Mehr Region wagen!
Zehn Jahre Ämter für regionale Landesentwicklung
Mehr Region wagen!
Zehn Jahre Ämter für regionale Landesentwicklung

Das Land Niedersachsen errichtete im Jahr 2014 vier Ämter für regionale Landesentwicklung (ÄrL), die von den Landesbeauftragten für regionale Landesentwicklung geleitet werden. Als politische Beamtinnen und Beamte repräsentieren sie das Land in den Regionen. Zugleich sind sie Anwältinnen und Anwälte der Regionen im Land. Ein Flächenland wie Niedersachen braucht Instanzen, durch die es in den Teilregionen präsent ist – das ist der kluge Gedanke dieser Entscheidung.
Mit der Einrichtung der Ämter hat Niedersachsen den Weg einer modernen Regionalentwicklung beschritten, der durch eine systematische Einbeziehung der regionalen Akteure aus Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in die Landesentwicklung geprägt ist. Das Land hat 2014 nachvollzogen, was die Europäische Union in ihrer Kohäsionspolitik praktiziert: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, Zusammenhalt und Wettbewerbsfähigkeit können nur zusammen mit den Regionen erreicht werden. Der vorliegende Beitrag bietet einen Rückblick auf die Regionalentwicklung im Allgemeinen und die Arbeit der Ämter im Besonderen. Er diskutiert, ob Erwartungen erfüllt wurden und wie Perspektiven für die Weiterentwicklung aussehen könnten.
I. Rückblick
Am Beginn stand der analytische Blick. Für die Regionen in den Grenzen der ehemaligen Regierungsbezirke und für die Teilregion Südniedersachsen beauftragte die Niedersächsische Staatskanzlei 2013 Basisanalysen zur Identifizierung spezifischer Handlungsbedarfe. Die Stärken-Schwächen-Profile zeigten auf, wie heterogen die einzelnen Regionen sich entwickelt hatten. Die 2014 vorgelegten Analysen verdeutlichten, dass die regionalen Unterschiede in Bezug auf den demografischen Wandel, die Innovationsfähigkeit und u. a. durch die Entfernung zu wirtschaftlichen Zentren erheblich waren. Ländlich-periphere Räume zählten zu den am stärksten benachteiligten Regionen des Landes.
Insbesondere Südniedersachsen zeigte flächig auftretende Entwicklungsprobleme, geprägt durch Bevölkerungsrückgang und Überalterung sowie eine schwache wirtschaftliche Dynamik. Neben Lagefaktoren verhinderte ein Kooperationsdefizit zwischen den regionalen Akteuren, dass die Region ihre wirtschaftlichen Potentiale heben konnte. Vor diesem Hintergrund rief die Landesregierung zusammen mit den Gebietskörperschaften 2015 das Südniedersachsen-Programm ins Leben. Ziel war es, 100 Mio. € an zusätzlichen Investitionen in relevanten Handlungsfeldern auszulösen und die innerregionale Zusammenarbeit zu stärken. Zusammen mit den Landkreisen und der Stadt Göttingen richtete das Land das Projektbüro Südniedersachsen, Stabsstelle des Amtes für regionale Landesentwicklung Braunschweig, als Unterstützungs- und Governancestruktur ein. Im Steuerungsausschuss Südniedersachsen arbeiteten Landkreise und Gemeinden bei der Auswahl der Projekte zusammen. Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft waren durch Beiräte eingebunden. Auf jährlichen Veranstaltungen wurde Bilanz gezogen. Das Südniedersachsen-Programm entwickelte rasch eine erkennbare Dynamik. Die Region hatte ihre Chance erkannt. Bereits 2017 wurden die gesteckten Ziele nicht nur erreicht, sondern mit einem investierten Projektvolumen von rd. 114 Mio. € übererfüllt. Von besonderer Bedeutung ist, dass das Programm langfristig wirkt. Die Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften ist ein wesentlicher Motor der Regionalentwicklung in Südniedersachsen. Ausdruck findet dies in der institutionellen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Südniedersachsen Stiftung, die 2024 ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiert, in der Entwicklung eines gemeinsamen Regionalmarketings und eines Life Science Clusters in Südniedersachsen.
In den neu entstandenen Amtsbezirken erarbeiteten die Ämter 2014 auf Grundlage der vorliegenden Basisanalysen regionale Handlungsstrategien.1 Die Strategien wurden 2021 fortgeschrieben. Sie gründen auf intensivem Austausch und Gesprächen mit Kommunen, Verbänden, Wissenschaft und Wirtschaft. Zum ersten Mal traten die Landesbeauftragten als Vertreterinnen und Vertreter des Landes auf. Sie stießen bereits einer ersten Evaluation im Jahr 2017 zufolge auf positive Resonanz. Spürbar war, dass transparente Kommunikationswege mit der Landesregierung und ihren Ressorts als entlastend angesehen wurden. Zuvor kam der Austausch eher zufällig und aufgrund einzelner Kontakte zustande, was den Zugang gerade der kleineren Kommunen erschwerte. In einem Ausschuss der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre erörterten diese die maßgeblichen Projekte der einzelnen Amtsbezirke sowie die Unterstützungsmöglichkeiten der verschiedenen Ressorts.
Die Regionen in Förderentscheidungen einzubeziehen, war ein wichtiges Ziel der neuen Regionalpolitik. Das Land identifizierte regional bedeutsame Richtlinien. Fortan wurden bei den Ämtern eingerichtete Kommunale Steuerungsausschüsse (KSA) an der Bewertung der Anträge beteiligt. Die von den kommunalen Spitzenverbänden benannten Vertreterinnen und Vertreter der Landkreise, der kreisfreien und der selbstständigen Städte sowie der kleineren Städte und Gemeinden erhalten zudem Kenntnis von den aus Mitteln des Landes bzw. der Europäischen Union geförderten Projekten im Amtsbezirk. Die Herstellung von Transparenz in der Förderung war und ist wichtige Aufgabe der KSA. Diese haben sich bewährt und sind auch in der neuen EU-Förderperiode ab 2021 wichtige Beteiligungselemente.
II. Förderung
Der institutionelle Aufbau der Ämter für regionale Landesentwicklung (ÄrL) hat sich seit 2014 kaum verändert. Auch grundlegende Aufgaben sind gleichgeblieben. Weiterhin sind die ÄrL für regionale Landesentwicklung, Projektmanagement, Stiftungsaufsicht, Raumordnung, Städtebau, Strukturförderung der ländlichen Räume, Flurbereinigung, Bodenordnung, Domänen – und im Amt Weser-Ems auch für die Staatliche Moorverwaltung – zuständig.2 Allerdings erweiterte sich ihr Aufgabenportfolio im Zuge der Einrichtung des Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und regionale Entwicklung (MB) beachtlich.
Im Nachgang zur Landtagswahl wurde das Ministerium 2017 aus den Abteilungen Europa und Internationale Zusammenarbeit, Regionale Landesentwicklung und EU-Förderung der Niedersächsischen Staatskanzlei sowie der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund neu gebildet. Dieser Schritt gab der regionalen Landesentwicklung und den Landesbeauftragten für regionale Landesentwicklung eine neue Heimstatt. Die fachaufsichtlichen Zuständigkeiten der anderen Ministerien über die jeweiligen Dezernate der ÄrL blieben hiervon unberührt.
Das MB entfaltete eigenständige Förderaktivitäten mit regionalem Fokus. Es verfolgte dabei zwei Strategien. Zum einen wurden Defizite in der Unterstützung wichtiger Zukunftsprojekte durch passgenaue eigene Programme bzw. Modellvorhaben erschlossen. Zum anderen baute das MB konsequent regional orientierte Förderprogramme im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und im Europäischen Sozialfonds (ESF+) auf.
Dem ersten Typus sind bspw. die „Zukunftsräume Niedersachsen” zuzuordnen. Das Programm zielt auf die Erhöhung der Attraktivität und Versorgungsfunktion der kleinen und mittleren Zentren ab 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in ländlichen Räumen ab. Denn diese haben eine wichtige Ankerfunktion in der Fläche und waren bislang nicht durch eigene Förderprogramme adressiert. Seit 2019 wurden in sieben Antragsrunden 121 Vorhaben mit einer Gesamtfördersumme von rund 22,4 Mio. € bewilligt. Bewilligungsstellen sind die vier Ämter für regionale Landesentwicklung. Seit 2020 beraten und bewilligen sie auch die Richtlinie „Kofinanzierungshilfen”, die finanzschwache Kommunen bei der Finanzierung von EU-Projekten unterstützt. Die regelmäßige Überzeichnung der Mittelansätze um das Doppelte zeigt den großen Bedarf.3
Auch die vom MB verantwortete Plattform „Digitale Dörfer” schließt eine Lücke.4 Das Projekt bietet Kommunen ein niedrigschwelliges und datenschutzrechtlich unbedenkliches Angebot zur Digitalisierung. Über die werbefreie Plattform werden sowohl Kommunikation und direkter Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern als auch zwischen Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern unkompliziert ermöglicht. 55 590 Nutzerinnen und Nutzer in Niedersachsen verzeichnet die beliebte DorfFunk-App aktuell. Damit liegt Niedersachsen bei der Nutzerzahl unangefochten an der Spitze. Mehr als 1000 Ortsteile in beinahe 200 Kommunen haben das Angebot der Plattform bislang angenommen. Auch bei diesem Vorhaben verlief die Pilotphase so erfolgreich in Südniedersachsen, dass sich ein Landesrollout anschloss. Während der Pilot noch vom Projektbüro Südniedersachsen begleitet wurde, laufen nun die Erstkontakte zu den „Digitalen Dörfern” über die ÄrL, die erfolgreich bei Roadshows für die Plattform werben.
Der Beginn der neuen EU-Förderperiode 2021 eröffnete dem MB die Möglichkeit, mit eigenen Programmen seinen generalistischen und die Fachpolitiken der Ressorts übergreifenden Ansatz der Regionalentwicklung weiter zu stärken. Es konnte hierbei an die positiven Erfahrungen aus dem Südniedersachsen-Programm anknüpfen: Kommunen, Wirtschafts- und Sozialpartner sind bereit, aktiv an Förderprogrammen mitzuwirken, wenn ihnen Entscheidungen über die regionale Relevanz von Projekten zugestanden werden und Handlungsfelder selbst ausgewählt werden können. Es besteht also eine gewollte Offenheit in Bezug auf die Fördergegenstände, die bedarfsgerecht eigene Schwerpunkte ermöglicht. Zudem zeigt sich, dass ein virtuelles Budget die Attraktivität der Programme erhöht. Dieses von den Kommunen immer wieder geforderte Instrument erleichtert und vereinfacht Förderaktivitäten vor Ort. Es führt dazu, dass Mittel für regionale Projekte eingeplant werden können und nicht in einem landesweiten Wettbewerb eingeworben werden müssen.
Auch andere Förderprogramme wie bspw. „LEADER” oder die „Regionalen Fachkräftebündnisse” folgen diesem Dreiklang aus mehr Entscheidungsspielräumen, mehr Zusammenarbeit und mehr regionaler Verantwortung.
Die vom MB konzipierten „Zukunftsregionen” sind mit einer Ausstattung von 96 Mio. Euro EU-Mitteln aus dem EFRE und ESF+ das größte Einzelprogramm im Multifonds-Programm des Landes. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die fachpolitischen Grenzen hinter sich lassen und ergänzend zu den Fachprogrammen fördern. Dabei sind die Fördermöglichkeiten so breit wie möglich ausgelegt. Die Spielräume, die die EU-Kommission zulässt, werden ausgeschöpft. Niedersachsenweit haben sich nahezu alle Landkreise und kreisfreien Städte in 14 Zukunftsregionen zusammengeschlossen. Sie werden jeweils durch ein aus Fördermitteln von Land und EU finanziertes Regionalmanagement begleitet. Mit den Managements entstehen Kompetenz-Strukturen, die sich aktiv mit dem Einwerben weiterer Fördermittel und der Verzahnung von Prozessen der Regionalentwicklung befassen.
III. Begleiten, Beraten und Bewilligen
Bei den Förderaktivitäten des Ministeriums für Regionalentwicklung haben die Ämter für regionale Landesentwicklung eine wichtige Funktion. Sie bewilligen Projekte bei den „Zukunftsräumen” und „Kofinanzierungshilfen” und begleiten andere Förderprogramme wie „Zukunftsregionen”, „Soziale Innovation” und „Perspektive Innenstadt”. Sie beraten vor Ort und sind an den Entscheidungen über Projekte beteiligt. Im Programm „Resiliente Innenstädte” werden 15 Städte mit rund 60 Mio. € EU-Mittel dabei unterstützt, ihre Innenstädte umzugestalten und so lebendiger und vielfältiger zu machen. Bei neuen Förderprogrammen wie den „Zukunftsregionen” ist die Nachfrage nach Beratung besonders in der Implementierungsphase hoch. Dies gilt auch für europäische Programme wie INTEREG, mit der die europäische territoriale Zusammenarbeit in unterschiedlichen Gebietskulissen gefördert wird. Hier werben die ÄrL um Kooperationspartner und führen selbst Projekte mit kommunalen Partnern durch, um die Möglichkeiten der Programme bekannter zu machen.
Traditionsreich ist die grenzübergreifende Zusammenarbeit im ArL Weser-Ems, die in einem eigenständigen Programm durchgeführt wird. Das Programmgebiet erstreckt sich von der Nordseeküste bis zum Niederrhein an beiden Seiten der deutsch-niederländischen Grenze. In Niedersachsen umfasst es die gesamte Region Weser-Ems. Die ÄrL Leine-Weser, Lüneburg und Weser-Ems unterstützen darüber hinaus die jeweiligen Metropolregionen, die in ihren Amtsbezirken beheimatet sind, und fördern dort Projekte.
Von Beginn an waren die ÄrL Bewilligungsstellen für die aus dem europäischen Landwirtschaftsfonds kofinanzierten Programme „LEADER”, „Dorfentwicklung” und weitere Förderungen nach der Richtlinie „Zuwendungen zur Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE)”. Darüber hinaus werden sie auch für die Beratung von Förderprogrammen weiterer niedersächsischer Ressorts genutzt. Der vom Niedersächsischen Innenministerium 2017 eingerichtete „Integrationsfonds Niedersachsen” zielt darauf ab, besonders vom Zuzug betroffene Kommunen bei ihren Integrationsaufgaben zu unterstützen. 10 Mio. € werden jährlich bereitgestellt und von den ÄrL in Braunschweig und Weser-Ems bewilligt. Die ÄrL unterstützen das Bündnis „Niedersachsen packt an!”, für das sie seit 2015 jährlich regionale Veranstaltungen durchführen. Sie beraten und prüfen in der Städtebauförderung des Wirtschaftsministeriums.
Förderung und Förderberatung sind in den vergangenen Jahren wichtige Tätigkeitsfelder der Ämter geworden, die entsprechende Ressourcen binden. Um hier zukunftsfähig aufgestellt zu sein, ist die Digitalisierung der Prozesse von besonderer Bedeutung. Aktuell werden sukzessive die Antrags- und Bewilligungsverfahren in das digitale „Onlineantragsmanagement der Ämter für regionale Landesentwicklung (OAMan ÄrL)” überführt. Das MB hat hierzu die Initiative ergriffen und die Entwicklung des Onlineantragsmanagements zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium aufgesetzt. Im Land Niedersachsen wird damit die erste volldigitale Förderplattform erstellt, die unterschiedliche Fachverfahren integriert und eine medienbruchfreie Arbeitsweise ermöglicht.
Richtet man den Blick auf weitere Arbeitsbereiche der ÄrL wie Stiftungsaufsicht, Raumordnung und Flurbereinigung, zeigt sich, dass auch hier Beratung von großer Bedeutung ist. Dies gilt ebenfalls für Vorgänge, die dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind, wie bspw. die Genehmigung der Regionalen Raumordnungsprogramme (RROP), die die Entwicklungsziele der Landkreise festlegen. Den Genehmigungsverfahren geht eine beratende Begleitung voraus, auch um die komplexen Sachverhalte und Regelungen der Landesraumplanung adäquat abzubilden. Auch Flurbereinigungsverfahren zur Ermöglichung von Naturschutzvorhaben, Verbesserung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder Schaffung von Infrastrukturen erfordern intensive Beratungs- und Beteiligungsprozesse mit den Eigentümerinnen und Eigentümern der jeweiligen Flächen. Die Kommunikation mit den beteiligten regionalen Akteuren, die Ermöglichung von Projekten zur Erhöhung der Lebensqualität sowie der Ausgleich teils widerstreitender Interessen ist Motivation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÄrL in ihrer Region.
IV. Bündeln in der Transformation
Zunehmend sind die Regionen in Niedersachsen mit den Herausforderungen und den Chancen der sozial-ökologischen Transformation konfrontiert. In den industriellen Kernen des Landes wird die notwendige Dekarbonisierung von Energieversorgung und Produktion mit weitreichenden Veränderungen einhergehen. Bei der Schaffung einer kohlenstofffreien Wirtschaft werden jene Regionen für Ansiedlungen interessant, die erneuerbare Energien in ausreichendem Maß zur Verfügung stellen können. Für energieintensive Unternehmen ist die Versorgung durch neu zu errichtende Strom- bzw. Wasserstoffnetze von hoher Relevanz. Für die ländlichen Räume stellt sich die Frage, wie sie als Produzenten, als Anlandungs- und Durchleitungsregionen für erneuerbare Energien eigene Wertschöpfung entwickeln können.
Transformation als Reaktion auf den Klimawandel und seine Auswirkungen prägt auch die Tätigkeit der Ämter für regionale Landesentwicklung. Sie sind zum einen durch ihre Fachverwaltungen wie die Domänenverwaltung, die Flurbereinigung, die Raumordnung und die Staatliche Moorverwaltung unmittelbar in die regionalen Umsetzungsstrategien einbezogen. Der Druck auf die (landwirtschaftlichen) Flächen steigt angesichts des Ausbaus der erneuerbaren Energien, des Netzausbaus und der Ansprüche an Natur- und Gewässerschutz. Die Fachverwaltungen sind Teil der Lösung dieser Problematik. Mit den Mitteln der Bodenordnung in der Flurbereinigung können Nutzungskonflikte entschärft und Flächen für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Die Raumordnung begleitet die Aufstellung der durch die Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vorgesehenen Teilpläne Windenergie.
Die sozial-ökologische Transformation prägt die Entwicklung der Regionen und damit – über die Fachverwaltungen hinausgehend – auch die Tätigkeiten der Ämter. Ihnen kommt hier eine moderationsorientierte Bündelungsfunktion zu, indem sie wie bspw. in den Wasserstoffnetzwerken im Amtsbezirk Lüneburg und im Amtsbezirk Leine-Weser die relevanten Akteure an einen Tisch bringen oder, wie im Amtsbezirk Weser-Ems, die zahlreichen geplanten Wasserstoff-Infrastrukturen begleiten. Gemeinsam werden sowohl Strategien wie auch Projekte entwickelt, um regional-angepasste Versorgung zu etablieren. Der Wasserstoff-Campus in Salzgitter wird vom ArL Braunschweig begleitet. Er hat in den vergangenen vier Jahren zukunftsorientierte Forschung und Entwicklung aber auch Weiterbildungsmodelle für die Nutzung des Energieträgers entwickelt. Das Amt Weser-Ems ist zudem direkt in ein transformatives Strukturprojekt eingebunden. Es begleitet und bewilligt die Strukturhilfe des Bundes, die Wilhelmshaven und die umliegenden Gemeinden als strukturschwacher Steinkohlestandort erhält.
Diese Bündelungsfunktionen können die Ämter nur erfüllen, weil sie exzellent in ihren Regionen vernetzt sind. Regelmäßig tauschen sie sich in den Bezirkskonferenzen der kommunalen Spitzenverbände mit den Kommunen aus und pflegen die Kontakte zu Netzwerken, Verbänden und Initiativen der Zivilgesellschaft. Das befähigt sie, potentielle Partner an einen Tisch zu holen, Prozesse zu moderieren und ein gemeinschaftliches Vorgehen zu entwickeln.
V. Perspektiven: Mehr Region wagen!
Die Ämter für regionale Landesentwicklung sind in den vergangenen zehn Jahren zu Partnern der Regionen geworden. Es ist ihnen gelungen, regionales Vertrauenskapital aufzubauen und den konkreten Unterstützungsbedarf der Regionen gezielt zu transportieren. Sie sind Vermittler zwischen Land und Region und haben dabei einen ganzheitlichen Blick auf die Regionen entwickelt. Hiermit ergänzen sie die Herangehensweise der Fachressorts, die je nach Fachperspektive unterschiedliche Zielgruppen adressieren.
Wie aufgezeigt wurde, hat die Entscheidung für eine moderne Regionalentwicklung auch das Miteinander vor Ort verändert. Für diejenigen, die traditionell eine die Landkreise übergreifende Interessenvertretung gegenüber dem Land praktizieren, war der Schritt in eine systematische Regionalentwicklung eine Bestätigung ihrer Vorgehensweise. Diejenigen, die noch nicht zu einer gemeinsamen Interessenvertretung gelangt waren, nutzen die Chancen und Förderinstrumente, die ihnen gegeben wurden. Regionale Kooperation ist ein zentraler Erfolgsfaktor: Es gilt, im Dialog mit der kommunalen Ebene die Zusammenarbeit weiter zu stärken, um Synergieeffekte zu erzeugen, erfolgreiche Projekte sichtbar zu machen und gezielt den zukünftigen Unterstützungsbedarf zu identifizieren.
Hierzu sind die regional orientierten, territorialen Förderinstrumente weiter auszubauen und zu konsolidieren. Insbesondere die Programme, die die Entscheidung über die Förderwürdigkeit den regionalen Akteuren übertragen, wie die „Zukunftsregionen”, „Regionale Fachkräftebündnisse” und „LEADER” sollten gestärkt und weiterentwickelt werden. Sie erlauben den Akteuren, selbst Handlungsfelder zu definieren und sich Ziele zu setzen. Die Breite in der Förderfähigkeit ermöglicht es, spezifische regionale Bedarfe zu berücksichtigen. Dies kann auch als eine Einladung an die Ressorts verstanden werden, ihre bislang vorrangig fachlich orientierten Programme für die territorialen Instrumente stärker als bisher zu öffnen. Es sollte zudem dafür Sorge getragen werden, dass die Regionalmanagements sich weiter etablieren können. Durch sie werden gerade (kooperations-)schwache Regionen dabei unterstützt, Fördermittel zu akquirieren und in erfolgreiche Projekte umzusetzen.
Um in den kommenden zehn Jahren erfolgreich zu bleiben, sollten erneut regionale Analysen erstellt werden. Die Welt wandelt sich und mit ihr die Regionen. Sie müssen die sozial-ökologische Transformation mitgestalten. Das stellt sie vor neue Herausforderungen, für die sie neue Entwicklungspfade einschlagen können, aber auch müssen.
Entnommen aus den NdsVBl. Heft 12/2024.