14.07.2019

Keine Umsatzsteuer beim Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle –

Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 a UStG

Keine Umsatzsteuer beim Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle –

Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 a UStG

Muss der Rotstift angesetzt werden?
Muss der Rotstift angesetzt werden?

Keine Umsatzsteuer beim Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle – Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 a UStG

Einführung:

Im nachfolgend dargestellten Urteil kommt das Finanzgericht Münster zu dem Ergebnis, dass die Überlassung einer Trauer- und Leichenhalle, von Leichenzellen (teilweise mit festinstallierter Kühlanlage) sowie von Abschiedsräumen eine nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Vermietung von Grundstücken darstellt.

Das Urteil des Finanzgerichts Münster betrifft zwar einen privaten Betreiber einer Trauer- und Leichenhalle, hat aber unter Geltung des § 2 b UStG (spätestens ab 1.1.2021) auch Auswirkungen auf den Betrieb kommunaler Trauer- und Leichenhallen.

Nach altem Recht, das bei Abgabe einer sog. Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG durch die juristische Person des öffentlichen Rechts (jPdöR) noch bis spätestens 31.12.2020 gilt, ist eine jPdöR (z.B. eine Gemeinde) umsatzsteuerlich nur dann Unternehmer, wenn sie einen sog. Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 4 KStG unterhält (§ 2 Abs. 3 UStG). Der Betrieb einer Leichenhalle durch eine jPdöR stellt in körperschaftsteuerlicher Hinsicht eine hoheitliche Tätigkeit der jPdöR und somit kein BgA dar (H 4.5 „Friedhofsverwaltung, Grabpflegeleistungen u.ä.“ KStH 2015). Nach altem Recht besteht somit keine Unternehmerschaft beim Betrieb einer kommunalen Leichen- und Trauerhalle.


Nach neuem Recht (Streichung des § 2 Abs. 3 UStG, Einführung des § 2 b UStG) ist für das Vorliegen der Unternehmereigenschaft einer jPdöR zunächst danach zu unterscheiden, ob die Tätigkeit (hier der Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle) auf privatrechtlicher Grundlage (dann Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG) oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (dann Unternehmereigenschaft nach § 2 b UStG, wenn die Nichtbesteuerung der jPdöR zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt) erfolgt.

Selbst wenn der Betrieb der Trauer- und Leichenhalle auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, dh im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung (z.B. einer öffentlich-rechtlichen Gebührensatzung) erfolgt, dürfte diese Tätigkeit – da Wettbewerb zu privaten Betreibern von Trauer- und Leichenhallen besteht (siehe die A-GmbH im Fall des FG Münsters) – zur Unternehmereigenschaft nach § 2 b Abs. 1 Satz 2 UStG führen (Ausnahme: Umsätze von nicht mehr als 17.500 € – § 2 b Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Bei Bejahung der Unternehmereigenschaft der jPdöR beim Betrieb einer Trauer- oder Leichenhalle – entweder nach § 2 Abs. 1 UStG (privatrechtliche Grundlage) oder § 2 b Abs. 1 Satz 2 UStG (öffentlich-rechtliche Grundlage) sind die aus dieser Tätigkeit resultierenden Umsätze nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nach § 4 Nr. 12 a UStG umsatzsteuerfrei. Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH dieser Auffassung anschließt.

Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle als umsatzsteuerfreie Vermietung und Verpachtung nach § 4 Nr. 12 a UStG

Finanzgericht Münster, Urteil vom 29.1.2019 – 15 K 2858/15 U
(www.fg-muenster.nrw.de)

Sachverhalt (stark verkürzt):

Geschäftsgegenstand der Klägerin – wohl eine Kapitalgesellschaft (geht aus Urteil nicht eindeutig hervor): im Weiteren deshalb als A-GmbH benannt – war in den Streitjahren (2011, 2012) der Bau und Betrieb eines Abschiedshauses sowie der Betrieb einer Trauer- und Leichenhalle, die sie von der Gemeinde X gepachtet hatte.

Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Pachtvertrages über die Trauer- und Leichenhalle veräußerte die Gemeinde X eine Teilfläche des Friedhofes, auf der die A-GmbH ein Ab-schiedshaus errichtete. Dieses Abschiedshaus wurde bzw. wird von der A-GmbH gemeinsam mit der gepachteten Trauer- und Leichenhalle genutzt.

Im Pachtvertrag wurde geregelt, dass die Gemeinde X (Verpächterin), die als Ordnungsbehörde verpflichtet ist, Leichenhallen im erforderlichen Umfang und zur Deckung des örtlichen Bedarfs vorzuhalten, ein jederzeitiges Zugangs- und Nutzungsrecht erhält. Ferner hat die A-GmbH lt. Pachtvertrag zu gewährleisten, dass sowohl den ortsansässigen als auch den ortsfremden Bestattungsunternehmen jederzeit zur Ausübung ihres Gewerbes die Nutzung der Trauer- und Leichenhalle im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten ermöglicht wird.

Das der A-GmbH durch den Pachtvertrag überlassene Gebäude unterteilt sich in eine Trauerhalle, die u.a. mit Bestuhlung und Kerzenständern ausgestaltet war, sowie fünf Leichenzellen, von denen vier eine festinstallierte Kühlungsanlage enthielten. Diese Leichenzellen waren dekoriert mit Blumenschmuck und Kerzenständern. Das von der A-GmbH errichtete Abschiedshaus teilt sich in drei Abschiedsräume und weitere Räumlichkeiten. Letztere vermietete die A-GmbH an ein Bestattungsunternehmen.

Die im gepachteten Gebäude befindlichen Räume (Trauerhalle, Leichenzellen) sowie die Abschiedsräume im neu errichteten Abschiedshaus vermietete die A-GmbH gegen Entgelt an Privatpersonen.

Die A-GmbH war der Auffassung, dass die Umsätze aus der Überlassung der Trauerhalle, der Leichenzellen sowie der Abschiedsräume im Abschiedshaus an Privatpersonen als Vermie-tungsumsätze nach § 4 Nr. 12 a UStG von der Umsatzsteuer befreit seien, da sie sich gegenüber ihren Kunden allein zur Überlassung der einzelnen Räumlichkeiten, nicht jedoch zur Erbringung weiterer Leistungen, verpflichtet habe.

Im Gegensatz dazu betrachtete das Finanzamt die betreffenden Umsätze als steuerpflichtige Umsätze, da diese nicht als solche aus Vermietung zu qualifizieren seien, die A-GmbH vielmehr weitere und damit insgesamt steuerpflichtige Leistungen erbringe (sog. Vertrag besonderer Art).

Leitsatz:

Bei der Überlassung einer Trauerhalle, von Leichenzellen sowie von Abschiedsräumen in einem Abschiedshaus handelt es sich um die Vermietung von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen nach § 4 Nr. 12 a UStG, weshalb die aus dieser Überlassung erzielten Umsätze steuerfrei sind.

Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster handele es sich bei der Überlassung der Räume (Trauerhalle, Leichenzellen und Abschiedsräume) durch die A-GmbH um eine nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Vermietungsleistung, die kein unselbständiger Bestandteil einer durch die A-GmbH im Rahmen eines Vertrages besonderer Art erbrachten Gesamtleistung sei. Sie habe mit der Vermietung auch nicht den Teil einer gemischten Leistung erbracht, weshalb das auf diese Vermietung entfallende Entgelt nicht in einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil aufzugliedern gewesen sei.

Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts habe die A-GmbH mit der Überlassung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten die Verfügungsmacht und insbesondere die Ausschlussbefugnis gegenüber Dritten an ihre Kunden übertragen. Denn die Kunden der A-GmbH haben die streitgegenständlichen Räumlichkeiten so in Besitz nehmen können, als wären sie deren Eigentümer, und haben jede andere Person von der Nutzung ausschließen können. Dabei sei es unschädlich, dass sowohl die A-GmbH als auch ihre Kunden unter Umständen den Zugang und die Nutzung durch die Gemeinde X als Ordnungsbehörde zu dulden hatten, da die jeweiligen Kunden die Trauerhalle bzw. den Abschiedsraum dennoch eigentümergleich haben nutzen können.

Dass die A-GmbH die Trauerhalle sowie die im Abschiedshaus vorhandenen Räumlichkeiten i.d.R. nur über kurze Zeiträume an ihre Kunden überlassen habe, sei unschädlich. Es handele sich insbesondere nicht um eine nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht steuerbefreite Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithalte. Bei den von der A-GmbH zur Nutzung überlassenen Räumlichkeiten handele es sich nicht um Wohn- oder Schlafräume, sondern vielmehr um Räumlichkeiten zur Aufbahrung von Leichnamen und Durchführung von Trauerfeiern, also durch die Endnutzer nicht gewerblich genutzte Räumlichkeiten.

Im Übrigen seien – so das Finanzgericht Münster – signifikante, neben die Überlassung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten tretende Zusatzleistungen, die die Vermietungsleistungen aufgrund der Kurzfristigkeit in den Hintergrund treten ließen, nicht zu erkennen. Die Vermietung der Trauerhalle und der Räumlichkeiten im Abschiedshaus sei nicht derart mit zusätzlichen Leistungen verbunden gewesen, dass die nur kurzfristige Nutzungsüberlassung in den Hintergrund getreten wäre, die weiteren Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge gegeben und zur Annahme umsatzsteuerpflichtiger Verträge besonderer Art geführt hätten.

Die Tatsache, dass die A-GmbH neben den streitgegenständlichen Räumlichkeiten auch Mobiliar – etwa Bestuhlung, Lampen und nicht individuell angepasste Dekorationsgegenstände wie Kerzenständer – überlassen und weitere Nebenleistungen – etwa die Lieferung von Strom – erbrachte habe, sei im Hinblick auf die obige Qualifikation der durch die A-GmbH erbrachten Leistungen als Vermietungsleistungen i.S.v. § 4 Nr.12 a UStG unschädlich. Die Mitvermietung von Mobiliar stelle innerhalb einer einheitlichen Vermietungsleistung gegenüber der Überlassung von Räumlichkeiten eine bloße Nebenleistung dar.

Auch die Überlassung der Leichenzellen stelle eine Vermietung und Verpachtung i.S.v. § 4 Nr. 12 a UStG dar, weshalb die aus dieser Überlassung erzielten Umsätze der A-GmbH steuerfrei seien. Das gelte unabhängig davon, ob es sich bei den überlassenen Leichenzellen um solche mit oder ohne festinstallierte Kühlungsanlage gehandelt habe, da es sich auch bei den Zellen mit festinstallierter Kühlungsanlage nicht um Betriebsvorrichtungen i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gehandelt habe, deren Vermietung nicht umsatzsteuerbefreit wäre. Bei den Zellen handele es sich um Gebäude, denn sie dienen zwar zuvörderst der – gekühlten – Aufbewahrung der Leichname, seien aber ebenfalls zum Aufenthalt von lebenden Menschen geeignet und sogar bestimmt. Die Aufbahrung der Leichname sowie die Einbringung von Blumenschmuck und Kerzen könne nämlich nur von Menschen – im vorliegenden Fall die von den Kunden der A-GmbH beauftragten Bestatter – vorgenommen werden. Aufgrund der Dekoration der Leichenzellen haben die Leichenzellen auch von den Angehörigen der Verstorbenen aufgesucht werden können, um einen persönlichen Abschied von der verstorbenen Person zu ermöglichen. Einem solchen Aufenthalt von lebenden Personen habe die Kühlung einiger der Leichenzellen gerade nicht entgegengestanden.

Die Revision wurde vom Finanzgericht Münster zugelassen, um dem BFH Gelegenheit zur Überprüfung seiner Rechtsansicht zur Umsatzsteuerbefreiung der kurzfristigen Überlassung von nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten zu geben.

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

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