„Kampf der Türme“
Der Konflikt zwischen der visuellen Wirkung von Windenergieanlagen und Bergbaumonumenten unter UNESCO-Welterbeschutz
„Kampf der Türme“
Der Konflikt zwischen der visuellen Wirkung von Windenergieanlagen und Bergbaumonumenten unter UNESCO-Welterbeschutz

Windenergieanlagen sind Bauwerke, die schon allein aufgrund ihrer Höhe und der daraus folgenden visuellen Wahrnehmbarkeit in Konkurrenz mit anderen – bereits in der Umgebung vorhandenen – Bauwerken treten. Wenn jene Bestandsanlagen unter Denkmalschutz stehen oder sogar zusätzlich unter UNESCO-Welterbeschutz, stellt sich im Genehmigungsverfahren die brisante Frage, wie dieser Raumkonflikt aufzulösen ist.
Berührt sind denkmalschutzrechtliche, bauplanungsrechtliche und völkerrechtliche Regelungen, die – katalysiert durch § 2 EEG – im Prüfprogramm der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 13 BImSchG) kulminieren. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hatte jüngst über die Zulässigkeit von drei Windenergieanlagen in der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří zu entscheiden, die im Wirkfeld eines bergbaulichen Haupt- und Richtschachts nebst Förderturm realisiert werden sollten. Das Urteil soll im Folgenden kommentiert werden.
I. Ausgangslage
In dem Verfahren ging es um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windenergieanlagen. Diese sollten im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) errichtet werden. In der Umgebung des prospektiven Vorhabenstandorts befanden sich verschiedene Denkmale, nämlich das „Schloss Wolkenstein“ (3,65 km Abstand zur nächstgelegenen Windenergieanlage) sowie die in der Kernzone des seit 2019 bestehenden UNESCO-Welterbes Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří1Das SächsOVG, Urt. v. 21.03.2024 – 1 C 2/24, SächsVBl. 2024, 293 ff. (in diesem Heft) referiert in Rn. 7 den Inhalt der Merkblätter des Bestandteils „13-DE Bergbaulandschaft Ehrenfriedersdorf“; die Bergbaulandschaft sei ein herausragendes Zeugnis der Zinnbauaktivitäten, deren bergbaugeschichtliche Wurzeln bis um 1230 zurückreichen. Der Förderturm Schacht 2 befindet sich zwar innerhalb der Welterbestätte, wird aber in den UNESCO-Nominierungsunterlagen – anders als der Sauberger Haupt- und Richtschacht sowie der Röhrgraben – weder textlich noch fotografisch als wertkonstituierendes Element erwähnt (SächsOVG, a. a. O., Rn. 9). Ausführliche Informationen über die Montanregion Erzgebirge unter https://www.montanregion-erzgebirge.de/. gelegene Sachgesamtheit „Bergbaumonumente Ehrenfriedersdorf“. Jene besteht aus dem „Sauberger Haupt- und Richtschacht“ mit dem „Förderturm Schacht 2“, die beide im Jahr 1990 stillgelegt wurden.2Bildimpressionen sind unter https://www.montanregion-erzgebirge.de/welterbe/marienberg/bergbaulandschaft-ehrenfriedersdorf/sauberger-haupt-und-richtschacht.html verfügbar (eingesehen am 24.06.2024). Der Abstand zur nächstgelegenen Windenergieanlage von der Pufferzone beträgt etwa 1,3 km, derjenige zum „Sauberger Haupt- und Richtschacht“ selbst sowie zum „Förderturm Schacht 2“ etwa 2,1 km (mit einer dazwischen gelegenen bewaldeten Hügelkette).3SächsOVG (Fn. 1), Rn. 6 mit 10. Für den Rechtsstreit sind vor allem die zuletzt genannten Bergbaumonumente von Interesse; das „Schloss Wolkenstein“ war wegen des größeren Abstandes und der geografischen Besonderheiten durch die verfahrensgegenständlichen Windenergieanlagen offensichtlich nur geringfügig beeinträchtigt.4Vgl. dazu SächsOVG (Fn. 1), Rn. 4 mit Rn. 23 und Rn. 53.
Das Landratsamt (untere Immissionsschutzbehörde) lehnte den Genehmigungsantrag des Betreibers ab. Im Kern erfolgte die Ablehnung wegen durchgreifender denkmalschutzrechtlicher Bedenken. Die Behörde stellte dabei vor allem auf den Umgebungsschutz der Welterbestätte ab. Deren Erscheinungsbild sei erheblich beeinträchtigt. Die Drehung der Rotoren bewirke zudem eine Aufmerksamkeitskonkurrenz zu den Denkmalen; das solitäre Erscheinungsbild des Förderturms als Landmarke ginge verloren.5Dazu im Einzelnen: SächsOVG (Fn. 1), Rn. 15. Diese Bewertung beruhte zunächst auch auf einer fachkundigen Einschätzung des Landesamtes für Denkmalpflege; jenes revidierte seine Bewertung der visuellen Raumwirkung indessen während des Widerspruchsverfahrens in maßgebenden Teilen und gelangte zu der Einschätzung, dass nur eine der vier Sichtbeziehungen aufgrund der Überprägung durch die geplanten Windenergieanlagen erheblich beeinträchtigt, jedoch die Schwelle zu einer besonders schweren, atypischen Beeinträchtigung nicht überschritten sei.6SächsOVG (Fn. 1), Rn. 24 f.
Bemerkenswert ist die Sachverhaltsdarstellung im Urteil in Bezug auf die konkrete Verfahrenshistorie, die im Hinblick auf eine gute Verwaltung ein Stück weit ein „Worst- Practice“-Szenario beschreibt: Obwohl die Landesdirektion Sachsen im Verwaltungsvorverfahren gegenüber dem Landratsamt explizit eine fachaufsichtliche Weisung avisiert hatte, um Aussetzung des Verfahrens ersuchte und erkennbar die denkmalrechtliche Bewertung der unteren Denkmalbehörde als nicht suffizient erachtete, setzte sich das Landratsamt „ohne Fristsetzung (…) und ohne weitere Kontaktaufnahme zur Klägerin“ über das Petitum der Landesdirektion hinweg, indem es den Widerspruch zurück wies.7SächsOVG (Fn. 1), Rn. 17 f. Ein derartiges Durchentscheiden „gegen die Fachaufsichtsbehörde“ und ohne Anhörung mag ggf. – obschon auch mit Blick auf das grundsätzliche Recht des Bürgers im Verwaltungsvorverfahren auf rechtliches Gehör problematisch – nicht zur Außenrechtswidrigkeit einer Verwaltungshandlung führen. Die Regelverletzung im Binnenrechtskreis indiziert aber nicht selten außenrechtserhebliche Fehler, die das Oberverwaltungsgericht in der Folge auch aufzeigte (dazu sogleich II.).
II. Entscheidungstragende Erwägungen des SächsOVG
Das Oberverwaltungsgericht war für den Rechtsstreit aufgrund der Sonderzuweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO erstinstanzlich zuständig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m betreffen.8Die Regelung wurde mit Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 03.12.2020 (BGBl I S. 2694) in die VwGO eingefügt; sie trat nach Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes am 10.12.2020 in Kraft; zur Frage, ob diese Regelung auch für seinerzeit bereits anhängige Verfahren Geltung beansprucht (verneinend) BayVGH, Beschl. vom 20.04.2021 – 22 A 21.40004 – juris; bestätigt durch BVerwG, Beschl. vom 26.01.2022 – 7 AV 1.21 – juris.
Da mangels behördlicher Ermessensentscheidung über eine erforderliche Abweichung vom Abstandsflächenerfordernis (§ 67 i. V. m. § 6 SächsBO9Zum Maßstab für die Erteilung einer Abweichung vom Abstandsflächenerfordernis für Windenergieanlagen etwa SächsOVG, Beschl. v. 25.05.2011 – 4 A 485/09 – juris, insbesondere zur Berücksichtigung von Nutzungserwartungen des Nachbarn und daraus folgenden Anforderungen an das Ermessen; OVG MV, Beschl. v. 12.11.2014 – 3 M 1/14 – juris Rn. 17 ff.; allgemein dazu Götze, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand: 61. EL., Kap. A V, Rn. 81.) die Klage nicht spruchreif und die Spruchreifmachung im Spannungsfeld der gesetzlich intendierten Beschleunigung kurzfristig nicht möglich war, konnte das Gericht nur durch Bescheidungsurteil entscheiden. Den flagranten Widerspruch zwischen Beschleunigungsintention gemäß § 87 c Abs. 1 Sätze 1 und 3 VwGO und dem Gebot des „Durchentscheidens“ durch Vornahmeurteil macht das Gericht in der Urteilsbegründung deutlich, indem es in Rn. 114 ff. angesichts der Komplexität immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren auf die primäre exekutive Verantwortung und die Grenzen judikativer Gestaltungskraft im gewaltenteilenden Rechtsstaat verweist. Dies kann als Appell an den Gesetzgeber verstanden werden, hier ggf. nachzusteuern. Im Grundsatz dürfte der Weg über eine Neubescheidung (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) – in Erwartung einer zügigen Verwaltungsentscheidung – einen praktikablen Weg aufzeigen.10Soweit ersichtlich, ist eine Fristsetzung im Tenor nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht möglich, zumindest nicht üblich. Ist die Behörde mit der Neubescheidung säumig, ist das – de lege lata – eine Frage der Vollstreckung (§ 172 VwGO). Wenn die Behörde ihrer Verpflichtung aus dem Urteil (Neubescheidung) nicht in angemessener Frist (Erfüllungsfrist) nachkommt, kann die Klägerpartei einen Vollstreckungsantrag beim Gericht stellen. Dann wird der Behörde durch das Gericht im Vollstreckungsverfahren eine (weitere) Frist gesetzt. Wenn diese ereignislos abläuft, kann ein Zwangsgeld festgesetzt werden; vgl. dazu und zur Angemessenheit der Frist auch OVG MV, Beschl. v. 09.10.2023 – 1 R 307/23 OVG – juris (= NVwZ-RR 2024, 18 ff.).
Im Folgenden werden einzelne, besonders interessante Teilaspekte11Auf die vom SächsOVG unter Ziffer IV. 4. geprüften Konflikte mit (ggf. in Aufstellung befindlichen) Zielen der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB; dieser ist von § 249 Abs. 1 BauGB nicht gesperrt) wird hier nicht eingegangen, vgl. SächsOVG (Fn. 1), Rn. 107 ff. der sehr ausführlich begründeten und mit zahlreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung belegten Entscheidung nachgezeichnet und analysiert. Im Kern der Entscheidung geht es um die Reichweite landesdenkmalschutzrechtlicher (1.) und bauplanungsrechtlicher (2.) Belange in Bezug auf den Umgebungsschutz von Denkmalen, jeweils „angereichert“ durch völkerrechtliche Postulate aufgrund des UNESCO-Welterbeschutzes. Handelte es sich insoweit um Konfliktbelange, die im Kontext der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als Versagungsgründe gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu gewichten waren, streitet § 2 EEG als Gewichtungsvorgabe dezidiert zugunsten des zur Genehmigung stehenden Vorhabens (unten 3.).
1. Landesrechtlicher Denkmalschutz als Konfliktbelang
Im Entscheidungsprogramm der Immissionsschutzbehörde ist der landesrechtliche Denkmalschutz über § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 12 Abs. 2 SächsDSchG verankert. Bereits in der Vergangenheit hat diese Konfliktlinie – erinnert sei z. B. an den Rechtsstreit über Windenergieanlagen im Umfeld der Wartburg12Vgl. nur VG Meiningen, Beschl. v. 25.01.2006 – 5 E 386/05.Me – juris (= ThürVBl. 2006, 163 ff.). – Bedeutung erlangt. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht konnte zum Umgebungsschutz von Denkmalen gemäß § 12 Abs. 2 SächsDSchG auf ein solides Fundament stehender Rechtssätze aufbauen, die im Folgenden noch einmal referiert werden sollen (a). Diese greift das Oberverwaltungsgericht auf, indem es die Aktivierungsschwelle des Umgebungsschutzes sorgfältig prüft (b) und in einen völkerrechtlichen Kontext setzt (c).
a) Umgebungsschutz gemäß § 12 Abs. 2 SächsDSchG
Gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 SächsDSchG dürfen bauliche oder garten- und landschaftsgestalterische Anlagen in der Umgebung eines Kulturdenkmals, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung sind, nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde errichtet, verändert oder beseitigt werden. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals nur unerheblich oder nur vorübergehend beeinträchtigen würde oder wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls Berücksichtigung verlangen, § 12 Abs. 2 S. 3 SächsDSchG.13Auf den Maßstab für die Genehmigung nach Überschreiten der „Aktivierungsschwelle“ gehen wir mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall hier nicht weiter ein; dazu kann auf Worch/Schauer, SächsVBl. 2023, 361, 365 ff. verwiesen werden.
Damit der Genehmigungsvorbehalt überhaupt ausgelöst wird, muss die Anlage in der Umgebung des Kulturdenkmals von erheblicher Bedeutung für das Erscheinungsbild des Denkmals sein. Erst dann wird der denkmalrechtliche Umgebungsschutz „aktiviert“. Wurde diese Aktivierungsschwelle überschritten, ist die Genehmigung zu erteilen, wenn nur eine unerhebliche Beeinträchtigung durch das Vorhaben erfolgt. Anders gewendet: Nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung ist die Genehmigung zu versagen.14Ausführlich zum Ganzen Worch/Schauer (Fn. 13), 361 ff.
Es ist demzufolge zunächst erforderlich, dass die Anlage, die errichtet, verändert oder beseitigt wird, von wesentlicher Bedeutung für das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals ist. Nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wird das Erscheinungsbild eines Denkmals in diesem Sinne in erster Linie durch seine von außen sichtbaren Teile bestimmt, an denen der sachkundige Betrachter den Denkmalwert abzulesen vermag. Geschützt sein kann daneben aber auch die Innenperspektive, also der Blick aus dem Denkmal in die Umgebung, demnach der Bezug des Denkmals zu seiner Umgebung. Neben der Bedeutung des Vorhabens für das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals, muss sich das Vorhaben zudem in der Umgebung des Kulturdenkmals befinden, damit die „Aktivierungsschwelle“ des Umgebungsschutzes überschritten wird.
Bei der räumlichen Ab- und Eingrenzung des danach geschützten Bereichs ist zwingend die Bedeutung der Umgebung für das Denkmal in den Blick zu nehmen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht zieht insoweit stets § 2 Abs. 3 Nr. 1 SächsDSchG heran.15SächsOVG, Urt. v. 28.01.2015 – 1 A 448/11 – juris, Rn. 29. Die Umgebung des Kulturdenkmals ist danach – ohne selbst Bestandteil des Kulturdenkmals zu sein – nämlich nur insoweit Gegenstand des Denkmalschutzes, wie die Umgebung für das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals von erheblicher Bedeutung ist.16SächsOVG (Fn. 15), vgl. auch Tolkmitt/Külpmann, jM 2017, 463 ff. Ausgangspunkt für die Bestimmung der Umgebung ist das Denkmalobjekt, um dessen schutzwürdiges Erscheinungsbild es geht. Somit ist die Umgebung eines Denkmals der Bereich, auf den es ausstrahlt und der es in denkmalrechtlicher Hinsicht seinerseits prägt und beeinflusst („Wirkbereich“).17Kleine-Tebbe, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Aufl. 2022, Rn. 347. Denkmal und Bauvorhaben müssen zumindest optisch in einem Blickfeld liegen und konkret wahrnehmbar sein.18Weber, Instrumente und Grenzen des Umgebungsschutzes bei Baudenkmälern, S. 73 m. w. N. Es bedarf also einer optisch wahrnehmbaren Wechselwirkung zwischen dem Baudenkmal und dem Vorhaben. Damit zählen alle Objekte an einem bestimmten Ort, von denen man wesentliche Teile des Denkmals wahrnehmen kann, zur Umgebung.19Weber (Fn. 18), S. 73.
Die nähere unbebaute Umgebung gehört jedenfalls dann zum Erscheinungsbild des Baudenkmals, wenn es bewusst in eine bestimmte Landschaft „hineinkomponiert“ oder seine Umgebung so gestaltet wurde, dass sie sich ihrerseits auf das Denkmal bezieht, um die mit ihm verfolgte künstlerische Absicht zu verdeutlichen oder zu verstärken.20SächsOVG (Fn. 15), Rn. 31. Ist die Umgebung eines denkmalgeschützten Bauwerks integraler Bestandteil des Erscheinungsbildes des denkmalgeschützten Bauwerkes, sind auch entsprechende Blickbeziehungen auf das Gebäude zu und von dem Gebäude weg – gleichsam rechtsreflexartig – geschützt.21SächsOVG (Fn. 15), Rn. 31; SächsOVG, Beschl. v. 07.08.2017 – 1 B 143/17 – juris, Rn. 20 f.
Folglich setzt nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts22SächsOVG, Beschl. v. 19.12.2014 – 1 B 263/14 – juris, Rn. 14; Sächs- OVG (Fn. 15), Rn. 29; SächsOVG, Beschl. v. 22.09.2016 – 1 B 194/16 – juris, Rn. 17; SächsOVG, Beschl. v. 07.08.2017 – 1 B 143/17 – juris, Rn. 22. die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung voraus, dass die Umgebung eines Kulturdenkmals gerade „wesentlich“ bzw. „von erheblicher Bedeutung“ für dessen Erscheinungsbild ist.23Ebenso: Martin/Schneider/Wecker/Bregger, Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG), Komm., 1999, S. 105; Kleine-Tebbe, (Fn. 17), Rn. 347; Tolkmitt/Külpmann, (Fn. 16), 463, 464. Die Bedeutung der Umgebung für das Kulturdenkmal ist daher auch nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes eine zwingende Vorfrage, bevor beurteilt werden kann, ob das Vorhaben in der Umgebung das Kulturdenkmal erheblich beeinträchtigt. Hierfür spricht, dass wenn es der Umgebung an einer entsprechenden erheblichen Bedeutung fehlt, sie nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 SächsDSchG kein Bestandteil des Denkmalschutzes ist. In diesem Fall wäre es mit Blick auf Art. 14 GG nicht gerechtfertigt, das Vorhaben in der „denkmalschutzrechtlich bedeutungslosen“ Umgebung des Denkmals unter einen Erlaubnisvorbehalt zu stellen. Das Gesetz muss insoweit nicht jede (nachteilige) Veränderung der Umgebung verhindern oder einem Genehmigungsvorbehalt unterwerfen.24BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 – 4 C 3.08 – juris, Rn. 14.
Es kommt in dieser Fallkonstellation entscheidend darauf an, dass die Ausstrahlungskraft des Denkmals gerade auch von der Gestaltung der Umgebung abhängt. Entscheidend ist dabei die prägende Wirkung im Hinblick auf die einzelnen Bedeutungskategorien, sodass z. B. der Einfluss der Umgebungsmaßnahme auf die städtebauliche und künstlerische Bedeutung entscheidend ist.25SächsOVG (Fn. 15), Rn. 29; so auch Weber (Fn. 18), S. 76; HessVGH, BauR 1995, S. 687, 688. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Denkmalwürdigkeit eines Baudenkmals hinsichtlich des Umgebungsschutzes jedenfalls nicht losgelöst von den Erwägungen bestimmt werden kann, die im Übrigen für die Schutzwürdigkeit des Baudenkmals bestimmend sind.26BVerwG, Urt. v. 18.05.2001 – 4 CN 4.00 – juris, Rn. 5. Dies folgt aus der Wechselbezüglichkeit von Substanz- und Umgebungsschutz, die für die Erreichung der Ziele des Denkmalschutzes gleichermaßen erforderlich sind. Folglich können die Anforderungen an den Umgebungsschutz ohne nähere Kenntnis des Denkmalwerts, der sich insbesondere aus der Begründung der Unterschutzstellung ergeben kann, nicht bestimmt werden.27BVerwG (Fn. 15), Rn. 5.
b) Einzelfallbezogene Anwendung des § 12 Abs. 2 SächsDSchG
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht setzt sich mit dem denkmalrechtlichen Umgebungsschutz in den Entscheidungsgründen – nachdem es seinen vorstehend skizzierten rechtlichen Maßstab in den Rn. 49 ff. referiert – ab Rn. 51 ff. intensiv auseinander, wobei der Schwerpunkt auf der Vorfrage liegt, ob die Aktivierungsschwelle des Umgebungsschutzes nach § 12 Abs. 2 SächsDSchG überschritten ist. Dies war nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Schloss Wolkenstein recht eindeutig zu verneinen; der Senat trat insoweit der sachkundigen Bewertung durch die Denkmalfachbehörde bei.28SächsOVG (Fn. 1), Rn. 53. Aber auch hinsichtlich der bergbaulichen Denkmale (Sauberger Haupt- und Richtschacht sowie Förderturm Schacht 2) gelangte das Oberverwaltungsgericht zu dem gleichen Ergebnis und verneinte das Genehmigungserfordernis nach § 12 Abs. 2 SächsDSchG. Maßgeblich dafür waren aus Sicht des Senates die recht große Entfernung der nächstgelegenen Windenergieanlage von mehr als 2 km von den beiden Schachtanlagen und die Belegenheit in der konkreten topografischen Umgebung einer bewaldeten Hügelkette.29SächsOVG (Fn. 1), Rn. 56. Von entscheidender Bedeutung („Vor allem“) war aber, dass die unbebaute Umgebung für keines dieser beiden Bergbaumonumente integraler Bestandteil des Erscheinungsbildes war, etwa bewusst in diese Landschaft hineinkomponiert worden wäre oder in Bezug auf ihre Umgebung ein die Denkmalwirkung betonendes bzw. verstärkendes ästhetisches oder sonstiges künstlerisches Konzept zugrunde lag.30SächsOVG (Fn. 1), Rn. 56 f. mit 57. Die für sie gegebenen bergbaulichen Sachnotwendigkeiten oder die im Bewusstsein der Menschen vor Ort bestehende Verankerung des Erscheinungsbildes als „Wahrzeichen der Stadt“ genügten dem Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des im Ortstermin gewonnenen eigenen Eindrucks und der Erläuterungen durch die Denkmalfachbehörde hingegen nicht.31SächsOVG (Fn. 1), Rn. 57. Dies gelte – aus topografischen Gründen und mangels qualifizierter Sichtbeziehung auch für das Denkmal „Röhrgraben“.32SächsOVG (Fn. 1), Rn. 58 ff.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht stellt in diesem Zusammenhang aber auch klar, dass ein bloßer funktionaler Zusammenhang zwischen den Denkmalen für die Erheblichkeit in Bezug auf das Erscheinungsbild des Denkmals nicht genüge, soweit der funktionale Zusammenhang nicht zumindest auch auf einer Sichtbeziehung gründe.33SächsOVG (Fn. 1), Rn. 61. Es bedarf daher nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 SächsDSchG für die Annahme einer erheblichen Bedeutung der Umgebung einer über den bloßen funktionalen Zusammenhang hinausgehenden gestalterischen Idee bzw. einer gewollten Blickbeziehung zwischen der unbebauten Umgebung bzw. einem anderen Denkmal in der Umgebung und dem Denkmal.34A. A. wohl VG Sigmaringen, Urt. v. 14.02.2019 – 9 K 4136/17 – juris, Rn. 67 zum wortlautgleichen § 2 Abs. 3 Nr. 1 DSchG BW. Dies ist mit Blick auf den Schutzzweck des Denkmalschutzrechtes durchaus konsequent, da es bei einer rein (technisch-)funktionalen Anordnung der Anlagen in der Regel an einem besonderen geistigen Gehalt bzw. einer besonderen Botschaft fehlen wird, die durch den Wirkzusammenhang zwischen Umgebung und Denkmal veranschaulicht werden soll.
Auf die von der Beklagtenseite – sinngemäß – aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 12 Abs. 2 a SächsDSchG hinsichtlich der Ausnahmetatbestände erweiterungsfähig sei35SächsOVG (Fn. 1), Rn. 18., kam es – da das Oberverwaltungsgericht schon die „Aktivierungsschwelle“ des § 12 SächsDSchG als nicht überschritten ansah – nicht mehr entscheidungserheblich an. Anzumerken ist, dass § 12 SächsDSchG ohnehin regelungstechnisch nicht geglückt ist; die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfalteten Ausnahmegründe36Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 -, BVerfGE 100, 226; hierzu etwa Papier, DVBl 2000, 1398 ff., die in den Landesdenkmalgesetzen vieler Bundesländer auch differenziert kodifiziert worden sind37Vgl. z. B. § 13 Abs. 2 DSchG Rh-Pf oder § 10 Abs. 2 DSchG LSA., müssen in Sachsen durch verfassungsrechtskonforme Auslegung der Norm implementiert werden.38Kritisch deshalb – mit Recht – bereits Füßer, in: Reich (Hrsg.), Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, 2002, S. 453, 481 f. m. w. N.
c) Völkerrechtliche Überformung durch die UNESCO-Welterbekonvention; Rechtswirkung des § 2 Abs. 5 BNatSchG
An diesem Zwischenbefund ändert nach Auffassung des Senats auch der völkerrechtliche Bezugsrahmen nichts.39SächsOVG (Fn. 1), Rn. 64 ff. Das Oberverwaltungsgericht schichtet diesbezüglich zunächst sorgfältig anhand der Nominierungsunterlagen ab.40SächsOVG (Fn. 1), Rn. 65. So gehörten zwar Teile der Sachgesamtheit „Bergbaumonumente Ehrenfriedersdorf “ dem UNESCO-Welterbebestandteil 13- DE „Bergbaulandschaft Ehrenfriedersdorf “ an, namentlich der „Sauberger Haupt- und Richtschacht“ mit „Röhrgraben“, jedoch sei dagegen der Förderturm „Schacht 2“ – trotz seiner Belegenheit innerhalb der Welterbezone – kein wertkonstituierendes Element. Entscheidend ist für die betroffenen wertkonstituierenden Elemente (Sauberger Haupt- und Richtschacht, Röhrgraben), dass diese „in ihrer Substanz“ nicht betroffen seien.41SächsOVG (Fn. 1), Rn. 66. Damit orientiert sich das Oberverwaltungsgericht an der Anwendungssystematik des Umgebungsschutzes gemäß § 12 Abs. 2 SächsDSchG. Es statuiert ein gewisses – der Rechtfertigungsebene vorgelagertes – Signifikanzkriterium.42Diesen Terminus verwendet das Gericht nicht; gewisse Parallelen zur sog. Signifikanzschwelle im Artenschutzrecht (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008, BVerwGE 131, 274, Rn. 91) bestehen. Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts ließen sich erhebliche visuelle Beeinträchtigungen der Raumwirkungen wertkonstituierender Elemente des Welterbebestandteils 13-DE durch die deutlich außerhalb der Pufferzone liegenden Vorhaben im konkreten Fall sicher ausschließen.43SächsOVG (Fn. 1), Rn. 79; das Gericht setzt sich in Rn. 75 ff. intensiv mit verschiedenen Sachverständigengutachten zu den Sichtachsen und Sichtbeziehungen sowie Auswirkungen des Vorhabens auseinander. Ob das Landesamt für Denkmalpflege seiner Beurteilung auch eine Stellungnahme des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) zugrunde gelegt hat, ergibt sich aus der Entscheidung für uns nicht.
Auch wenn insoweit der konkrete Sachverhalt letztlich ausschlaggebend gewesen ist, sind die rechtlichen Obersätze zur innerstaatlichen Wirkung der UNESCO-Welterbekonvention über den Transmissionsriemen des nationalen Rechts, hier des Landesdenkmalschutzrechts von erheblichem Wert: Der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts tritt der Rechtsprechung des 4. Senats bei, der seinerzeit am Beispiel der Dresdner „Waldschlösschenbrücke“ judiziert hatte, dass die völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen des Bundes, die nicht in den innerstaatlichen Rechtsraum inkorporiert worden sind44Sorgfältige vergleichende Analyse des SächsOVG (de lege lata) (Fn. 1), in Rn. 70 ff.; es bleibe dem Gesetzgeber in Sachsen de lege ferenda unbenommen, „den Umgebungsschutz für die hiesigen Welterbestätten normativ zu radizieren und ggf. ipso iure auf deren Pufferzonen zu erstrecken.“ (Rn. 71)., bei der Auslegung von Bundes- und Landesrecht zu berücksichtigen seien; alle Staatsorgane seien verpflichtet, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen zu unterlassen.45Referierend SächsOVG (Fn. 1), Rn. 69 unter Hinweis auf SächsOVG, Beschl. v. 09.03.2007 – 4 BS 216/06 – juris Rn. 66 ff, 77 ff; BVerfG, Beschl. v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00 –, juris, Rn. 95. Die Frage, ob die Welterbekonvention unmittelbare innerstaatliche Bindungswirkung auszulösen vermag, ließ das Oberverwaltungsgericht mit Blick darauf ausdrücklich offen.46SächsOVG (Fn. 1), Rn. 69. Keine abschließende Entscheidung musste das Gericht auch zu der Frage treffen, ob – eo ipso oder qua völkerrechtsfreundlicher Auslegung – ein Umgebungsschutz in der Pufferzone geboten sei und welcher normative Schutzmaßstab dann in Bezug auf die Bedeutung des Erscheinungsbildes für das Denkmal in der Pufferzone gälte. Denn selbst bei Unterstellung eines solchen Schutzpostulats aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue, Treu und Glaubens sowie dem Prinzip der völkerrechtsfreundlichen Auslegung, sei aufgrund der Entfernung des Vorhabens von ca. 1,3 km vom Rand der Pufferzone eine signifikante Beeinträchtigung wesentlicher Sichtachsen (erhebliche visuelle Beeinträchtigungen der Raumwirkungen wertkonstituierender Elemente des Welterbebestandteils) durch das klägerische Vorhaben auszuschließen.47SächsOVG (Fn. 1), Rn. 72 mit 79.
Die nachfolgende Passage der Entscheidungsgründe, in der sich das Oberverwaltungsgericht recht ausführlich mit der möglichen Überformung des „klassischen“ Denkmalrechts durch § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG auseinandersetzt48SächsOVG (Fn. 1), Rn. 80 ff., ist eine – weitere – sorgfältig herausgearbeitete rechtliche „Miniatur“: Der Schutz des Kulturerbes wird neben demjenigen des Naturerbes in § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG besonders betont. Die systematische Verortung des Kulturerbes im Bundesnaturschutzgesetz mag zunächst überraschen. Hier zeigt sich aber eine im völkerrechtlichen Kontext tradierte Bezugnahme des Kulturerbes auf ein universell verstandenes Umweltverständnis, das auch anthropogene Kulturschöpfungen in ihrer natürlichen Einbettung mit umfasst. Das Oberverwaltungsgericht referiert die verschiedenen, im Schrifttum vertretenen Auffassungen, deren Spektrum von überflüssiger Regelung zur Selbstvergewisserung über Norm mit appellativem Charakter bis hin zu einer final wirkenden Unterstützungspflicht reicht.49Vgl. dazu im Einzelnen die Nachweise des SächsOVG (Fn. 1), Rn. 81. § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG dürfte freilich nicht nur eine programmatische Auffangvorschrift50Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, Komm., 3. Aufl. 2021, § 2, Rn. 51. sein; sie enthält vielmehr Verpflichtungen zur Vernetzung, Kooperation und Koordination der zuständigen Behörden. § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG richtet sich insbesondere an die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder und konkretisiert die Unterstützungspflicht nach § 2 Abs. 2 BNatSchG.51Hendrischke (Fn. 50), § 2 Rn. 51; zum Verlust des Welterbe-Status der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal durch das Bauvorhaben „Waldschlösschenbrücke“ Wolf, NuR 2008, 311 ff.; Kilian, LKV 2008, 248 ff. Darüber hinaus intendiert die Vorschrift den bereits im Zusammenhang mit dem UNESCO-Welterbe angesprochenen allgemeinen Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung52Zur Fundierung der völkerrechtsfreundlichen Interpretation etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 16. Aufl. 2020, Art. 25 Rn. 6; Aust, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 25 Rn. 38 m. w. N. des nationalen Rechts zur Heilung von normativen Umsetzungsdefiziten.53Hendrischke (Fn. 50), § 2 Rn. 51. Dem Oberverwaltungsgericht ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass die UNESCO-Welterbekonvention über den Hebel des § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung im Sinne einer intendierten Überprägung der Denkmalschutzgesetze der Länder zukommen kann.54Dezidiert SächsOVG (Fn. 1), Rn. 81 a.E.; insofern ist die Lage anders als bei § 2 EEG (dazu noch später).
Die hierfür gegebene Begründung des Senats schlägt den Bogen von der Vorgängerregelung bis hin zur Entstehungsgeschichte und dem Telos des § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG in der seit März 2010 geltenden Fassung: Zwar sei es nach der Begründung zum Gesetzentwurf55BR-Drs. 278/09, S. 162. erklärtes Ziel des Gesetzgebers gewesen, auch die Welterbekonvention als „Schutzregime“ hervorzuheben; es sei aber nicht davon auszugehen, dass damit auch ein regelnder Zugriff auf die in die Kulturhoheit der Länder fallende Gesetzgebungszuständigkeit für den Denkmalschutz beabsichtigt gewesen sei.56SächsOVG (Fn. 1), Rn. 84; zur Gesetzgebungskompetenz für Denkmalschutz und -pflege ausführlich Rabeling, Die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in administrativen Abwägungsentscheidungen, 2012, 13 ff. Das Instrumentarium des Naturschutzrechts trete gleichsam additiv neben das Landesrecht, § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG überpräge die Länderregelungen aber nicht. Dies überzeugt! Die gegenteilige Rechtsauffassung müsste zudem begründen, welche konkreten rechtlichen Maßstäbe sie § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG entnehmen will und wie sich dies in Konkurrenz zu den in einigen Bundesländern vorhandenen spezifischen Bestimmungen über den Umgebungsschutz von Welterbestätten57Dazu SächsOVG (Fn. 1), Rn. 71 (z. B. Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein). verhält. Generell ist zu bezweifeln, dass selbst eine extensive Auslegung des § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG im konkreten Fall mit Blick auf die Entfernung des Vorhabens von ca. 1,3 km vom Rand der Pufferzone zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätte.
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Entnommen aus Sächsische Verwaltungsblätter 9/2024, S. 286.
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- 1Das SächsOVG, Urt. v. 21.03.2024 – 1 C 2/24, SächsVBl. 2024, 293 ff. (in diesem Heft) referiert in Rn. 7 den Inhalt der Merkblätter des Bestandteils „13-DE Bergbaulandschaft Ehrenfriedersdorf“; die Bergbaulandschaft sei ein herausragendes Zeugnis der Zinnbauaktivitäten, deren bergbaugeschichtliche Wurzeln bis um 1230 zurückreichen. Der Förderturm Schacht 2 befindet sich zwar innerhalb der Welterbestätte, wird aber in den UNESCO-Nominierungsunterlagen – anders als der Sauberger Haupt- und Richtschacht sowie der Röhrgraben – weder textlich noch fotografisch als wertkonstituierendes Element erwähnt (SächsOVG, a. a. O., Rn. 9). Ausführliche Informationen über die Montanregion Erzgebirge unter https://www.montanregion-erzgebirge.de/.
- 2Bildimpressionen sind unter https://www.montanregion-erzgebirge.de/welterbe/marienberg/bergbaulandschaft-ehrenfriedersdorf/sauberger-haupt-und-richtschacht.html verfügbar (eingesehen am 24.06.2024).
- 3SächsOVG (Fn. 1), Rn. 6 mit 10.
- 4Vgl. dazu SächsOVG (Fn. 1), Rn. 4 mit Rn. 23 und Rn. 53.
- 5Dazu im Einzelnen: SächsOVG (Fn. 1), Rn. 15.
- 6SächsOVG (Fn. 1), Rn. 24 f.
- 7SächsOVG (Fn. 1), Rn. 17 f.
- 8Die Regelung wurde mit Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 03.12.2020 (BGBl I S. 2694) in die VwGO eingefügt; sie trat nach Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes am 10.12.2020 in Kraft; zur Frage, ob diese Regelung auch für seinerzeit bereits anhängige Verfahren Geltung beansprucht (verneinend) BayVGH, Beschl. vom 20.04.2021 – 22 A 21.40004 – juris; bestätigt durch BVerwG, Beschl. vom 26.01.2022 – 7 AV 1.21 – juris.
- 9Zum Maßstab für die Erteilung einer Abweichung vom Abstandsflächenerfordernis für Windenergieanlagen etwa SächsOVG, Beschl. v. 25.05.2011 – 4 A 485/09 – juris, insbesondere zur Berücksichtigung von Nutzungserwartungen des Nachbarn und daraus folgenden Anforderungen an das Ermessen; OVG MV, Beschl. v. 12.11.2014 – 3 M 1/14 – juris Rn. 17 ff.; allgemein dazu Götze, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand: 61. EL., Kap. A V, Rn. 81.
- 10Soweit ersichtlich, ist eine Fristsetzung im Tenor nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht möglich, zumindest nicht üblich. Ist die Behörde mit der Neubescheidung säumig, ist das – de lege lata – eine Frage der Vollstreckung (§ 172 VwGO). Wenn die Behörde ihrer Verpflichtung aus dem Urteil (Neubescheidung) nicht in angemessener Frist (Erfüllungsfrist) nachkommt, kann die Klägerpartei einen Vollstreckungsantrag beim Gericht stellen. Dann wird der Behörde durch das Gericht im Vollstreckungsverfahren eine (weitere) Frist gesetzt. Wenn diese ereignislos abläuft, kann ein Zwangsgeld festgesetzt werden; vgl. dazu und zur Angemessenheit der Frist auch OVG MV, Beschl. v. 09.10.2023 – 1 R 307/23 OVG – juris (= NVwZ-RR 2024, 18 ff.).
- 11Auf die vom SächsOVG unter Ziffer IV. 4. geprüften Konflikte mit (ggf. in Aufstellung befindlichen) Zielen der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB; dieser ist von § 249 Abs. 1 BauGB nicht gesperrt) wird hier nicht eingegangen, vgl. SächsOVG (Fn. 1), Rn. 107 ff.
- 12Vgl. nur VG Meiningen, Beschl. v. 25.01.2006 – 5 E 386/05.Me – juris (= ThürVBl. 2006, 163 ff.).
- 13Auf den Maßstab für die Genehmigung nach Überschreiten der „Aktivierungsschwelle“ gehen wir mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall hier nicht weiter ein; dazu kann auf Worch/Schauer, SächsVBl. 2023, 361, 365 ff. verwiesen werden.
- 14Ausführlich zum Ganzen Worch/Schauer (Fn. 13), 361 ff.
- 15SächsOVG, Urt. v. 28.01.2015 – 1 A 448/11 – juris, Rn. 29.
- 16SächsOVG (Fn. 15), vgl. auch Tolkmitt/Külpmann, jM 2017, 463 ff.
- 17Kleine-Tebbe, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Aufl. 2022, Rn. 347.
- 18Weber, Instrumente und Grenzen des Umgebungsschutzes bei Baudenkmälern, S. 73 m. w. N.
- 19Weber (Fn. 18), S. 73.
- 20SächsOVG (Fn. 15), Rn. 31.
- 21SächsOVG (Fn. 15), Rn. 31; SächsOVG, Beschl. v. 07.08.2017 – 1 B 143/17 – juris, Rn. 20 f.
- 22SächsOVG, Beschl. v. 19.12.2014 – 1 B 263/14 – juris, Rn. 14; Sächs- OVG (Fn. 15), Rn. 29; SächsOVG, Beschl. v. 22.09.2016 – 1 B 194/16 – juris, Rn. 17; SächsOVG, Beschl. v. 07.08.2017 – 1 B 143/17 – juris, Rn. 22.
- 23Ebenso: Martin/Schneider/Wecker/Bregger, Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG), Komm., 1999, S. 105; Kleine-Tebbe, (Fn. 17), Rn. 347; Tolkmitt/Külpmann, (Fn. 16), 463, 464.
- 24BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 – 4 C 3.08 – juris, Rn. 14.
- 25SächsOVG (Fn. 15), Rn. 29; so auch Weber (Fn. 18), S. 76; HessVGH, BauR 1995, S. 687, 688.
- 26BVerwG, Urt. v. 18.05.2001 – 4 CN 4.00 – juris, Rn. 5.
- 27BVerwG (Fn. 15), Rn. 5.
- 28SächsOVG (Fn. 1), Rn. 53.
- 29SächsOVG (Fn. 1), Rn. 56.
- 30SächsOVG (Fn. 1), Rn. 56 f. mit 57.
- 31SächsOVG (Fn. 1), Rn. 57.
- 32SächsOVG (Fn. 1), Rn. 58 ff.
- 33SächsOVG (Fn. 1), Rn. 61.
- 34A. A. wohl VG Sigmaringen, Urt. v. 14.02.2019 – 9 K 4136/17 – juris, Rn. 67 zum wortlautgleichen § 2 Abs. 3 Nr. 1 DSchG BW.
- 35SächsOVG (Fn. 1), Rn. 18.
- 36Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 – 1 BvL 7/91 -, BVerfGE 100, 226; hierzu etwa Papier, DVBl 2000, 1398 ff.
- 37Vgl. z. B. § 13 Abs. 2 DSchG Rh-Pf oder § 10 Abs. 2 DSchG LSA.
- 38Kritisch deshalb – mit Recht – bereits Füßer, in: Reich (Hrsg.), Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, 2002, S. 453, 481 f. m. w. N.
- 39SächsOVG (Fn. 1), Rn. 64 ff.
- 40SächsOVG (Fn. 1), Rn. 65.
- 41SächsOVG (Fn. 1), Rn. 66.
- 42Diesen Terminus verwendet das Gericht nicht; gewisse Parallelen zur sog. Signifikanzschwelle im Artenschutzrecht (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008, BVerwGE 131, 274, Rn. 91) bestehen.
- 43SächsOVG (Fn. 1), Rn. 79; das Gericht setzt sich in Rn. 75 ff. intensiv mit verschiedenen Sachverständigengutachten zu den Sichtachsen und Sichtbeziehungen sowie Auswirkungen des Vorhabens auseinander. Ob das Landesamt für Denkmalpflege seiner Beurteilung auch eine Stellungnahme des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) zugrunde gelegt hat, ergibt sich aus der Entscheidung für uns nicht.
- 44Sorgfältige vergleichende Analyse des SächsOVG (de lege lata) (Fn. 1), in Rn. 70 ff.; es bleibe dem Gesetzgeber in Sachsen de lege ferenda unbenommen, „den Umgebungsschutz für die hiesigen Welterbestätten normativ zu radizieren und ggf. ipso iure auf deren Pufferzonen zu erstrecken.“ (Rn. 71).
- 45Referierend SächsOVG (Fn. 1), Rn. 69 unter Hinweis auf SächsOVG, Beschl. v. 09.03.2007 – 4 BS 216/06 – juris Rn. 66 ff, 77 ff; BVerfG, Beschl. v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00 –, juris, Rn. 95.
- 46SächsOVG (Fn. 1), Rn. 69.
- 47SächsOVG (Fn. 1), Rn. 72 mit 79.
- 48SächsOVG (Fn. 1), Rn. 80 ff.
- 49Vgl. dazu im Einzelnen die Nachweise des SächsOVG (Fn. 1), Rn. 81.
- 50Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, Komm., 3. Aufl. 2021, § 2, Rn. 51.
- 51Hendrischke (Fn. 50), § 2 Rn. 51; zum Verlust des Welterbe-Status der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal durch das Bauvorhaben „Waldschlösschenbrücke“ Wolf, NuR 2008, 311 ff.; Kilian, LKV 2008, 248 ff.
- 52Zur Fundierung der völkerrechtsfreundlichen Interpretation etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Komm., 16. Aufl. 2020, Art. 25 Rn. 6; Aust, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 25 Rn. 38 m. w. N.
- 53Hendrischke (Fn. 50), § 2 Rn. 51.
- 54Dezidiert SächsOVG (Fn. 1), Rn. 81 a.E.; insofern ist die Lage anders als bei § 2 EEG (dazu noch später).
- 55BR-Drs. 278/09, S. 162.
- 56SächsOVG (Fn. 1), Rn. 84; zur Gesetzgebungskompetenz für Denkmalschutz und -pflege ausführlich Rabeling, Die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in administrativen Abwägungsentscheidungen, 2012, 13 ff.
- 57Dazu SächsOVG (Fn. 1), Rn. 71 (z. B. Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein).