07.07.2019

Gegen kriminelle Clans

Die Taktik der Nadelstiche

Gegen kriminelle Clans

Die Taktik der Nadelstiche

Kriminalität durch arabischstämmige Familienclans ist bereits seit Jahren ein Problem.
Kriminalität durch arabischstämmige Familienclans ist bereits seit Jahren ein Problem.

Aktuelle Berichte über gezielten Kontrollen und Razzien gegen arabische Familienclans dokumentieren die gemeinsame Arbeit von Polizei, Zoll und kommunalen Ordnungsbehörden. Diese „Nadelstiche“ sind zudem eine Demonstration politischer Tätigkeit gegen Clankriminalität. Allerdings stellt sich die Frage, was die aufwendigen Maßnahmen im Endeffekt bringen.

Clankriminalität in NRW und Berlin

Kriminalität durch arabischstämmige Familienclans ist bereits seit Jahren ein Problem. Zwischen 2016 und 2018 wurden in NRW 14.225 Delikte registriert, die auf das Konto der Clans gingen. Die meisten Fälle passierten im Bereich der Gewalt-Kriminalität (5.606), dahinter folgen Eigentums- und Betrugsdelikte (jeweils ca. 2.600 Fälle) und Drogendelikte (ca. 1.000 Fälle). Von den 6.449 in diesem Zeitraum erfassten Tatverdächtigen sind ca. 20 % Frauen.

Auch in Berlin fallen Mitglieder bestimmter Familienclans überproportional bei den ermittelten Tatverdächtigen auf. So gehen nach Einschätzungen des LKA Berlin etwa 25 % der Organisierten Kriminalität auf das Konto arabischer Familienclans.  In Berlin wurden andere OK-Strukturen nahezu vollständig von ihnen verdrängt.


Noch immer kann nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden, wie viele Familien zu diesen Clans gehören, geschweige denn, um wie viele problematische Mitglieder es sich tatsächlich handelt. Unterschiedliche Namen und diverse Schreibweisen erschweren die eindeutige Zuordnung. Auch sind nach wie vor nicht sämtliche Finanzierungsmethoden bekannt, die Clans für sich nutzen.

Keine neue Taktik

Um Clankriminalität zu begegnen, finden seit Monaten sowohl in NRW, als auch in Berlin immer wieder Kontrollen, Razzien und Beschlagnahmen statt. Die Taktik orientiert sich dabei an den Tätern, nicht an den Taten. Kleinste Vergehen sollen im Rahmen des Möglichen mit Strafen belegt und dadurch kriminelle Strukturen offengelegt und die Täter zermürbt werden. Die Idee dahinter ist nicht neu und eine Art taktischer Klassiker gegen organisiert-kriminelle Strukturen, die in der Vergangenheit schon oft Erfolge erzielen konnte. Ein Beispiel stellen die Interventionen der Behörden gegen die sog. „Sonnenland-Gangs“ 2009 in Hamburg dar.

Die Taktik der „100 Nadelstiche“ ist personal- und somit kostenaufwendig. Den Ertrag an registrierten Verstößen ist gemessen an den großflächigen Einsätzen bisweilen überschaubar. Dennoch ist die Taktik aus drei Gründen richtig und wichtig:

  1. Die Kontrollen funktionieren behördenübergreifend, das bedeutet, es sind keine rein polizei-taktischen Maßnahmen, sondern gemeinsam mit dem Zoll und kommunalen Ordnungsbehörden durchgeführte. Jeder Einsatz führt zu einer verbesserten Kooperation der Behörden untereinander, was im Kampf gegen Organisierte Kriminalität immanent wichtig ist.
  2. Aus den Kontrollen folgen Ermittlungen. Mit diesen werden neue Erkenntnisse über Strukturen und Geschäftsstrategien krimineller Clan-Mitglieder gesammelt. Und
  3. Die Maßnahmen der Behörden führen zu Reaktionen in den Clans, die aufgrund der engmaschigen Kontrolle schneller registriert und behandelt werden können. Die ermittelnden Behörden können so unterschiedliche Strategien der Clans kennenlernen und stellen zudem schnell fest, welche Maßnahmen wirkungsvoller sind und welche weniger.

Es bleibt nicht zuletzt ein Signal an die Gesellschaft einerseits und kriminelle Strukturen andererseits, dass der Staat Handlungsmacht zeigt.

Fazit

Kontrollen und Razzien als Maßnahmen müssen immer in Hinblick auf Wirkung und Verwirklichung des Ziels überprüft werden. Dabei kann es nicht um eine betriebswissenschaftliche Aufrechnung der eingesetzten Behördenkräfte gegenüber sichergestellten Mengen an Drogen, inkriminierten Geldern, Tabak oder sonstigen Werten gehen. Um OK-Strukturen generell und in diesem Fall die der Clans zu bekämpfen, bedarf es jeglicher Maßnahmen, die ihnen die Gelder entziehen und die erlangte Gebietsmacht einschränken. Und das bedeutet vor allem auch einen hohen Personal- und Arbeitsaufwand für alle beteiligten Behörden, insbesondere für die Polizei. Die Taktik der „100 Nadelstiche“ trägt dem Eroberungsgedanken der Clans Rechnung und ist allein deswegen ein wichtiges taktisches Instrument, um diesem entgegenzuwirken. Auch für das Sicherheitsgefühl der Bürger ist das Signal wichtig. Doch muss sich darauf aufbauend tatsächlich etwas verändern. Mittel- und langfristig bleibt zu untersuchen, ob die Maßnahmen noch wirksam sind, im Sinne von dadurch entdeckter Kriminalität, Sicherstellungen und neuen Ermittlungsansätzen. Vor allem der letzte Punkt ist entscheidend und verdeutlicht gleichzeitig, dass diese Bekämpfung von Clankriminalität viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt.

Verwendete Quellen:

  • Fengler, Denis: Nadelstich-Taktik: Das Erfolgsrezept der Polizei, online verfügbar s. untenstehenden Link (Stand: 25. März 2019).
 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen

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