15.11.0214

Windkraftausbau am Limit

Ausbaupotenziale mit dem Steuerungsinstrument Raumplanung

Windkraftausbau am Limit

Ausbaupotenziale mit dem Steuerungsinstrument Raumplanung

Abenddämmerung: Unzureichende Flächenausweisung stellt ein großes Hemmnis des Windkraftausbaus dar. | © by-studio - Fotolia
Abenddämmerung: Unzureichende Flächenausweisung stellt ein großes Hemmnis des Windkraftausbaus dar. | © by-studio - Fotolia

Die Windenergie ist zweifelsohne einer der Eckpfeiler der Energiewende in Deutschland. Die im Jahr 2013 installierte Leistung von 33,7 GW entsprach rund 50 % der erzeugten erneuerbaren Energien in Deutschland und trug einen Anteil von 8 % zum Strommix bei. Mit der im August 2014 verabschiedeten EEG-Novelle strebt die Bundesregierung für die Windenergie an Land nunmehr einen Zubau von jährlich 2,5 GW (netto) an, der mit atmendem Deckel an die EEG-Vergütung gekoppelt ist. Bei Überschreitung des vorgesehenen Ausbaukorridors wird die Förderung für neue Anlagen stärker gesenkt als ohnehin vorgesehen. Ob die Ausbauziele allerdings insgesamt erreichbar sind, wird auch wesentlich davon abhängen, ob in Zukunft ausreichend Flächen für die Windkraftnutzung zur Verfügung stehen. Denn in den vergangenen Jahren ohne atmenden Deckel im EEG war die Flächenverfügbarkeit stets der limitierende Faktor.

Raumplanung von Windenergieanlagen

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist die Windenergie im Außenbereich privilegiert. Die Planung und Steuerung der Windenergienutzung erfolgt hauptsächlich über die formelle Regionalplanung, die über die Ausweisung von Raumordnungsgebieten (Vorranggebiete, Vorbehaltsgebiete, Eignungsgebiete, Vorranggebiete mit kombinierter Ausschlusswirkung) das Standortangebot für die Errichtung von Windenergieanlagen bestimmt. Nur auf Basis einer hinreichenden Ausweisung solcher Flächen können die Ausbauziele in den einzelnen Bundesländern und Regionen umgesetzt werden. Hierbei zeigt sich in der Realität jedoch eine Diskrepanz: So stehen dem theoretisch klar dargelegten Instrumentarium der Raumplanung erhebliche Probleme in der Planungspraxis zur Sicherung von verfügbaren Flächen für die Windenergienutzung gegenüber. Die daraus folgende unzureichende Flächenausweisung stellt in einigen Regionen ein großes Hemmnis des Windkraftausbaus dar.

Folge: Im Jahr 2012 waren nur rund 0,44 % der Fläche Deutschlands in Raumordnungsplänen für die Errichtung von Windenergieanlagen ausgewiesen. Da dieser Flächenanteil nicht ausreicht, um die formulierten Langfristziele der Windenergienutzung zu erreichen, ist es unabdingbar, weitere Flächen raumplanerisch zu sichern. Potenziale für eine Ausdehnung sind durchaus vorhanden. Zahlreiche Studien, unter anderem des Bundesverbandes Windenergie, des Umweltbundesamtes und einzelner Bundesländer, beispielsweise Thüringen, ergeben für das Gebiet der Bundesrepublik ein großes theoretisches Flächenpotenzial. Eine Studie des Umweltbundesamts ermittelt einen Anteil von über 10 % der Landesfläche.


Signifikante Flächenpotenziale für die Windenergie finden sich interessanterweise dort, wo bislang die Windkraft am wenigsten ausgebaut ist, nämlich im Süden. Auch wenn einzelne Studien durchaus Schwächen bei der Analyse von Flächenverfügbarkeiten aufweisen und das tatsächlich realitätsnahe Flächenpotenzial deutlich unter den ermittelten Werten liegt, ist dennoch eine gravierende Lücke zwischen real ausgewiesenen Flächen und notwendigen Potenzialflächen offensichtlich. Die Gründe dafür sind vielfältig und variieren zwischen den Bundesländern. So haben einige Bundesländer bisher de facto keine oder nicht flächendeckende Windenergieplanungen vorgenommen, da sich die Umsetzung als äußerst schwierig erwiesen hat. Des Weiteren sind in nicht wenigen Fällen bereits aufgestellte Regional- beziehungsweise Teilregionalpläne zur Windenergie im Nachhinein durch Gerichtsentscheidungen für unwirksam erklärt und aufgehoben worden, beispielsweise in Ostthüringen. Ein weiterer Grund ist die oft sehr zögerliche Setzung raumordnerischer Zielvorgaben von Seiten der Politik.

Insgesamt wird offenbar, dass der Ausbau der Windkraftnutzung einer wirksameren Raumplanung bedarf. Um Ausbauziele zu erreichen, muss die Flächenausweisung bedarfsorientiert umgesetzt werden, andernfalls nimmt sie die Funktion eines limitierenden Faktors ein – über das eigentlich gewollte politische Maß hinaus.

Dieser zentrale Aspekt ist auch von der Bundesnetzagentur (BNetzA) bei der Aufstellung des neuen Szenariorahmens für den Netzentwicklungsplan (NEP) aufgenommen worden. Über eine bundesweite Erhebung zum Stand der Ausweisung von Vorrangflächen für Windkraft in den Regionalplänen versucht die BNetzA ein genaueres Bild zu erhalten, inwieweit die gemeldeten Bundesländerziele zum zukünftigen Ausbau der Windenergie mit den in den Ländern vorhandenen Flächen tatsächlich übereinstimmen. Erste Auswertungen zeigen für einige Bundesländer durchaus große Abweichungen zwischen gemeldeten Ausbauzielen und tatsächlich ausgewiesenen Gebieten für die Nutzung der Windkraft.

Bundesländer-Vergleich: unterschiedliche Steuerungsregime

Bei der raumordnerischen Planung und Ausweisung von Standorten für Windenergie gibt es in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedliche Steuerungsregime. Zwar existiert bundesweit im Grunde ein Raumplanungs- instrumentarium, das von der Rechtslage her eindeutig ist. Tatsächlich gibt es jedoch durch Windenergieerlasse, Handlungsempfehlungen, Landesplanungsgesetze, Vorgaben in Landesentwicklungsplänen und auf weiteren Ebenen, teils indirekt oder informell, bei der Raumplanung für die Ausweisung von Windvorrangflächen eine Bandbreite von steuernden Einflussnahmen. Diese reichen bis zu Regelungen in einigen Bundesländern, die es auf kommunaler Ebene ermöglichen, Windkraftflächen über die Bauleitplanung auszuweisen. Es besteht also eine komplexe Gemengelage bei den raumplanerischen Instrumenten.

In einer aktuell veröffentlichten Studie hat das BBSR die Planungspraxis der einzelnen Bundesländer analysiert. In der Studie wird auf der Datenbasis von 2012 deutlich, dass von den 114 in Deutschland existierenden Planungsregionen insgesamt 74 Regionen Regional- oder Teilregionalpläne mit Ausweisungen von Windkraft haben und darin 1.890 Raumordnungsgebiete mit einer Gesamtfläche von 1.563 km² ausgewiesen sind. 40 Regionen besitzen aus unterschiedlichen Gründen, wie die gerichtliche Aufhebung in Kraft gesetzter Pläne oder einen bisherigen Ausweisungsverzicht, keine Regional- oder Teilregionalpläne mit für die Windkraft vorgesehenen Raumordnungsgebieten. Demzufolge sind dort auch meist keine Windenergieanlagen existent, bis auf bestehende oder beispielsweise kommunal geplante Anlagen. Ebenso ist das Vorhandensein von Raumordnungsgebieten für die Windkraftnutzung in Planungsregionen kein Garant dafür, dass diese auch ausgelastet sind. So gibt die BBSR-Studie Aufschluss darüber, dass in einzelnen Bundesländern – vor allem in Süddeutschland – in zahlreichen ausgewiesenen Windvorranggebieten bisher keine Windenergieanlagen errichtet worden sind. Neben der Begründung, dass die Errichtung von Windenergieanlagen einen langen Planungsvorlauf von regelmäßig 3 bis 5 Jahren benötigt, sind einige Gebiete auch als reine Alibiplanungen anzusehen, wenn dort die Errichtung von Windenergieanlagen offenkundig wirtschaftlich nicht rentierlich ist. Planungspraxis und Realisierungsmöglichkeit liegen hierbei, offensichtlich politisch motiviert, weit auseinander.

Derartige Strukturen zu ändern bedarf eines längeren Zeitraums. Als Beispiel lässt sich das Land Baden-Württemberg anführen, in dem es nach fast drei Jahren grün-roter Regierung auf den ersten Blick verwundert, dass das Bundesland bei der Windkraftnutzung den letzten Rang unter den Flächenländern bei der installierten Leistung und dem Anlagenbestand einnimmt. Trotz bundeseinheitlicher Gesetzgebung und landesspezifisch teilweise guter naturräumlicher Randbedingungen wurde zuvor der Ausbau durch auf Landes- und Regionalebene augenscheinlich radikaler Schwarz-Weiß-Planung, die Ausweisung sehr vieler Ausschlussgebiete und der erwähnten Alibivorranggebiete politisch gezielt verzögert. Der durch die grün-rote Regierung eingeleitete Paradigmenwechsel hin zur Forcierung der Windkraftnutzung hat trotz vieler Maßnahmen (Windenergieerlass, Novellierung des Landesplanungsgesetzes, Aufhebung und Neuaufstellung der Regionalpläne Windkraft) noch keine deutliche Wirkung. Die Umsetzung des neuen Ansatzes benötigt objektiv selbst bei günstigem Ablauf von der Neuaufstellung bis zur Genehmigung der Regionalpläne und am Ende neuer Windkraftanlagen mehrere Jahre (s.o.).

Das Beispiel Baden-Württemberg dokumentiert nachdrücklich, dass es bei vorhandenem umfangreichen Instrumentarium der Raumplanung von Anbeginn an des konkreten politischen Willens bedarf, um existierende Raumpotenziale am Ende tatsächlich für die Windkraftnutzung zu erschließen. Dieser Aspekt wirkt offenkundig stärker als andere limitierend oder auch unterstützend, je nach politischer Direktive, beim Ausbau der Windkraft.

Hinweis der Redaktion: Der Autor war Referent bei der Tagung der Fachagentur Windenergie an Land e. V., die am 14. Oktober 2014 in Erfurt zu dem Thema „Windenergie in der Regional- und Bauleitplanung: Rechtsprechung und Planungspraxis” stattfand. Siehe hierzu auch den Veranstaltungsbericht von Marike Pietrowicz auf S. 35 und den Artikel von Axel Tscherniak, Unterstützung für die Energiewende – Die neue Fachagentur für Windenergie nimmt ihre Arbeit auf, in: PUBLICUS 2014.4, S. 9ff.

 

Dr. habil. Martin Gude

Abteilungsleiter Energiepolitik, Technologie und Forschungsförderung, Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, Erfurt
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