16.10.2024

Kameralistische Haushaltswirtschaft

Begünstigt sie ein Auslagern von Schulden?

Kameralistische Haushaltswirtschaft

Begünstigt sie ein Auslagern von Schulden?

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Inzwischen erlauben nur noch Bayern und Thüringen den Kommunen neben der doppischen Haushaltswirtschaft die kameralistische. Bei den kreismaßgeblichen Schulden schneiden kameralistisch geführte Städte erfolgreicher ab. Anhand der Daten der sieben kreisfreien Städte in Bayern mit über 5000,00 Euro Schulden pro Kopf vollzieht der Beitrag nach, ob die kameralistische Haushaltswirtschaft ein Auslagern von Schulden begünstigt. Bei Überlegenheit praktizierter Kameralistik bei den Pro-Kopf-Schulden und wenigstens Ebenbürtigkeit bei den Auslagerungsquoten wäre die Frage einer Rechtfertigung des Zwangs zur Doppik in den anderen Bundesländern gestellt.

A. Einleitung

In einem Beitrag in der Fachzeitschrift Der Gemeindehaushalt wurden die Schulden kreisfreier Städte in Deutschland vergleichend analysiert1Burth/Hildebrand, Der Gemeindehaushalt (GemHH) 2023, 78 ff.. Maßgeblich für den Vergleich waren die Schulden pro Kopf und die Auslagerungsquoten. Im Durchschnitt lagen die Pro-Kopf-Schulden der 102 kreisfreien Städte bei 5925 Euro2Burth/Hildebrand, ebenda, 79.. Von insgesamt 25 kreisfreien Städten in Bayern hatten nur sieben mehr als 5000,00 Euro Schulden pro Kopf3Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände 2021 – Tabelle 7 Schulden der kommunalen Ebene beim nicht öffentlichen Bereich am 31.12.2021 in Bayern nach Höhe der Beteiligung des Kernhaushalts an öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen.. Über dem Durchschnitt der 102 kreisfreien Städte liegen hiervon nur eine kameralistisch wirtschaftende kreisfreie Stadt, Würzburg, und zwei doppisch wirtschaftende kreisfreie Städte, Erlangen und Nürnberg4Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024 108/112..

Mit sieben kreisfreien Städten in Bayern mit über 5000,00 Euro Schulden pro Kopf ist die Gruppe der näher analysierten Städte einerseits groß genug für eine ergiebige Prüfung5Die fünf kreisfreien Städte in Hessen genügten dem Staatsgerichtshof als taugliche Untergruppe im Gemeindefinanzausgleich: Staatsgerichtshof des Landes Hessen, U.v. 16.01.2019 – P.St. 2606 u. a. – NVwZ 2019, 1036. Dann genügen die betrachteten kreisfreien Städte auch für einen Vergleich. Die Auswahl der Städte begründet wenigstens keine Benachteiligung für die Doppik. Deutschlandweit gibt es keine weitere kameralistisch haushaltende kreisfreie Stadt mit über 5000,00 Euro Schulden pro Kopf., andererseits aber auch homogen genug für den Vergleich. Für alle Städte sind nicht nur das deutsche, sondern auch das bayerische Recht verbindlich. Bei jeweils über 5000,00 Euro Pro-Kopf-Schulden und maximalen Pro-Kopf- Schulden von 7243 Euro6Burth/Hildebrand, a. a. O. Tabelle 1. sind die Auslagerungsquoten, Relevanz beider Größen für eine vergleichende Schuldenanalyse vorausgesetzt, von erheblicher Bedeutung.


Der folgende Abschnitt B stellt die sieben betrachteten kreisfreien Städte, die von ihnen gewählte Haushaltswirtschaft und ihre Verschuldung (pro Kopf und insgesamt) vor. Er setzt dann zunächst, angelehnt an die Untersuchung von Burth/Hildebrand, die Schulden der Kernhaushalte zu den Schulden insgesamt ins Verhältnis. Spiegelbildliche Größe hierzu sind die in Extrahaushalten, Fonds, Einrichtungen und Unternehmen ausgelagerten Schulden. Sie werden im weiteren Text bezeichnet als ausgelagerte Schulden. Abschnitt C analysiert die Ergebnisse. Abschnitt D fasst zusammen.

B. Die näher betrachteten kreisfreien Städte, ihre Haushaltswirtschaft, Verschuldung und Auslagerungsquoten

Bayern erlaubt seinen Gemeinden, zwischen der kameralistischen und der doppischen Haushaltswirtschaft zu wählen7Art. 61 Abs. 4 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.08.1998 (GVBl. S. 796) BayRS 2020-1-1-I, die zuletzt durch die §§ 2, 3 des Gesetzes vom 24.07.2023 (GVBl. S. 385, 586) geändert worden ist. Vergleiche auch § 52a Sätze 1 und 2 der Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.01.2003, GVBl. 2003, 41, letzte von der Onlineverwaltung Thüringen berücksichtigte Änderung durch Gesetz vom 24.03.2023 (GVBl. S. 127). Thüringen legt hauptsatzungsdispositiv die Verwaltungsbuchführung fest.. Von 15 kameral haushaltenden kreisfreien Städten in Bayern haben drei mehr als 5000,00 Euro Schulden pro Kopf, von zehn doppisch haushaltenden kreisfreien Städten in Bayern vier8Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024, 108/112.. Eine kameralistische Haushaltswirtschaft führen von den betrachteten kreisfreien Städten Augsburg, Weiden in der Oberpfalz und Würzburg. Für die Doppik entschieden haben sich Erlangen, Nürnberg, Rosenheim und Straubing9Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024, 108/112..

Rosenheim (Regionalschlüssel 091630000000) hat insgesamt im öffentlichen Bereich Schulden von 335 258 906 Euro10Die Schulden insgesamt sind ausgewiesen jeweils in Spalte 2 der Tabelle 7.. Dies entspricht Schulden je Einwohner von 5279 Euro11Die Schulden je Einwohner sind ausgewiesen in Spalte 4 der Tabelle 7.. Die Schulden des Kernhaushaltes betragen 50 537 262 Euro12Die Schulden des Kernhaushaltes sind jeweils dargestellt in Spalte 7 der Tabelle 7.. Im Kernhaushalt sind konzentriert 15,07 Prozent der Schulden insgesamt. Spiegelbildlich entfallen auf die ausgelagerten öffentlichen Schulden 84,93 Prozent.

Straubing (Regionalschlüssel 092630000000) hat insgesamt im öffentlichen Bereich Schulden von 262 846 152 Euro. Dies entspricht Schulden je Einwohner von 5520 Euro. Die Schulden des Kernhaushaltes machen aus 90 932 809 Euro. Im Kernhaushalt sind so konzentriert 34,6 Prozent. Spiegelbildlich sind 65,4 Prozent der maßgeblichen Schulden ausgelagert.

Weiden in der Oberpfalz (Regionalschlüssel 093630000000) hat insgesamt im öffentlichen Bereich Schulden von 221 417 362 Euro. Die Schulden je Einwohner liegen bei 5215 Euro. Der Kernhaushalt hat Schulden in Höhe von 71 161 807 Euro. Der Anteil der im Kernhaushalt konzentrierten Schulden liegt demnach bei 32,14 Prozent. Ausgelagert sind so 67,86 Prozent der Schulden.

Erlangen (Regionalschlüssel 095620000000) hat im öffentlichen Bereich insgesamt 701 046 704 Euro Schulden. Je Einwohner liegen die Schulden bei 6243 Euro. Hiervon entfallen auf den Kernhaushalt 92 237 141 Euro (13,16 Prozent). Ausgelagert sind demgemäß 86,84 Prozent der kreismaßgeblichen Schulden.

Die Schulden Nürnbergs (Regionalschlüssel 095640000000) im öffentlichen Bereich liegen bei insgesamt 3 718 958 718 Euro. Die Schulden je Einwohner liegen bei 7243 Euro. Die Kernhaushaltsschulden sind nicht angegeben. Von Interesse sind die ausgelagerten Schulden. Auf Extrahaushalte mit 100-prozentiger Beteiligung des Kernhaushaltes entfallen 41 715 757 Euro (1,12 Prozent) und auf die Extrahaushalte mit Minderheitsbeteiligung des Kernhaushaltes 1 841 943 Euro (0,05 Prozent). In Fonds, Einrichtungen oder Unternehmen sind ausgelagert 2 166 026 986 Euro Schulden (58,24 Prozent). Insgesamt liegt die Auslagerungsquote Nürnbergs bei 59,41 Prozent.

Würzburg (Regionalschlüssel 096630000000) hat im öffentlichen Bereich insgesamt Schulden von 815 265 405 Euro. Je Einwohner liegen die Schulden bei 6429 Euro. Hiervon sind auf den Kernhaushalt konzentriert 204 585 321 Euro (25,09 Prozent). Ausgelagert sind spiegelbildliche 74,91 Prozent der Schulden.

Augsburg (Regionalschlüssel 097610000000) hat Schulden des öffentlichen Bereiches insgesamt von 1 702 847 835 Euro. Je Einwohner liegen die Schulden bei 5768 Euro. Die auf den Kernhaushalt entfallenden Schulden machen aus 395 644 727 Euro (23,23 Prozent). Ausgelagert sind 76,77 Prozent der Schulden.

C. Analyse der Ergebnisse

Die betrachteten kreisfreien Städte bei den Pro-Kopf-Schulden in absteigender Reihenfolge in €

– Nürnberg (Doppik): 7243

– Würzburg (Kameralistik): 6429

– Erlangen (Doppik): 6243

– Augsburg (Kameralistik): 5768

– Straubing (Doppik): 5520

– Rosenheim (Doppik): 5279

– Weiden in der Oberpfalz (Kameralistik): 5215

Die Pro-Kopf-Schulden der nach den Grundsätzen der Kameralistik ihre Haushaltswirtschaft führenden kreisfreien Städte sind, wie oben auch festgestellt, geringer. Der Beitrag stellt die Auslagerungsquoten in den Vordergrund. Dennoch sind die Pro-Kopf-Schulden von Interesse. Der Wahlfreiheit der Haushaltswirtschaftsgrundsätze nach Art. 61 Abs. 4 GO vorgelagert und übergeordnet sind die Verpflichtungen nach Art. 61 Abs. 1 GO.

Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 GO ist die stetige Erfüllung der Aufgaben zu sichern. Nach Satz 2 sind die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde sicherzustellen und eine Überschuldung zu vermeiden. Schließlich ist nach Satz 3 Rechnung zu tragen § 51 des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Nach § 51 Abs. 1 Satz 4 Haushaltsgrundsätzegesetz13Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.08.2017 (BGBl. I S. 3122) geändert worden ist. sollen die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der in § 52 genannten Einrichtungen in die Beratungen und Empfehlungen einbezogen werden, soweit sie nicht schon in den Finanzplanungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände enthalten sind.

In § 52 Haushaltsgrundsätzegesetz genannte Einrichtungen sind auch Sondervermögen und Betriebe der Gemeinden oder Gemeindeverbände, deren Einbeziehung in die Finanzplanung und die Beratungen des Stabilitätsrates erforderlich sind. Die Länder regeln das Verfahren14§ 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Haushaltsgrundsätzegesetz..

Kritisch sind ausgelagerte Schulden insbesondere dann, wenn sie unzureichend Rücksicht auf die Schuldentragfähigkeit der Einrichtung15„Einrichtung“ hier die weitergefasste des § 52 Haushaltsgrundsätzegesetz. nehmen. Bei sichergestellter Tragfähigkeit genügt die Haushaltswirtschaft insoweit Art. 61 Abs. 1 GO. Da die Schuldentragfähigkeit der Einrichtung aber mit den kreismaßgeblichen Schulden insgesamt nicht ohne Weiteres wächst, bleibt die Höhe der kreismaßgeblichen Schulden von Interesse.

Die betrachteten kreisfreien Städte bei den Auslagerungsquoten in absteigender Reihenfolge

in %

– Erlangen (Doppik): 86,84 %

– Rosenheim (Doppik): 84,93 %

– Augsburg (Kameralistik): 76,77 %

– Würzburg (Kameralistik): 74,91 %

– Weiden in der Oberpfalz (Kameralistik): 67,86 %

– Straubing (Doppik): 65,40 %

– Nürnberg (Doppik): 59,41 %

Bei den Auslagerungsquoten fällt zunächst die erhebliche Spannbreite bei den nach Doppik haushaltenden kreisfreien Städten zwischen 86,84 Prozent und 59,41 Prozent auf. Die kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städte haben Auslagerungsquoten zwischen 76,77 Prozent und 67,86 Prozent. Der Durchschnitt der 102 kreisfreien Städte liegt bei 62,5 Prozent16Burth/Hildebrand, Gemeindehaushalt 2023, 78/80. bei durchschnittlich 5925 Euro Pro-Kopf-Schulden17Burth/Hildebrand, a. a. O., 79..

Jeweils zwei der doppisch haushaltenden kreisfreien Städte haben höhere oder geringere Auslagerungsquoten. Wobei die höchste Auslagerungsquote betrachteter, doppisch haushaltender kreisfreier Städte die höchste Auslagerungsquote kameralistisch haushaltender kreisfreier Städte um über zehn Prozent beim Anteil übersteigt. Nürnberg hat von den betrachteten Städten zwar die geringste Auslagerungsquote aber auch die höchste Pro-Kopf-Verschuldung. Eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung insgesamt senkt über den größeren Nenner die Auslagerungsquote. Beruhigen kann dies nicht.

Risiken kameralistischer Haushaltswirtschaft über Auslagerungsquoten für die in Art. 61 Abs. 1 GO bezeichneten Haushaltsgrundsätze sind nicht erkennbar. Die Daten sind nur vorläufig. Schon für die Schuldentragfähigkeit der Auslagerungsadressaten (Stand-Alone) interessieren das Verhältnis von Leistungsfähigkeit und übernommenen Schulden.

Die betrachteten kreisfreien Städte nach der Höhe der ausgelagerten Schulden pro Kopf in absteigender Reihenfolge

– Erlangen (Doppik): 5421 €

– Würzburg (Kameralistik): 4816 €

– Rosenheim (Doppik): 4483 €

– Augsburg (Kameralistik): 4428 €

– Nürnberg (Doppik): 4303 €

– Straubing (Doppik): 3610 €

– Weiden in der Oberpfalz (Kameralistik): 3539 €

Auch bei den ausgelagerten Schulden pro Kopf sind die kameralistisch haushaltenden Städte im Vorteil. Bei Rücksicht auf das Betrachten nur des am höchsten verschuldeten Fünftels der kameralistisch wirtschaftenden kreisfreien Städte in Bayern, in Deutschland des Sechstels, bewährt sich die kameralistische Haushaltswirtschaft.

Die Lage in Thüringen habe ich wegen der jeweils deutlich unterdurchschnittlichen Verschuldung der kreisfreien Städte pro Kopf, dort zwischen 1886 Euro und 3969 Euro bei Durschnitt der 102 von 5925 Euro18Burth/Hildebrand, Der Gemeindehaushalt 2023, 78/79. nicht näher untersucht. Ein „Verstecken“ von Schulden19Warnend Burth/Hildebrand, a. a. O., 80. haben die kameralistisch wirtschaftenden kreisfreien Städte nicht nötig. Insgesamt sowie ausgelagert sind ihre Schulden geringer2017 von 18, wobei die Schulden von 5925 Euro im Durchschnitt der 102 bereits durch die Entlastung durch die kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städte gedrückt ist..

Die defizitäre Wirtschaft von Unternehmen rechtfertigt die Verlustabdeckung durch den Kernhaushalt21Hierzu Burth/Hildebrand, a. a. O., 80., soweit dieser von eigenen Schulden über die Auslagerung entlastet wird oder die Kommune sonst Nutzen aus dem defizitären Wirtschaften für ihre Aufgabenerfüllung zieht. Wer ein Defizit zurechenbar verursacht, den Nutzen daraus zieht und das Defizit beenden kann, soll dafür auch mit der Verlustabdeckung einstehen. Nur so kann einem unangebrachten Defizit begegnet werden, derjenige leidet, der es zu verantworten hat, den Nutzen zieht und beenden kann.

D. Zusammenfassung

Die kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städte in Bayern behaupten sich bei der Verschuldung insgesamt sowie ausgelagert pro Kopf. Die drei von 15 mit den höchsten Schulden pro Kopf (das höchstverschuldete Fünftel) haben geringere Schulden pro Kopf als vier von zehn doppisch haushaltenden kreisfreien Städte in Bayern (die zwei höchstverschuldeten Fünftel). Da es sich bei den betrachteten kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städten in Bayern um die drei von 18 kameralistisch wirtschaftenden kreisfreien Städten in Deutschland mit den höchsten Schulden pro Kopf handelt, ist es zugleich das Sechstel der am höchsten verschuldeten kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städte in Deutschland. Stärker der Doppik zu schmeicheln als vergleichbare kreisfreie Städte in Bayern für den Vergleich heranzuziehen ist nicht veranlasst.

Bei den Auslagerungsquoten liegen die betrachteten kreisfreien Städte über dem Durchschnitt der 102. Vergleichbare kreisfreie Städte in Bayern, die doppisch haushalten, haben vergleichbare Auslagerungsquoten oder ihre Auslagerungsquote zieht Nutzen aus der höheren Verschuldung. Kein Anlass, die Städte aus der Kameralistik abzudrängen. Hohe Schulden insgesamt dürfen nicht dazu führen, ein Auslagern höherer Schulden aber aufgrund größeren Nenners22Vgl. Burth/Hildebrand a. a. O. S. 79. geringerer Auslagerungsquoten zu begünstigen. Die Höhe übertragener Schulden und die Schuldentragfähigkeit der Einrichtung im Sinn von § 52 Haushaltsgrundsätzegesetz sind entscheidend. Bei den ausgelagerten Schulden pro Kopf schneiden die kameralistischen Städte gleichfalls besser ab, obwohl sie aufgrund Betrachtens nur des am höchsten verschuldeten Fünftels in Bayern bzw. Sechstels in Deutschland (Bayern und Thüringen), verglichen mit den doppisch wirtschaftenden Städten, die höher verschuldeten 40 Prozent in Bayern, benachteiligt sind. Die Verlustabdeckung durch die Kernverwaltung und keine Verschuldung am Markt sind gerechtfertigt, wenn sich eine Einrichtung im Interesse oder gar auf Weisung der Kernverwaltung benachteiligt. Ein noch angebrachtes Defizit tragen verursachende Nutznießer für ihre Aufgabe zu recht. Einem unangebrachten Defizit begegnet wirksam nur, wer den leiden lässt, der es zurechenbar verursacht, den Nutzen für seine Aufgabe zieht, es beenden kann und nicht tut!

Der Grundsatz von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit rechtfertigt bei unverhältnismäßigen, nicht schon bei evidenten Mehrkosten das Hochzonen einer Aufgabe23BVerfG, U.v. 21.11.2017 – 2 BvR 2177/16 – BVerfGE 147, 185 (Ls. 4 a.E.). Zu den die gemeindliche Selbstverwaltung nicht gefährdenden unzulässigen Hochzonen einer Aufgabe bereits bei evidentem Mehraufwand s. Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2021, 265/266 (Keine Abhängigkeit gemeindlicher Selbstverwaltung von evident überteuertem Aufwand).. Es gibt keinen Grund, denjenigen aus einem praktisch bewährten Verfahren auszuschließen, dessen Ergebnisse ebenbürtig sind: Wenn etwa die kameralistische Haushaltswirtschaft durch Nutzen von Hilfskriterien trotz unvollständigen Vermögensansatzes Überschuldung wirksam vorbeugt24Hopp-Wiel, „Kameralistik“ in Hans Seidel Stiftung Institut für politische Bildung „Grundlagen kommunaler Haushaltsführung“; Kommunalpolitischer Leitfaden, Band 3, 2016, 4.5.1 b) S. 76..

Wenn daher nicht schon das Fehlen eines legitimen Interesses einen entsprechenden Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung ausschließt, wenn die Gemeinde gleichwertig den Haushaltsgrundsätzen genügen kann beziehungsweise jede sechste kreisfreie Stadt in Deutschland auch auf der Grundlage ihrer kameralistischen Haushaltswirtschaft den Durchschnitt aller 102 kreisfreien Städte in Deutschland am 31. Dezember 2021 auf 5925 Euro absenkt, ist jedenfalls die Erforderlichkeit zu verneinen. Ein Durchschnitt der 84 doppisch haushaltenden kreisfreien Städte bei den Schulden pro Kopf liegt höher. Soweit Folge höherer Verschuldung, begründet eine geringere Schuldenauslagerungsquote keinen Gegeneinwand.

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern, 14/2024.

 

Matthias Vöcking

Assessor Matthias Vöcking unterstützt die Rechtsanwaltskanzlei Warther – Rechtsanwälte in Greven und verfasst darüber hinaus wissenschaftliche Beiträge, vornehmlich zum Steuer-, Sozial- und Finanzausgleichsrecht.
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  • 1
    Burth/Hildebrand, Der Gemeindehaushalt (GemHH) 2023, 78 ff.
  • 2
    Burth/Hildebrand, ebenda, 79.
  • 3
    Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände 2021 – Tabelle 7 Schulden der kommunalen Ebene beim nicht öffentlichen Bereich am 31.12.2021 in Bayern nach Höhe der Beteiligung des Kernhaushalts an öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen.
  • 4
    Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024 108/112.
  • 5
    Die fünf kreisfreien Städte in Hessen genügten dem Staatsgerichtshof als taugliche Untergruppe im Gemeindefinanzausgleich: Staatsgerichtshof des Landes Hessen, U.v. 16.01.2019 – P.St. 2606 u. a. – NVwZ 2019, 1036. Dann genügen die betrachteten kreisfreien Städte auch für einen Vergleich. Die Auswahl der Städte begründet wenigstens keine Benachteiligung für die Doppik. Deutschlandweit gibt es keine weitere kameralistisch haushaltende kreisfreie Stadt mit über 5000,00 Euro Schulden pro Kopf.
  • 6
    Burth/Hildebrand, a. a. O. Tabelle 1.
  • 7
    Art. 61 Abs. 4 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.08.1998 (GVBl. S. 796) BayRS 2020-1-1-I, die zuletzt durch die §§ 2, 3 des Gesetzes vom 24.07.2023 (GVBl. S. 385, 586) geändert worden ist. Vergleiche auch § 52a Sätze 1 und 2 der Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.01.2003, GVBl. 2003, 41, letzte von der Onlineverwaltung Thüringen berücksichtigte Änderung durch Gesetz vom 24.03.2023 (GVBl. S. 127). Thüringen legt hauptsatzungsdispositiv die Verwaltungsbuchführung fest.
  • 8
    Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024, 108/112.
  • 9
    Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2024, 108/112.
  • 10
    Die Schulden insgesamt sind ausgewiesen jeweils in Spalte 2 der Tabelle 7.
  • 11
    Die Schulden je Einwohner sind ausgewiesen in Spalte 4 der Tabelle 7.
  • 12
    Die Schulden des Kernhaushaltes sind jeweils dargestellt in Spalte 7 der Tabelle 7.
  • 13
    Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.08.2017 (BGBl. I S. 3122) geändert worden ist.
  • 14
    § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Haushaltsgrundsätzegesetz.
  • 15
    „Einrichtung“ hier die weitergefasste des § 52 Haushaltsgrundsätzegesetz.
  • 16
    Burth/Hildebrand, Gemeindehaushalt 2023, 78/80.
  • 17
    Burth/Hildebrand, a. a. O., 79.
  • 18
    Burth/Hildebrand, Der Gemeindehaushalt 2023, 78/79.
  • 19
    Warnend Burth/Hildebrand, a. a. O., 80.
  • 20
    17 von 18, wobei die Schulden von 5925 Euro im Durchschnitt der 102 bereits durch die Entlastung durch die kameralistisch haushaltenden kreisfreien Städte gedrückt ist.
  • 21
    Hierzu Burth/Hildebrand, a. a. O., 80.
  • 22
    Vgl. Burth/Hildebrand a. a. O. S. 79.
  • 23
    BVerfG, U.v. 21.11.2017 – 2 BvR 2177/16 – BVerfGE 147, 185 (Ls. 4 a.E.). Zu den die gemeindliche Selbstverwaltung nicht gefährdenden unzulässigen Hochzonen einer Aufgabe bereits bei evidentem Mehraufwand s. Verfasser in Der Gemeindehaushalt 2021, 265/266 (Keine Abhängigkeit gemeindlicher Selbstverwaltung von evident überteuertem Aufwand).
  • 24
    Hopp-Wiel, „Kameralistik“ in Hans Seidel Stiftung Institut für politische Bildung „Grundlagen kommunaler Haushaltsführung“; Kommunalpolitischer Leitfaden, Band 3, 2016, 4.5.1 b) S. 76.
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