15.11.2014

Aufsichtsräte in kommunalen Unternehmen

Gesetzentwurf NRW: Freiwillige Mitbestimmung soll erweitert werden

Aufsichtsräte in kommunalen Unternehmen

Gesetzentwurf NRW: Freiwillige Mitbestimmung soll erweitert werden

Neue Spielräume der Gemeinden für die freiwillige Mitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten. | © djama - Fotolia
Neue Spielräume der Gemeinden für die freiwillige Mitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten. | © djama - Fotolia

Derzeitige Rechtslage

Die Vorschriften zum Gemeindewirtschaftsrecht in der Gemeindeordnung NRW (GO NRW) wurden zuletzt im Jahr 2010 durch das „Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts” geändert. Insbesondere fanden Regelungen zur energiewirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden und zur freiwilligen Mitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen und Einrichtungen Eingang in das Gesetz.

Bei GmbHs wird die Bildung eines freiwilligen, mitbestimmten Aufsichtsrats für zulässig erachtet und den Gesellschaftern bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sofern (auch) die öffentliche Hand an solchen Unternehmen beteiligt ist, wird allerdings die demokratische Legitimation von Arbeitnehmervertretern und damit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der freiwilligen Mitbestimmung hinterfragt.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber § 108 a GO NRW geschaffen, um den Gemeinden die Möglichkeit einzuräumen, bei gesetzlich nicht mitbestimmten Unternehmen, an denen sie zu mehr als 50 % beteiligt sind, einen fakultativen, nominell drittelparitätisch besetzten Aufsichtsrat zu bilden. Die Entsendung der Arbeitnehmervertreter erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst wird durch eine Betriebsversammlung eine Vorschlagsliste gewählt, anschließend entscheidet der Rat anhand der Vorschlagsliste, wobei er die Vorschlagsliste auch insgesamt zurückweisen und eine Neuwahl der Liste verlangen kann. Kommt es dann erneut zur Zurückweisung der Vorschlagsliste, bleiben die für die Arbeitnehmervertreter vorgesehenen Mandate unbesetzt.


Der Gesetzentwurf der NRW-Landesregierung

Die Landesregierung strebt nunmehr eine Überarbeitung von § 108 a und die Aufnahme eines neuen § 108 b GO NRW an (LT-Drs. 16/6091). Die Änderungen in § 108 a GO NRW-E betreffen u. a. die Anzahl der Arbeitnehmervertreter, das Wahlverfahren und die Wählbarkeit „Externer”.

§ 108 b GO NRW-E erlaubt – zumindest vorübergehend – eine Arbeitnehmerbeteiligung bis hin zur nominellen Vollparität.

„Drittelparität” gem. § 108 a GO NRW-E:

Abweichend von der geltenden Regelung soll bei der vom Gesetzentwurf nun so bezeichneten „Drittelparität” zukünftig nicht mehr auf die Gesamtzahl, sondern auf die Zahl der auf die Gemeinde entfallenden Aufsichtsratsmandate abgestellt werden. Hierdurch würden, so die Gesetzesbegründung, die Fälle (besser) erfasst, in denen ein Teil der Mandate von Gesellschaftern zu besetzen ist, die nicht der GO NRW unterliegen (z. B. Private).

Hintergrund der Änderung dürfte sein, dass auch die vom Rat entsandten Arbeitnehmervertreter dem Weisungsrecht des Rates unterliegen. Damit ist die Drittelparität in ihrer bisherigen Ausgestaltung namentlich für private Mitgesellschafter kaum akzeptabel, weil sich das Verhältnis zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern des dritten (privaten) Mitgesellschafters und den von der Gemeinde insgesamt entsandten Vertretern zu Gunsten der Gemeinde verschiebt. Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen bleibt somit eine nach Köpfen „echte” Drittelparität sehr unwahrscheinlich, denn sie würde die aktive Mitwirkung des dritten Mitgesellschafters voraussetzen, der bspw. einen Teil der auf ihn entfallenden Mandate mit Arbeitnehmern besetzen müsste. Sofern an einer GmbH ausschließlich nordrhein-westfälische Gemeinden beteiligt sind, können weiterhin bis zu einem Drittel aller Mandate mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden.

Am zweistufigen Wahlverfahren wird festgehalten. Allerdings soll die Vorschlagsliste nicht mehr in einer Betriebsversammlung, sondern in einem an die Urwahl des DrittelbG angelehnten Verfahren gewählt werden. Diese Änderung greift praktische Bedürfnisse auf und stellt eine Erleichterung dar, da die bisher vorgeschriebene Betriebsversammlung häufig nur schwer durchzuführen war. Detailregelungen zum Wahlverfahren der Beschäftigten werden in einer – ebenfalls nun im Entwurf vorliegenden – Wahlordnung geregelt. Für die von der Gemeinde entsandten Arbeitnehmervertreter soll zukünftig § 9 DrittelbG – Schutz vor Benachteiligung – entsprechend gelten.

Sofern mehr als zwei Arbeitnehmervertreter wählbar sind, besteht die Möglichkeit, auch nicht im Unternehmen beschäftigte „Externe” in den Aufsichtsrat zu wählen. Dies soll der „Effizienzsteigerung durch Einbindung zusätzlichen Sachverstandes” dienen. Auch wenn die Gesetzesbegründung hierzu schweigt, dürfte der Gesetzgeber hierbei in erster Linie an externe Gewerkschaftsvertreter gedacht haben; daneben kommen – ähnlich wie beim nahezu wortgleichen § 4 Abs. 2 DrittelbG – auch Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften oder Leiharbeitnehmer des Unternehmens in Betracht. Während bei den von der Gemeinde entsandten Beschäftigten an den Verlust der Beschäftigteneigenschaft ausdrücklich das Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat geknüpft ist, findet sich für die „Externen” keine vergleichbare Regelung. Allerdings besteht – wie bei allen vom Rat entsandten Aufsichtsratsmitgliedern – die Möglichkeit der Abberufung durch den Rat.

In § 108 a Abs. 6, 8 GO NRW-E finden sich Regelungen zur Stellvertretung und zu Ersatzmitgliedern. Aus dem Wortlaut der Vorschriften wird jedoch deutlich, dass keine Ersatzmitglieder i.S.v. § 101 Abs. 3 AktG gemeint sind, die beim vorzeitigen Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds dessen Platz einnehmen. Stattdessen wird die Stellvertretung geregelt, die bei fakultativen Aufsichtsräten trotz der ansonsten höchstpersönlichen Aufsichtsratstätigkeit in der Satzung für den Fall der Verhinderung (bei einzelnen Sitzungen) zugelassen werden kann. Angesichts des aufwendigen Wahlverfahrens wäre es jedoch sinnvoll, auch für die Arbeitnehmervertreter die Wahl „echter” Ersatzmitglieder zu ermöglichen, dies entspräche i.Ü. der kommunalen Praxis.

„Vollparität” auf Probe gem. § 108 b GO NRW-E:

Der nunmehr vorgesehene § 108 b GO NRW-E soll den Gemeinden ermöglichen, bei kommunal beherrschten Unternehmen einen fakultativen, „vollparitätisch” besetzten Aufsichtsrat zu bilden. Ist die Gemeinde Alleingesellschafterin und will sie die Hälfte der Aufsichtsratsmandate in dem auch hier geltenden zweistufigen Wahlverfahren mit Arbeitnehmern besetzen, muss der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende kein Arbeitnehmervertreter ist und zudem für den Fall der Stimmengleichheit mit einem Doppelstimmrecht ausgestattet ist. Diese Vorgabe lehnt sich ersichtlich an §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) an. Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen muss der Gesellschaftsvertrag dagegen vorsehen, dass die Mehrzahl der auf die Gemeinde entfallenden Mandate nicht mit Arbeitnehmervertretern besetzt wird. Will eine Gemeinde von der „Ausnahme” des § 108 b GO NRW-E Gebrauch machen, bedarf es eines auf einem Ratsbeschluss beruhenden Antrags an die Aufsichtsbehörde und der Genehmigung des Innenministeriums.

Von der Regelung des § 108 b GO NRW-E sollen zunächst nur die bis zum 31. Oktober 2020 amtierenden „kommunalen Vertretungen” (gemeint sein dürften die Räte) Gebrauch machen dürfen. Damit korrespondierend soll die Vorschrift bis zum 28. Februar 2021 befristet werden. Diese Befristung soll der „Gewinnung ausreichender Erkenntnisse über den Vollzug und die Auswirkungen der Regelung” dienen. Dem Gesetzgeber obläge es somit, zu gegebener Zeit über den Wegfall oder die Fortgeltung der Regelung zu entscheiden.

Die Kritik

Namentlich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW bestreitet in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung die Notwendigkeit einer Ausweitung der Arbeitnehmermitbestimmung. Dem vorgesehenen § 108 b GO NRW-E wird gar die „Sinnhaftigkeit” abgesprochen mit der Begründung, er entbehre im Gefüge der Vorschriften zur obligatorischen Mitbestimmung (DrittelbG, MitbestG) jeglicher Logik und sei als systemwidrig einzustufen.

Fazit

Der Gesetzentwurf eröffnet den nordrhein-westfälischen Gemeinden neue Spielräume für die freiwillige Mitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten der von ihnen beherrschten Unternehmen. Dies dürfte neue Begehrlichkeiten auf Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsseite wecken. Im Hinblick auf einzelne Formulierungen besteht durchaus noch Korrekturbedarf, um vorhersehbare Anwendungsprobleme zu vermeiden.

 

Dr. Carsten E. Beisheim

Rechtsanwalt, Partner, Gesellschaftsrecht
 

Andreas Hecker

LL.M. oec., Rechtsanwalt, Senior Associate Gesellschaftsrecht Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf
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