15.11.2014

Kleine Flaggenkunde für Juristen

Nach der WM ist vor der EM: Bundesflaggen mit und ohne -adler

Kleine Flaggenkunde für Juristen

Nach der WM ist vor der EM: Bundesflaggen mit und ohne -adler

Der Ball ist rund, die Farben sind bunt – und ein Stück Geschichte. | © Coloures-pic - Fotolia
Der Ball ist rund, die Farben sind bunt – und ein Stück Geschichte. | © Coloures-pic - Fotolia

Wir sind Weltmeister: Farbe bekennen und Flagge zeigen!?

Spätestens seit dem Finale von Rio de Janeiro am 13. Juli 2014 sind die Deutschen wieder stolz, Weltmeister zu sein – schon zuvor prägten die Farben Schwarz-Rot-Gold unzählige Straßenzüge und Plätze, Public Viewings und Autokorsos, Handgelenke und Wangen.

Deutsche und andere Fans interessieren seitdem die Fragen:

  • Wer darf überhaupt die Bundesflagge hissen?
  • Wie steht es mit Adler oder Wappen auf dieser?
  • Was kann bei „Flaggenfrevel” passieren?

Der vorliegende Beitrag gibt Antwort auf diese Fragen. Vorab erläutert er die Grundlagen.


Schwarz-rot-gold: die Bundesflagge

„Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.” Was Art. 22 Abs. 2 GG kurz und knapp mit sechs Worten regelt, schmückt Abschnitt I.1. der Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. 11. 1996 (zuletzt geändert 2005) schon etwas detaillierter aus: Hiernach besteht die Bundesflagge „aus drei gleich breiten Querstreifen, oben schwarz, in der Mitte rot, unten goldfarben, Verhältnis der Höhe zur Länge des Flaggentuches wie 3 zu 5”. Sie kann auch in Form eines Banners geführt werden: Dieses „besteht aus drei gleich breiten Längsstreifen, links schwarz, in der Mitte rot, rechts goldfarben”.

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Art. 22 Abs. 2 GG bestimmt als Farben der Bundesflagge jene der demokratischen Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) und der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 (Paulskirche). Die Vorschrift wendet sich gegen das „Schwarz-Weiß-Rot” des monarchischen Obrigkeitsstaates und des nationalsozialistischen Deutschland (Jarass/Pieroth Art. 22 Rn. 4 m.w.N.).

Zweck der Bundesflagge ist es, an das Staatsgefühl der Bürger zu appellieren. Das Grundgesetz nimmt diese, auch von der Flagge ausgehende Wirkung nicht lediglich in Kauf. Als freiheitlicher Staat ist die Bundesrepublik Deutschland vielmehr auf die Identifikation ihrer Bürger mit den in der Flagge versinnbildlichten Grundwerten angewiesen. Die in diesem Sinne geschützten Werte geben die in Art. 22 GG vorgeschriebenen Staatsfarben wieder. Sie stehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung (BVerfG, Beschl. v. 07. 03. 1990 – 1 BvR 266/86 und 1 BvR 913/87, NStZ 1990, 276, B.II.2.b m.w.N.).

Bundesflagge + Bundesschild = Bundesdienstflagge

Die Dienstflagge der Bundesbehörden (Bundesdienstflagge) hat gemäß Abschnitt I.3. der Anordnung über die deutschen Flaggen (s.o.) „die gleichen Querstreifen wie die Bundesflagge darauf, etwas nach der Stange hin verschoben, in den schwarzen und den goldfarbenen Streifen je bis zu einem Fünftel übergreifend, den Bundesschild, den Adler nach der Stange gewendet, Verhältnis der Höhe zur Länge des Flaggentuches wie 3 zu 5”. Auch diese gibt es in Bannerform.

Abschnitt II. der Anordnung über die deutschen Flaggen zufolge führen alle Stellen des Bundes die Bundesdienstflagge; Dienstgebäude des Bundes können mit ihr oder der Bundesflagge beflaggt werden. Daneben ist die Bundesdienstflagge auch im mehr oder minder gut sortierten Fanartikelbedarf vertreten, z. B. als „Banner mit Logodruck” für 8,90 Euro.

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Bundesadler + Wappenschild = Bundeswappen

Größere Verbreitung hat in Fußballstadien allerdings eine Fahne gefunden, die es eigentlich gar nicht gibt: die Bundesflagge mit dem Bundeswappen.

Nach der Bekanntmachung betreffend das Bundeswappen und den Bundesadler (vom 20. 01. 1950) zeigt Ersteres auf goldgelbem Grund den einköpfigen schwarzen Adler, den Kopf nach rechts gewendet, die Flügel offen, aber mit geschlossenem Gefieder, Schnabel, Zunge und Fänge von roter Farbe. Die im Bundesministerium des Innern verwahrten Muster sind für die heraldische Gestaltung des Bundeswappens maßgebend.

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Gebrauch der Bundesflagge durch jedermann

Wer darf nun die Bundesflagge schwenken? Diejenigen Symbole, die den Staat als Ganzes (und nur ihn) darstellen, stehen nach der Kommentarliteratur (Scholz, in: Maunz/Dürig Art. 22 Rn. 50) grundsätzlich der Führung durch jedermann frei (anders als z. B. Dienstsiegel, Amtsschilder, Urkundenschnüre). Das gilt vor allem für die Bundesflagge, den Adler als Wappentier, die Nationalhymne und dergleichen.

Straßenaufläufe in schwarz-rot-gold und Fanbemalung in den „Bundesfarben” begegnen vor diesem Hintergrund keinen Bedenken; im Gegenteil „wünscht” sich die Verfassung derlei Identifikation mit den dadurch verkörperten Werten (s.o.) gerade, zumal die darin liegende integrative Symbolkraft nicht zu unterschätzen ist (von Münch/Kunig, Art. 22 Rn. 19). Nicht nur Staatsbürger, sondern auch Nichtdeutsche haben so ein „Flaggenzeigerecht” (Sodan, Art. 22 Rn. 5).

Schutz der Bundesflagge vor Missbrauch

Gebrauch heißt freilich nicht Missbrauch. Das Strafrecht schützt den Staat und seine Symbole mit § 90 a StGB vor Verunglimpfung. Dessen Abs. 1 Nr. 2 zufolge wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) die Flagge der Bundesrepublik Deutschland verunglimpft (durch Äußerungen). Ebenso wird nach Abs. 2 bestraft, wer eine öffentlich (auch durch Private) gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland entfernt (Einholen genügt), zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar.

Strafbar kann hiernach zum Beispiel das Urinieren auf die Flagge der Bundesrepublik (OLG Frankfurt, Urt. v. 17. 01. 1986 – 2 Ss 124/83, NJW 1986, 1272 ff.), das Anspucken (Münchener Kommentar, § 90 a Rn. 21) oder auch das provokative Aufstellen der Bundesflagge in einem Misthaufen (Schönke/Schröder, § 90 a Rn. 11) sein. Auch nach einer noch so schmerzhaften Niederlage sollte man deshalb von einem „Abfackeln” der Bundesflagge (dazu Leipziger Kommentar, § 90 a Rn. 10, 38) lieber Abstand nehmen.

Gebrauch von Bundesdienstflagge und Bundeswappen

Nachdem die Bundesdienstflagge – anders als die Bundesflagge – nicht jedermann, sondern nur den Bundesbehörden zukommt (s.o.), ist sie bereits vor dem Gebrauch durch Unbefugte geschützt. So handelt gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ordnungswidrig, wer unbefugt eine Dienstflagge des Bundes benutzt; Abs. 2 zufolge stehen ihr Flaggen gleich, die der

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Bundesdienstflagge zum Verwechseln ähnlich sind, wobei es mehr auf Übereinstimmungen als Unterschiede ankommt, da jene die Erinnerung mehr prägen als diese und der Verkehr die in Frage stehenden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht (Karlsruher Kommentar, § 124 Rn. 6). Auf Bundesschild und Bundeswappen dürfte dies zutreffen; entscheidend wird es hierauf aber (auch) deshalb gar nicht ankommen, weil das Wappen des Bundes selbst in § 124 Abs. 1 Nr. 1 OWiG geschützt ist.

Demgegenüber ist die Bundesflagge an sich von § 124 OWiG, anders als bei § 90 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB (s.o.), nicht erfasst; im Gegenteil ist deren Verwendung durch jedermann von der Verfassung gewollt (Göhler, § 124 Rn. 3).

Der unbefugte Gebrauch der Bundesdienstflagge oder einer zum Verwechseln ähnlichen Flagge (mit Bundeswappen statt Bundesschild) kann (besser gesagt: könnte, und zwar vom Bundesverwaltungsamt) mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro (§ 17 Abs. 1 OWiG) geahndet werden, § 124 Abs. 3 OWiG. Unbefugtes Benutzen liegt allerdings nur vor, wenn der Anschein einer amtlichen Benutzung entstehen kann (z. B. der Eindruck einer Botschaft). Die Befugnis zur Benutzung kann sich demgegenüber aus sozialer Adäquanz ergeben, so beim Zeigen einer Dienstflagge bei Sportveranstaltungen (Göhler, § 124 Rn. 7; Burkiczak, JR 2005, 53). Im Fußballstadion dürfen Fans also sogar die Bundesdienstflagge schwenken (Bonner Kommentar, Art. 22 Rn. 128).

Ausblick

So steht uns, gerade in Frankreich 2016, eine bunte Europameisterschaft bevor. Welche Trikolore am 10. Juli in Saint-Denis zu welcher Nationalhymne wehen wird, wird sich zeigen. Der Deutschen Fußballnationalmannschaft sei natürlich der verdiente Erfolg gewünscht – den Fans, die Bundesflaggen mit und ohne Bundeswappen oder Bundesschild schwenken, das Bewusstsein, dass sie nicht nur Farben in ihren Händen halten, sondern: Geschichte.

 

Dr. Thomas Troidl

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Regensburg
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