24.03.2025

Rechtliche Rahmenbedingungen für Aufbau und Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes

Wie der Gesetzgeber Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur absichert und welche rechtlichen Herausforderungen dabei bestehen

Rechtliche Rahmenbedingungen für Aufbau und Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes

Wie der Gesetzgeber Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur absichert und welche rechtlichen Herausforderungen dabei bestehen

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Wasserstoff ist im Rahmen der Energiewende zuletzt zunehmend in den Mittelpunkt gerückt: Als so genannter grüner Wasserstoff soll er künftig unter anderem Erdgas bei Industrieanwendungen ersetzen. Seine Nutzung in der Fläche erfordert den raschen Aufbau einer leitungsgebundenen Transportinfrastruktur (sog. Wasserstoff-Kernnetz), deren Aufbau erheblichen Investitionsbedarf hervorruft. Hierauf hat der Gesetzgeber mit mehreren Änderungen des EnWG reagiert und im Mai 2024 einen staatlichen Garantiemechanismus geschaffen, der das Investitionsrisiko für die Errichtung des Wasserstoff-Kernnetzes verringern soll. Der Beitrag unterzieht den nun geschaffenen Rechtsrahmen einer ersten rechtlichen Bewertung.

I. Einführung

Seit nunmehr rund 25 Jahren sind die deutsche Energiepolitik und mit ihr das Energierecht in stetiger und unlängst wieder zunehmender Bewegung: Zuletzt erfolgten im Vierteljahres-Rhythmus energiepolitische Weichenstellungen und Kurskorrekturen1. Teilweise erscheinen die entsprechenden Reformen als Reaktion auf externe Faktoren; das gilt zum Beispiel für die im Nachgang des offenen und umfassenden russischen Angriffs auf die Ukraine2 eingeführten Energiepreisbremsen3 oder die Regelungen zur Beschleunigung des Ausbaus von Flüssiggas (LNG)-Terminals4.

Häufig sind sie aber das Produkt selbst gewählter energiepolitischer Weichenstellungen. Das betrifft insbesondere auch den Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung. Dieser hat wegen der Volatilität der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und gleichzeitig in Deutschland fehlender Speicherkapazitäten nach dem angestrebten Ende der Kohleverstromung zum zunehmenden Rückgriff auf Gaskraftwerke geführt, mit denen rasch auf Verbrauchsspitzen reagiert werden kann5. Zusammen mit der verbreiteten Nutzung von Erdgas als Heizenergieträger hat dies die Abhängigkeit vom Erdgas erhöht; zugleich wurde das Erdgas bis 2022 in großen Teilen von Russland bezogen6. Die Schwachstellen7 dieser selbst gewählten strategischen Abhängigkeit von russischem Erdgas sind nach der offenen Invasion der Ukraine durch Russland in aller Deutlichkeit zutage getreten8. Zudem hat die Lösung aus dieser Abhängigkeit wegen der fehlenden Möglichkeit zur kurzfristigen Substitution von Erdgas zum vermehrten Rückgriff auf Flüssiggas geführt, dessen Preis sehr volatil ist9, und das seinerseits teils von schwierigen Partnern bezogen wird10.


Zugleich ist Erdgas zwar ein vergleichsweise sauberer Energieträger, aber keineswegs emissionsneutral11. Vor diesem Hintergrund ist zuletzt sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zunehmend die Ersetzung von Erdgas durch Wasserstoff erwogen worden, der unter Einsatz von erneuerbaren Energien emissionsneutral gewonnen werden kann.

Dieser so genannte erneuerbare oder auch „grüne“ Wasserstoff12 soll im künftigen Energiemix eine wesentliche Rolle spielen 13. Grüner Wasserstoff soll dabei etwa Erdgas besonders für Industrieanwendungen ersetzen, er kann aber zum Beispiel auch als Treibstoff für Brennstoffzellen eingesetzt werden; daneben kann Wasserstoff insbesondere auch als Zwischenspeicher für elektrische Energie genutzt werden14. Das Fehlen ausreichender Speichermöglichkeiten für Strom in größerem Umfang war bislang schon in der Theorie die Achillesferse der deutschen Energiewendepolitik15. Gerade die Speicherfähigkeit von (grünem) Wasserstoff ist daher von zentraler Bedeutung: Damit besteht erstmals eine auch in Deutschland prinzipiell realisierbare Möglichkeit16 zur großtechnischen Zwischenspeicherung von aus erneuerbaren Energien erzeugtem Strom, für die zudem auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden kann – die bestehenden Gaskavernenspeicher17 (II.).

Dabei erfordert der angestrebte verbreitete Einsatz von Wasserstoff auch entsprechende leitungsgebundene Transportkapazitäten. Nach der deutschen Wasserstoff-Strategie von 202018, die 202319 fortgeschrieben wurde, soll die nötige Infrastruktur teils durch Umstellung bestehender Erdgas-Leitungen und teils durch die Errichtung neuer Leitungen geschaffen werden. Die höchste und mit Autobahnen vergleichbare Ebene dieser Wasserstoff-Infrastruktur, das so genannte Wasserstoff-Kernnetz, soll nach den aktuellen Planungen bis 2032 vollendet sein (III.1.).

Der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes setzt zum einen die Anpassung der planungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Bau der entsprechenden Netze voraus (III.2.). Zum anderen verursachen sowohl die Umstellung als auch der Neubau erheblichen Investitionsbedarf, den Private mit Blick auf das Risiko versunkener Kosten kaum alleine tragen dürften20. Einen Ansatz zur Lösung dieser Problematik beinhaltet nun die im Mai 2024 in Kraft getretene jüngste Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes21: Danach sollen die Kosten des Aufbaus des Wasserstoff-Kernnetzes gleichmäßig bis 2055 verteilt werden; zudem soll der Bund eine Ausfallhaftung für etwaige Fehlbeträge übernehmen. Damit ist insbesondere die Frage nach der Vereinbarkeit der Konstruktion mit dem EU-Beihilfenrecht aufgeworfen, das finanzielle Unterstützungen von Unternehmen nur unter engen Voraussetzungen zulässt (III.3.).

II. Wasserstoff in der europäischen und deutschen Energiepolitik

Als Energieträger spielt Wasserstoff bislang nur eine untergeordnete Rolle: EU-weit trug Wasserstoff 2022 nur zu rund zwei Prozent zum Energieverbrauch bei22. Dass Wasserstoff bei der Erreichung der Klimaschutz-Ziele auf europäischer und nationaler Ebene23 bis vor Kurzem keine prominente Rolle eingenommen hat, kann zunächst überraschen. Zwar ruft Wasserstoff teils negative Assoziationen hervor, weil er unter bestimmten Bedingungen stark reagiert und damit sehr explosiv sein kann24, und tatsächlich haben Sicherheitsbedenken in Großbritannien unlängst zum Scheitern eines Modellversuchs zum Heizen mit Wasserstoff geführt25.

Hauptsächlich ist die bislang wenig verbreitete Nutzung von Wasserstoff aber darauf zurückzuführen26, dass erstens Wasserstoff kein Primärenergieträger ist und seine Erzeugung überaus energieintensiv ist27: Für die Herstellung von einem Kilogramm Wasserstoff werden zwischen 40 und 80 kWh Strom benötigt, und mit einem Kilogramm Wasserstoff kann ein Brennstoffzellenfahrzeug circa 100 km zurücklegen28 – wobei ein Kilogramm Wasserstoff für Letztverbraucher derzeit circa 15 Euro kostet29. Zweitens kann der erforderliche Strom beim gegenwärtigen Stand noch nicht beziehungsweise nicht allein aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, womit die Wasserstoffnutzung momentan noch nicht beziehungsweise jedenfalls nicht vollkommen emissionsneutral ist; drittens war grüner Wasserstoff als Energieträger vor diesem Hintergrund bislang preislich gegenüber konventionellen Energieträgern und auch konventionellem Wasserstoff nicht konkurrenzfähig30.

Bayerische Verwaltungsblätter

Mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien und den deutlichen Preissteigerungen bei konventionellen Energieträgern haben sich diese Rahmenbedingungen aber erheblich verändert. Die Nutzung von grünem Wasserstoff erscheint daher zunehmend als realistische Option31, wobei der Ausbau der Wasserstoffkapazitäten parallel zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen soll (sog. Zusätzlichkeit)32. Tatsächlich erscheint das planmäßige Voranschreiten des Ausbaus erneuerbarer Energien auch als grundlegende Voraussetzung für das Gelingen der Wasserstoff-Strategien: Es muss ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien zu niedrigen Preisen vorhanden sein, damit der zusätzliche Strombedarf für die Erzeugung von Wasserstoff emissionsneutral und zu wettbewerbsfähigen Preisen gedeckt werden kann33.

1. Die europäische Wasserstoff-Strategie

Entsprechend sieht die in den Kontext des so genannten europäischen Grünen Deal34 eingebettete EU-Wasserstoffstrategie aus dem Juli 2020 in zwei Phasen den Ausbau von Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff bis 2030 vor, und zwar parallel zum Ausbau erneuerbarer Energien; in einer dritten Phase soll in der Zeit von 2030 bis 2050 parallel zu einem nochmal beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien ein Hochlauf von Wasserstoff als Energieträger in der Fläche erfolgen35. Spätestens zu diesem Zeitpunkt soll dann auch EU-weit eine Wasserstoff-Transportinfrastruktur vorhanden sein; insoweit liegt der Fokus der EU-Strategie auf der Ermöglichung und der Vereinfachung der Verbindung der entsprechenden Leitungen in den Mitgliedstaaten, das heißt auf der Verbindung neuer oder umgestellter Wasserstoffleitungen36.

Die für die Forcierung der Wasserstoffnutzung erforderlichen Anpassungen des EU-Rechts sind teils bereits erfolgt. Dabei ist ebenfalls im Mai 2024 eine Neufassung des einschlägigen EU-Gasbinnenmarktrechts durch den Rat angenommen worden37, womit in absehbarer Zeit mit einem Inkrafttreten der Neuregelungen zu rechnen ist. Im Kern erstrecken diese Neuregelungen das schon bislang für Erdgas geltende Regelungsregime auf Wasserstoff, beinhalten aber auch Privilegierungen mit dem Ziel eines beschleunigten Hochlaufs von Wasserstoff38: So dürfen die Netzentgelte nach Maßgabe des Binnenmarktrechts auch unter Berücksichtigung intertemporaler Aspekte festgelegt werden, womit vorübergehende Abweichungen vom Grundsatz der Kostendeckung zulässig sind39.

2. Die deutsche Wasserstoff-Strategie und die Parallelen zum Strombereich

Nahezu zeitgleich mit den entsprechenden europäischen Vorgaben hat sich auch Deutschland im Sommer 2020 eine Wasserstoff-Strategie gegeben40. Die Grundannahmen der deutschen Wasserstoffstrategie unterscheiden sich hierbei kaum von jenen der EU-Wasserstoff-Strategie, ihr räumlicher Bezugspunkt ist aber naturgemäß kleiner. In einer ersten Phase sah die 2020 vorgelegte deutsche Wasserstoffstrategie bis 2023 den Start des Markthochlaufs für Wasserstoff vor41, und es erfolgten ab 2021 erste Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz: So erwähnt § 1 Abs. 1 EnWG, der die grundlegenden Ziele der deutschen Energiepolitik normiert, seit 2021 die Versorgung mit Wasserstoff; zudem wurde die Definition von Energie in § 3 Nr. 14 EnWG ausdrücklich auf Wasserstoff erstreckt und es wurden mit § 43l EnWG erste planungsrechtliche Privilegierungen für den Ausbau von Wasserstoffnetzen geschaffen42.

Die im Anschluss an die Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020 im Sommer 2023 vorgelegte Fortschreibung der Wasserstoff-Strategie geht nun bis 2030 von einem Wasserstoffbedarf zwischen 95 und 130 TWh aus43, wobei diese Bedarfsprognosen teils auch als zu hochgegriffen eingeordnet werden44. Der angestrebte Technologiewechsel45 soll zum Beispiel durch allgemeine wasserstofffreundliche Rahmenbedingungen oder die Verpflichtung zur Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Umrüstung von Gaskraftwerken gefördert werden46, die auch Bestandteil der energieträgerübergreifenden Kraftwerksstrategie sein soll47. Zur Deckung des prognostizierten Bedarfs sollen einerseits bis 2030 10 GW Elektrolysekapazität zur Wasserstofferzeugung in Deutschland geschaffen werden48. Andererseits soll Wasserstoff aber auch importiert werden49, und zwar auch aus Drittstaaten wie etwa im Rahmen einer Wasserstoffpartnerschaft mit Australien50.

Dabei ist die Gewinnung von Wasserstoff wie erwähnt nur dann emissionsneutral, wenn dieser unter Einsatz von erneuerbaren Energien erzeugt wird – deren (relative) Kosten zugleich (deutlich) sinken müssen, wenn Wasserstoff nicht nur emissionsneutral, sondern auch zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt werden soll51. Bekanntlich wird Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland schwerpunktmäßig im Norden erzeugt, sodass auch grüner Wasserstoff unter Effizienzgesichtspunkten sinnvollerweise überwiegend im Norden erzeugt werden dürfte52; auch der Import zumindest aus Drittstaaten wird beim gegenwärtigen Stand in erster Linie in Form von Flüssigwasserstoff erfolgen und damit über See abgewickelt werden53, sodass auch die Anlandung von Importen im Norden erfolgen wird. Zudem liegen auch beim Wasserstoff die prognostizierten Verbrauchszentren nicht im Norden, was in Parallele zur Situation bei der Stromerzeugung die Notwendigkeit der Errichtung einer großräumigen Infrastruktur zum Abtransport von Wasserstoff aus den Erzeugungs- in die Verbrauchszentren unterstreicht54. Die Fortschreibung der Wasserstoff-Strategie sieht daher den Aufbau des sogenannten Wasserstoff-Kernnetzes mit einer Länge von circa 9700 km bis 2032 vor55.

Den vollständigen Beitrag entnehmen Sie den BayVBl. 15/2024.

 

PD Dr. Julius Buckler

Akad. Rat a.Z. am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht (Prof. Dr. J. Gundel) an der Universität Bayreuth.
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