15.11.2014

Startschuss für die Elektromobilität

Erste Schritte und Privilegien im geplanten Gesetz der Bundesregierung

Startschuss für die Elektromobilität

Erste Schritte und Privilegien im geplanten Gesetz der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein zur Förderung der Elektromobilität in Deutschland. | © BERLINSTOCK - Fotolia
Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein zur Förderung der Elektromobilität in Deutschland. | © BERLINSTOCK - Fotolia

Erstmals in seiner Regierungserklärung vom 31. 01. 2014 hat Verkehrsminister Dobrindt ein Elektromobilitätsgesetz angekündigt. Mit der Gesetzesinitiative sollen neue Anreize zur Entwicklung der Elektromobilität gesetzt werden. Der Referentenentwurf für ein solches Elektromobilitätsgesetz wurde umgehend in der ersten Jahreshälfte 2014 ausgearbeitet und am 24. 09. 2014 vom Bundeskabinett verabschiedet. Anschließend wurde der Gesetzentwurf dem Bundesrat zur weiteren Befassung übermittelt (BR-Drs. 436/14). Dort haben sich zuletzt die Ausschüsse – am 22. 10. 2014 der federführende Verkehrsausschuss – mit dem Gesetzentwurf befasst. Trotz kontroverser Aussprachen zeichnet sich eine grundsätzliche Befürwortung des Gesetzentwurfes ab. Dieser Beitrag stellt den Regelungsanlass, die wesentlichen Regelungsinhalte sowie einen ersten Überblick über die geplante Umsetzung der Gesetzesinitiative zum Elektromobilitätsgesetz vor.

Regelungsanlass der Gesetzesinitiative

Bereits seit mehreren Jahren besteht Einigkeit darüber, dass über rechtliche Rahmenbedingungen konkrete Anreize für Elektrofahrzeuge geschaffen werden sollen. Da von der Bundesregierung konkrete Kaufprämien abgelehnt werden, bedarf es sog. nichtmonetärer Anreize, die zusätzlich zur Steuerbefreiung und den positiven Umwelteffekten die Verbraucher zum Kauf von Elektrofahrzeugen motivieren sollen. In Betracht kommen dabei insbesondere Privilegien für Halter und Fahrer von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr.

Auch wenn der konkrete Handlungsbedarf bereits seit mehreren Jahren gesehen wird, hat es gleichwohl bislang an einer rechtssicheren Umsetzung konkreter Privilegien im Straßenverkehr gemangelt. Dies beginnt schon damit, dass Voraussetzung jeglicher Sonderstellung und Privilegierung eine rechtssichere Kennzeichnung der bevorzugten Fahrzeuge, hier: Elektrofahrzeuge, ist. An einer solchen Kennzeichnung fehlt es bis heute. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Beförderung von Elektromobilität ist die rechtssichere Möglichkeit zur Ausweisung von Sonderparkflächen für Elektrofahrzeuge. Die Ausweisung der Flächen wird dringend benötigt, damit die Stellplätze an der – noch überschaubaren – Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum auch tatsächlich den Elektrofahrzeugen zur Verfügung stehen. Häufig werden die Flächen von herkömmlichen Verbrennungsfahrzeugen blockiert, die ohne hinreichende Rechtsgrundlage nicht geahndet oder gar abgeschleppt werden können. Einen ersten Vorstoß zur Behebung dieses Problems hat das Verkehrsministerium mit Verkehrsblattveröffentlichung vom 15. 03. 2011 unternommen. Zwar wurden derartige Ausweisungen erst jüngst durch Entscheidungen des OLG Hamm (Beschluss vom 27. 05. 2014) und OLG Köln (Beschluss vom 12. 12. 2013) jedenfalls insoweit bestätigt, als ihre rechtlichen Maßgaben trotz fehlender Rechtsgrundlage zu befolgen sind. Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, dass es der Verkehrsblattverlautbarung an einer konkreten Ermächtigung im StVG fehlt. Ein erster Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg (BR-Drs. 671/13) zur Schaffung einer solchen Rechtsgrundlage wurde nun vom Entwurf des Elektromobilitätsgesetzes überholt, mit dem unter anderem diese Rechtsgrundlage geschaffen werden soll.


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Regelungsinhalte der Gesetzesinitiative

Neben dem eigentlichen Elektromobilitätsgesetz besteht die Gesetzesinitiative der Bundesregierung vor allem in einer Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung, der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Schließlich enthält die Gesetzesinitiative einen Entwurf zur Änderung der Verwaltungsvorschriften zur StVO. Die wesentlichen Regelungsinhalte der Gesetzesinitiative gliedern sich dabei in zwei Bereiche: Die Definition und Kennzeichnung der zu privilegierenden Elektrofahrzeuge einerseits und die Schaffung von konkreten Privilegierungstatbeständen andererseits, die von den Straßenverkehrsbehörden der Kommunen umgesetzt werden können. Nach Umsetzung der Gesetzesinitiative können die Kommunen Sonderparkplätze für Elektrofahrzeuge einrichten, Elektrofahrzeuge von den Parkgebühren ganz oder teilweise befreien, Elektrofahrzeuge von Zu- und Durchfahrtsbeschränkungen ausnehmen und sogar – heftig umstritten – Busspuren für Elektrofahrzeuge freigeben.

Im Gesamtkontext der Gesetzesinitiative bildet das Elektromobilitätsgesetz durch die Definition der privilegierten Fahrzeuge den Rahmen für die konkreten Regelungsinhalte. Außerdem schafft das Elektromobilitätsgesetz die Verordnungsermächtigungen im StVG, auf deren Grundlage die konkreten Privilegierungstatbestände durch Änderung bzw. Ergänzung der Verordnungen (insb. StVO) geschaffen werden. Derzeit geht die Bundesregierung davon aus, dass die Gesetzesinitiative zum 01. 02. 2015 in Kraft tritt. Außerdem herrscht die Annahme vor, dass sich Elektrofahrzeuge in den nächsten Jahren – vielleicht auch wegen der neuen Privilegien – am Markt durchsetzen werden. Ist dies der Fall, dann bedarf es der Bevorzugung von Elektrofahrzeugen nicht mehr. Deshalb soll das Gesetz und die damit einhergehenden Privilegierungen zum 30. 06. 2030 wieder außer Kraft treten («Sunset-Klausel»).

Geplante Umsetzung der Regelungsinhalte

Wie bereits erwähnt, bildet das Elektromobilitätsgesetz den Rahmen für die in den einzelnen Verordnungen geschaffenen Privilegierungstatbestände. Wesentlicher Kern des Elektromobilitätsgesetzes ist die Definition der privilegierten Fahrzeuge. Im Anwendungsbereich des Elektromobilitätsgesetzes sind grundsätzlich nur Pkws und leichte Lieferfahrzeuge bis zu 3,5 t (Klasse M1 und N1 Anhang II Teil A der RL 2007/46/EG) sowie leichte zwei-, drei- und vierrädrige Kraftfahrzeuge (Klassen L3e, L4e, L5e und L7e Anhang I der VO 168/2013/EU). Innerhalb dieser Fahrzeugklassen werden der rein batterieelektrische Antrieb, der elektrische Brennstoffzellenantrieb sowie der von außen aufladbare Hybrid-elektrische Antrieb (sog. plug-in Hybrid) privilegiert. Nur Fahrzeuge mit einem solchen Antrieb sind „Elektrofahrzeuge” im Sinne des Elektromobilitätsgesetzes. Besonders umstritten sind dabei die Anforderungen an die Privilegierung von plug-in Hybride. Hierfür genügt, dass sie höchstens 50 g CO2 je gefahrenen Kilometer ausstoßen oder (alternativ) 40 km unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Maschine fahren. Bis zum 31. 12. 2017 gilt sogar eine Übergangsbestimmung, nach der 30 km reinelektrische Fahrleistung ausreichen.

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Die geplante Änderungsverordnung sieht vor allem Ergänzungen zur Fahrzeugzulassungsverordnung und Straßenverkehrsordnung vor. Die Kennzeichnung der vorstehend im Einzelnen definierten Elektrofahrzeuge soll vorrangig über das Kfz-Kennzeichen erfolgen. Noch im Regierungsprogramm Elektromobilität war man davon ausgegangen, dass die Kennzeichnung aufgrund immissionsschutzrechtlicher Bestimmungen, insb. der 35. BImSchV, erfolgen soll. Nunmehr ist vorgesehen, dass die privilegierten Fahrzeuge durch die Kennung „E” nach der Ziffer auf dem Kennzeichen kenntlich gemacht werden. Die Kennzeichen sollen wie gehabt von den Zulassungsstellen ausgegeben werden. Wer bereits ein Elektrofahrzeug besitzt muss sich, um die Privilegierungen nutzen zu können, ein neues Kennzeichen besorgen. Damit auch im Ausland zugelassene Elektrofahrzeuge von den Privilegierungen profitieren können wird für sie eine neue blaue Plakette zur Kennzeichnung eingeführt.

Die geplanten Änderungen in der Straßenverkehrsordnung führen zuvorderst ein neues Sinnbild für Elektrofahrzeuge ein, das Ausgangspunkt der Beschilderungen zur Einrichtung von Sonderparkflächen, Freigabe von Bussonderfahrstreifen sowie Ausnahme von Verkehrsverboten sein soll. Darüber hinaus werden in der Straßenverkehrsordnung die konkreten Ermächtigungen der Straßenverkehrsbehörden zur Umsetzung der Privilegien verankert. Die konkreten Anforderungen an die Umsetzung ergeben sich schließlich aus den geplanten Änderungen zur Verwaltungsvorschrift zur StVO. So sollen bei der Einrichtung von Parkprivilegien bspw. die verkehrlichen Auswirkungen besonders berücksichtigt werden (etwa in einem Stellplatzkonzept). Außerdem sollen derartige Parkplätze möglichst an ÖPNV-Verkehrsknotenpunkten errichtet und vorrangig mit Zeichen 286 (Eingeschränktes Halteverbot) angeordnet werden. Schließlich dürfte auch die Maßgabe praxisrelevant sein, wonach das Parken auf diesen Flächen auf max. vier Stunden tagsüber zu beschränken ist.

Fazit

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Kennzeichnung und Privilegierung von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr ist ein wichtiger Baustein zur Förderung der Elektromobilität in Deutschland. Sicher erfährt der Entwurf vielerorts berechtigte Kritik. So stoßen sich vor allem Umweltverbände daran, dass die Anforderungen an plug-in Hybride zu lasch sind – erst recht, wenn man die Übergangsklausel bis 31. 12. 2017 und ihren Bestandsschutz bis 2030 berücksichtigt. Es ist wohl auch davon auszugehen, dass eine allgemeine Kennzeichnung durch Plakette erheblich weniger Verwaltungsaufwand erforderlich machen würde. Diese berechtigte Kritik darf jedoch nicht dazu führen, dass die Umsetzung der Kernvorhaben – Kennzeichnung und Parkvorrechte – noch weiter verzögert wird. Deshalb muss hier die Fabel vom „Spatz in der Hand” und der „Taube auf dem Dach” gelten. Die Diskussion um die rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem kommunale Anreize und Rechtssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, wird auch nach dem Elektromobilitätsgesetz weitergehen. Ein zweites Elektromobilitätsgesetz ist nicht ausgeschlossen.

 

Christian Alexander Mayer

Rechtsanwalt, Noerr LLP, München,
Lehrbeauftragter für Umweltrecht & Regulierung (Universität Stuttgart)
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