08.10.2024

Gesetz zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren

Baurechtliche Verfahren sollen digitalisiert und beschleunigt werden.

Gesetz zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren

Baurechtliche Verfahren sollen digitalisiert und beschleunigt werden.

Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Am 25.11.2023 ist das Gesetz zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren1 in Kraft getreten. Das Artikelgesetz ändert die Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO 2010)2 sowie die Verfahrensverordnung zur Landesbauordnung (LBOVVO 1995)3. Baurechtliche Verfahren sollen digitalisiert und beschleunigt werden.4 Es schafft aber auch die bisherige Angrenzerbenachrichtigung weitgehend ab. Außerdem sollen Anträge und Bauvorlagen nunmehr direkt bei den Baurechtsbehörden eingereicht werden.5

 Interessant ist die Einschätzung des Gesetzgebers, dass für die öffentlichen Haushalte keine Kosten entstehen sollten.6 Für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft sollten Kosten erspart und Verfahren beschleunigt werden.7 Der Beitrag stellt Aspekte zu den Schwerpunkten dar und gibt eine Übersicht zu ausgewählten Themen, die inhaltlich eingeordnet werden. Anregungen für die Baurechtspraxis werden hinzugesetzt. Die Änderungen lassen sich in die Vorschriften zur Digitalisierung (1.) sowie zum Baugenehmigungsverfahren insgesamt als auch zur Angrenzerbenachrichtigung (2.) zusammenfassen.

Digitalisierung

Das Onlinezugangsgesetz (OZG)8 verpflichtet Bund und Länder, ab dem Jahr 2023 ihre Verwaltungsleistungen digital über Verwaltungsportale anzubieten. Die regierungstragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, der Baurechtsverwaltung in Baden-Württemberg im Jahr 2023 ein „virtuelles Bauamt“ zur Verfügung zu stellen. Es soll neben der Einreichung von Bauanträgen auch die Weiterbearbeitung und die Erteilung der baurechtlichen Entscheidungen medienbruchfrei digital und landesweit einheitlich sicherstellen. Die rechtssichere Kommunikation mit den Antragstellern inklusive der Bekanntmachung und Zustellung der baurechtlichen Entscheidungen soll ermöglicht werden. Die Änderungen zielen darauf ab, die baurechtlichen Verfahren zu digitalisieren und zu beschleunigen. 9


Für die beabsichtigte elektronische Kommunikation und das digitale Bauamt fehlt es aber noch an den technischen Voraussetzungen. „Service Baden-Württemberg“ als digitale Plattform soll ab dem 01.01.2025 in Betrieb gehen, steht aber noch nicht zur Verfügung.10 Bis auf Weiteres muss mit den herkömmlichen Mitteln gearbeitet werden. Hinzu kommt, dass in der Übergangsphase zwischen den Regelungen zu unterscheiden ist, die Verpflichtungen erst ab dem 01.01.2025 begründen, und denjenigen, die bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes am 25.11.2023 gelten (§ 77 Abs. 5 LBO).

a) Ab 01.01.2025 Pflicht

Bis zum 31.12.2024 können bestimmte Anträge und Mitteilungen noch in Textform nach § 126 b BGB erfolgen; allerdings kann die Baurechtsbehörde verlangen, dass Bauanträge und Bauvorlagen bereits vorab elektronisch in Textform einzureichen sind (§ 77 Abs. 5 LBO). Ab dem 01.01.2025 wird in zahlreichen Regelungen die Kommunikation „elektronisch in Textform“ verpflichtend:

– § 53 Abs. 2: Bauantrag und Bauvorlagen; siehe LBOVVO

– § 56 Abs. 6 Satz 1: Antrag auf Abweichung, Ausnahme, Befreiung bei verfahrensfreien Vorhaben

– § 57 Abs. 1 Satz 1: Antrag auf/Erteilung des Bauvorbescheids

– § 59 Abs. 2: Mitteilung Baubeginn/Wiederaufnahme

– § 61 Abs. 1 Satz 1: Antrag auf Teilbaugenehmigung

– § 62 Abs. 2 Satz 1: Verlängerungsantrag Geltungsdauer Baugenehmigung

– § 62 Abs. 3 Satz 2: Verlängerungsantrag Geltungsdauer Baugenehmigung für nicht mehr genutzte Tierhaltungsanlagen

– § 67 Abs. 2 Satz 1: Mitteilung Abnahmereife

– § 68 Abs. 2 Satz 1: Typenprüfung

– § 69 Abs. 4 Satz 2: Verlängerungsantrag Fliegende Bauten

b) Pflicht seit 25.11.2023

Die Baurechtsbehörden sind bereits mit Inkrafttreten der Neuregelungen verpflichtet, bei einzelnen Bestätigungen und Mitteilungen „elektronisch in Textform“ zu kommunizieren; bei der Baugenehmigung ist alternativ noch die Schriftform zugelassen:

– § 53 Abs. 5: Bestätigung des Eingangs vollständiger Bauvorlagen (Kenntnisgabeverfahren)

– § 54 Abs. 2: Mitteilung der Vollständigkeit und des Entscheidungszeitpunkts (Genehmigungsverfahren)

– § 58 Abs. 1 Satz 2: Baugenehmigung (alternativ: Schriftform)

c) Möglichkeit seit 25.11.2023

Bauherren können seit Inkrafttreten des Gesetzes bereits in allen unter Nr. 1 a) aufgeführten Fällen elektronisch mit der Baurechtsbehörde kommunizieren, weil diese Möglichkeit in der jeweiligen Norm eröffnet ist. Die Übergangsregelung des § 77 Abs. 5 LBO schließt das nicht aus. Bauherren können also z. B. Bauanträge „elektronisch in Textform“ einreichen. Sie müssen aber noch keinen digitalen Briefkasten vorhalten oder ein digitales Service-Portal nutzen, um Nachrichten von der Baurechtsbehörde zu erhalten. Vereinfacht gesagt müssen Baurechtsbehörden in solchen Fällen derzeit auf digitale Bauanträge analog antworten.

d) Formerfordernisse

Bis zur Einführung einer digitalen Plattform und des virtuellen Bauamts müssen bestimmte Formerfordernisse eingehalten werden. Dazu zählen die Schriftform, die Textform, die elektronische Form und das Erfordernis „elektronisch in Textform“. Sie sollen hier zunächst dargestellt werden:

Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, bedarf es einer eigenhändigen Unterzeichnung durch Namensunterschrift des Ausstellers (§ 126 Abs. 1 BGB), die auf Papier erfolgt. Die elektronische Form (§ 126 a BGB/§ 3 a Abs. 2 LVwVfG) ersetzt die Schriftform. Der Aussteller muss der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

Bei der Textform muss eine lesbare Erklärung abgegeben werden, in der die Person des Erklärenden genannt ist (keine Unterschrift), die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss, der frei gewählt werden kann (§ 126 b BGB). Die Kommunikation „elektronisch in Textform“ („elektronische Textform“) ist auf digitale Datenträger beschränkt. Eine Konkretisierung enthält § 3 Abs. 2 Satz 1 LBOVVO (2023). Bauanträge und Bauvorlagen sind elektronisch in Textform in „archivfähigem Portable Document Format (pdf/A)“ zu übermitteln. Die Baurechtsbehörde kann andere archivierbare Dateiformate zulassen, die Inhalte zulässig wiedergeben und keine externen Inhalte einbeziehen. Sie kann ferner Übermittlungswege vorgeben und verlangen, dass Bauanträge und Bauvorlagen über einen von ihr benannten Onlinezugang einzureichen sind.

Die „elektronische Textform“ stellt im Vergleich zur Textform eine Einschränkung bei der Auswahl der Datenträger dar. Wesentlicher Unterschied ist, dass künftig der Datenträger Papier bzw. Brief nicht mehr verwendet werden kann („Papierverbot“). Die bisher geltende Entbehrlichkeit einer eigenhändigen Unterschrift bleibt bestehen, da durch die Textform weiterhin auf § 126 b BGB Bezug genommen wird. Somit bedarf es auch keiner „elektronischen Signatur“, die die Unterschrift ersetzt. Entscheidende Kriterien für die lesbare Erklärung auf einem dauerhaften elektronischen Datenträger (§ 126 b Satz 2 BGB) sind die Speicherbarkeit, die Unveränderbarkeit, der persönliche Zugang und die dauerhafte Verfügbarkeit für den Empfänger.

Um unveränderbar zu sein, muss die Erklärung auch so übermittelt werden, dass sie nicht mehr einseitig durch den Erklärenden nach Eingang des Antrags beim Empfänger geändert werden kann und dem Empfänger während des gesamten erforderlichen Zeitraums eine unveränderte Wiedergabe möglich ist. Der Zugang für die Baurechtsbehörde zu einer Cloud oder auf eine Website des Bauherrn, auf welcher sich das Dokument befindet, genügt dafür nicht.

Elektronische Datenträger sind z. B. USB-Sticks, Disketten, CD, SMS-Nachricht, E-Mail (eventuell mit angehängter PDF-Datei). Durch die ausdrückliche Beschränkung auf elektronische Datenträger sind im Umkehrschluss haptische Datenträger, vor allem Papier, ausgeschlossen. Die z. B. durch § 3 Abs. 2 LBOVVO verbindlich eingeführten Vordrucke für Bauanträge sind weiter zu verwenden. Solange die Baurechtsbehörde keine bestimmte Form der elektronischen Einreichung verlangt, dürfte grundsätzlich die Einreichung eines Bauantrags auch über WhatsApp, Instagram, E-Mail oder LinkedIn möglich sein, sofern die Baurechtsbehörde insoweit elektronische Zugänge eröffnet hat.

Bis zum 31.12.2024 können Bauanträge und Bauvorlagen noch in Textform eingereicht werden, sofern die Baurechtsbehörde dies nicht vorab „elektronisch in Textform“ fordert (§ 75 Abs. 5 LBO).

Architekten und andere als Entwurfsverfasser zugelassene Personen werden Bauanträge und Bauvorlagen ohne Weiteres elektronisch in Textform einreichen können. Für die in § 43 Abs. 5 LBO genannten Vorhaben wie Garagen, Behelfsbauten, untergeordnete Gebäude usw. ist jedoch kein Entwurfsverfasser notwendig. Alle anderen Bürger werden nicht zwingend über die technisch notwendige Ausstattung verfügen und keinen zulässigen Bauantrag stellen oder Bauvorlagen vorlegen können. Ihnen wird die Möglichkeit genommen, für die in § 43 Abs. 5 LBO aufgelisteten Vorhaben Bauanträge usw. zulässigerweise in anderer Form stellen zu können. Eine Rechtfertigung für den damit verbundenen Eingriff in die von der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit, deren Inhalt und Schranken durch die Vorschriften über das baurechtliche Verfahren konkretisiert werden, ist aber weder dargelegt noch ersichtlich. Der Gesetzgeber ist der Anregung nicht gefolgt, die ausschließlich elektronische Mitteilung für den Anwendungsbereich von § 43 Abs. 5 LBO auszunehmen.

Gegen eine Beschleunigung und Digitalisierung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Bei Bauanträgen, Voranfragen usw. wird sich die Praxis rasch an die neuen Anforderungen gewöhnen. Allerdings gibt es im Detail auch Risiken. Bestimmte Erklärungen müssen innerhalb einer gesetzlichen Frist abgegeben werden. Wird die notwendige Form nicht beachtet, kann eine Frist verstreichen und ein Nachteil für den Bauherrn entstehen. Zum Beispiel müssen Anträge auf Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung „elektronisch in Textform“ gestellt werden, um eine Verlängerung der Geltungsdauer um bis zu drei Jahre zu erreichen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 LBO). Wird der Verlängerungsantrag zunächst nur in Schriftform und – möglicherweise erst auf den Hinweis der Baurechtsbehörde – dann aber erst nach Fristablauf „elektronisch in Textform“ gestellt, kann der Antrag nicht mehr positiv – auch nicht mehr rückwirkend (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 2 LBO) – beschieden werden. Die Geltungsdauer der Baugenehmigung ist erloschen, und bei Bedarf muss eine neue Baugenehmigung beantragt werden. Das Ergebnis ist überraschend. Im Zivilrecht ist anerkannt, dass die Textform als einfachste Form durch jede „stärkere“ Form ersetzt werden kann.11 Obwohl es sich bei „elektronisch in Textform“ um eine Textform nach § 126 b BGB handelt, gilt das in der LBO wohl nicht.

2. Verfahren im Einzelnen

Um baurechtliche Verfahren zu digitalisieren und zu beschleunigen, hat der Gesetzgeber zahlreiche und teilweise sehr grundlegende Änderungen eingeführt:

a) Bauantrag und Antrag auf Bauvorbescheid

Bauanträge und Bauvorlagen sind elektronisch in Textform nach § 126 b BGB einzureichen (§ 53 Abs. 2 LBO), ebenso der Antrag auf Erlass eines auch in dieser Form zu erteilenden Bauvorbescheids (§ 57 Abs. 1 Satz 1 LBO). Nach § 77 Abs. 5 LBO können sie allerdings bis zum 31.12.2024 noch in Textform eingereicht werden. Ab dem 01.01.2025 ist nur noch eine elektronische Einreichung möglich, die bequem über E-Mail mit PDFAnhängen oder ein digitales Serviceportal des Landes vorgenommen werden kann. Soweit die elektronischen Fassungen der Bauvorlagen größere Umfänge haben, kann der E-Mail-Versand und der -Empfang misslingen. Je nach Einzelfall wird eine elektronische Textform gewählt werden müssen, die wegen der jeweiligen Dateigröße einen sicheren Zugang ermöglicht. Sobald bei den Baurechtsbehörden ein digitales Serviceportal und damit auch das virtuelle Bauamt eingeführt ist, dürften solche Probleme geringer werden.

Der Gesetzgeber hat es jedoch für die Übergangszeit versäumt, den Bauherrn und den Bauvorlageberechtigten zu verpflichten, seine elektronischen Kontaktdaten anzugeben. Auch um eine Authentifizierung des Verwenders über seine Qualifikation zu ermöglichen, liegt es nahe, ein zentrales digitales Portal vorzusehen. Das Onlinezugangsgesetz12 verpflichtet Bund und Länder grundsätzlich dazu, ihre Verwaltungsleistungen elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Daher bleibt abzuwarten, wie und bis wann das Land Baden-Württemberg seiner Verpflichtung nachkommt.

b) Einreichung des Bauantrags

Bauanträge sind künftig nicht mehr bei der Gemeinde, sondern bei der Baurechtsbehörde einzureichen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 LBO), die die eingereichten Anträge und Bauvorlagen unverzüglich der betroffenen Gemeinde bereitzustellen hat (§ 53 Abs. 1 Satz 4 LBO). Die Änderung soll Baugenehmigungs- und Kenntnisgabeverfahren beschleunigen. Die Baurechtsbehörde soll für die Prüfung der Vollständigkeit und die darauffolgenden Verwaltungshandlungen nicht mehr auf die Weiterreichung der Unterlagen durch die Gemeinde warten, da die technischen Voraussetzungen der zeitgleichen Benachrichtigung der Gemeinde über eingehende Anträge gegeben seien.13

Die Neuregelung wird jedoch die Dauer von Verfahren, in denen über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nur im Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 BauGB entschieden wird, im Vergleich mit der bisherigen Rechtslage tendenziell verlängern. Denn sie hat zur Folge, dass eine „Einvernehmensfiktion“ nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zeitlich später als bisher eintritt. Nach dieser Vorschrift gilt das Einvernehmen der Gemeinde als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird (Halbsatz 1). Dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht allerdings die „Einreichung des Antrags bei der Gemeinde“ gleich, „wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist“ (Halbsatz 2). Letzteres war in Baden-Württemberg bisher der Fall, sodass die Einvernehmensfiktion bereits zwei Monate nach Einreichung eines Bauantrags bei der Gemeinde eintreten konnte. Aufgrund der künftig nur noch möglichen Einreichung bei der Baurechtsbehörde entfällt diese – auf Beschleunigung zielende – Alternative jedoch. Die jetzt nach § 53 Abs. 1 Satz 4 LBO vorgesehene unverzügliche „Bereitstellung“ eingereichter Anträge und Bauvorlagen für betroffene Gemeinden steht der „Einreichung des Antrags bei der Gemeinde“ i. S. d. § 36 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB nicht gleich. Damit hängt der Beginn der Zwei-Monats-Frist für den Eintritt der Einvernehmensfiktion künftig stets vom Eingang eines erst nach der Einreichung des Bauantrags möglichen gesonderten Ersuchens der Baurechtsbehörde i. S. d. § 36 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB bei der Gemeinde ab.

Anträge auf Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen (AAB) müssen künftig gesondert gestellt werden (§ 53 Abs. 1 Satz 3 LBO). Bisher war eine gesonderte Antragstellung im Baugenehmigungsverfahren – mit Ausnahme des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens – nicht erforderlich. Der Bauantrag enthielt den konkludenten Antrag auf Erteilung einer etwa erforderlichen AAB. Das neue Erfordernis eines „gesonderten“ Antrags hat zur Folge, dass eine AAB auch nur auf einen solchen Antrag erteilt werden darf (§ 22 Satz 2 Nr. 2 LVwVfG). Eine ohne gesonderten Antrag erteilte AAB ist rechtswidrig. Der Gesetzgeber hat die Pflichten der Baurechtsbehörde bei einem Fehlen des gesonderten Antrags nicht normiert. Da § 53 Abs. 1 Satz 1 bis 3 LBO zwischen den „Bauvorlagen“, dem „Antrag auf Baugenehmigung (Bauantrag)“ sowie den gesonderten AAB-Anträgen unterscheidet, ist das Fehlen eines AAB-Antrags kein Fall der formellen Unvollständigkeit von Bauvorlagen oder des Bauantrags, der eine Zurückweisung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 LBO rechtfertigt. Auch § 53 Abs. 1 Satz 3 LBO, der die Pflicht der Baurechtsbehörde regelt, dem Bauherrn bei nicht genehmigungsfähigen Bauvorlagen Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, greift jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht ein. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist die Baurechtsbehörde jedoch verpflichtet, die Stellung von Anträgen anzuregen, wenn diese nur versehentlich oder aus Unkenntnis nicht gestellt wurden. Die beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung kann die Neuregelung daher nicht erreichen.

Ob mit einem gesonderten Antrag auf AAB ein neues Verwaltungsverfahren i. S. v. § 9 LVwVfG eingeleitet wird, ist nicht normiert. In der Praxis wird die Entscheidung über den AABAntrag in der Regel mit der Baugenehmigung ergehen. Eine gesonderte Begründung der AAB-Entscheidung – in der Baugenehmigung – ist nur erforderlich, wenn eine AAB von nachbarschützenden Vorschriften erteilt wird und der Nachbar Einwendungen erhoben hat (§ 58 Abs. 1 Satz 4 LBO).

Ob eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts auch dem Schutz des Nachbarn dient, werden der Bauherr oder der Bauvorlagenberechtigte allerdings nicht immer einfach und eindeutig bestimmen können. Gerade bei Festsetzungen eines Bebauungsplans wird die Begründung der jeweiligen Festsetzung recherchiert werden müssen, die entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung auch dazu bestimmt ist, Nachbarn zu schützen.

Bauherren und Bauvorlagenberechtigte werden künftig genau prüfen müssen, ob nicht noch ein gesonderter AAB-Antrag gestellt werden muss. Soll z. B. vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 3 a BauGB abgewichen werden, handelt es sich um eine „Abweichung“ im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 3 LBO, die gesondert zu beantragen ist. Ohne einen solchen Antrag kann die Baurechtsbehörde von § 34 Abs. 3 a BauGB keinen Gebrauch machen.

[…]

3. Ergebnis

Der Zweck des Gesetzes, Baugenehmigungsverfahren zu digitalisieren, ist zu begrüßen. Mit der elektronischen Textform ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen worden. Bestimmten Besonderheiten wie den Vorhaben nach § 43 Abs. 5 LBO hat der Gesetzgeber aber ebenso wenig Rechnung getragen wie dem Defizit, dass die Bauherren in aller Regel noch keinen „digitalen Briefkasten“ i. S. v. § 9 OZG besitzen. Der weitgehenden Einschränkung der Angrenzerbenachrichtigung liegt auf den ersten Blick eine nachvollziehbare Motivation zugrunde. Bei genauer Betrachtung hatte die Angrenzerbenachrichtigung in Baden- Württemberg aber nicht nur eine lange Tradition, sondern war von erheblichem Vorteil für Bauherren und Baurechtsbehörden.

1 Gesetz v. 20.11.2023 (GBl. S. 422).

2 Zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 13.06.2023 (GBl. S. 170) (Art. 1).

3 Zuletzt geändert durch Art. 148 der Verordnung v. 21.12.2021 (GBl. 2022 S. 1, 18) (Art. 2).

4 LT-Drs. 17/5422 S. 1, Vorblatt A.

5 LT-Drs. 17/5422 S. 2, Vorblatt B.

6 LT-Drs. 17/5422 S. 2, Vorblatt D.

7 LT-Drs. 17/5422 S. 3, Vorblatt E.

8 Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG) v. 14.08.2017 (BGBl. I S. 3122, 3138), zuletzt geändert durch Art. 16 des Gesetzes v. 28.06.2021 (BGBl. I S. 2259; 2023 I Nr. 230).

9 LT-Drs. 17/5422 S. 9, A. 1. Zielsetzung.

10 Stand der Drucklegung am 19.01.2024.

11 Zum Beispiel ausdrücklich BT-Drs. 14/4987, S. 20: „zwingend“, sowie Primaczenko/Frohn, in: BeckOGK BGB, § 126 b Rn. 6.

12 Siehe oben (Fn. 8).

13 LT-Drs. 17/5422 S. 11, B. zu Art. 1 Nr. 1 a aa.

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Verwaltungsblätter Baden-Württemberg 04/2024, S. 133.

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