urteil des BSG vom 8. 3. 2023, FEVS 75, 193).

Entnommen aus der ZfF Heft 9/2024.

 

Wolfgang Glatzel

Fachbereich Soziales der Landeshauptstadt Hannover
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