15.12.2014

Gemeinsame Wasserpolitik in Europa

EUGH: Kostendeckungsgrundsatz gilt nicht für alle Wasserdienstleistungen

Gemeinsame Wasserpolitik in Europa

EUGH: Kostendeckungsgrundsatz gilt nicht für alle Wasserdienstleistungen

Gehört zum Begriff „Wasserdienstleistungen” auch die Stromerzeugung durch Wasserkraft? | © Markus Haack - Fotolia
Gehört zum Begriff „Wasserdienstleistungen” auch die Stromerzeugung durch Wasserkraft? | © Markus Haack - Fotolia

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 11. September eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland abgewiesen (Rechtssache C-525/12). Die Kommission hatte Deutschland vorgeworfen, die sog. Wasser- rahmenrichtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt zu haben. Der EuGH befand, dass die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung haben, alle Wasser­dienst­leistungen dem Grundsatz der Kostendeckung zu unterwerfen.

Beanstandung der EU-Kommission

Die Europäische Kommission rügte die Bundesrepublik Deutschland wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 2006/60/EG zur „Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik” (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie) in nationales Recht.

Insbesondere beanstandete sie die einschränkende Auslegung des Begriffs „Wasserdienstleistungen”. Deutschland habe das Prinzip, mit einer entsprechenden Preisgestaltung zum Wassersparen anzuregen, nur auf die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung angewendet.


Nach Ansicht der Kommission müssen Dienstleistungen wie die Stromerzeugung durch Wasserkraft, der Hochwasserschutz oder die Wassernutzung zur Bewässerung und für industrielle Zwecke ebenfalls dem Grundsatz der Deckung der Kosten einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten unterworfen werden.

Auslegung des Wortlauts der Wasserrahmenrichtlinie

In ihrer Urteilsbegründung stellten die Richter klar, dass bei der Auslegung einer Richtlinie der Wortlaut, die verfolgten Ziele, die Entstehungsgeschichte sowie ihr Zusammenhang und das gesamte Unionsrecht zu beachten sind. So ergibt sich aus dem Wortlaut der Wasserrahmenrichtlinie (Art. 9) keine allgemeine Pflicht zur Bepreisung sämtlicher Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wassernutzung. Vielmehr verpflichtet er die Mitgliedstaaten, den Grundsatz der Kostendeckung der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten unter Einbeziehung einer wirtschaftlichen Analyse und unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips zu berücksichtigen. Insbesondere sollen die EU-Länder im Sinne der Umweltziele der Richtlinie dafür sorgen, dass ihre Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer gibt, Wasserres- sourcen effizient zu nutzen.

Ebenso geht aus der Definition von „Wasserdienstleistungen” (Art. 2 Nr. 38) nicht hervor, ob eine Bepreisung der Kosten für alle Tätigkeiten der Entnahme, Aufstauung, Speicherung, Behandlung und Verteilung von Oberflächen- und Grundwasser verlangt wird.

Entstehungsgeschichte der Wasserrahmenrichtlinie

Aus der Entstehungsgeschichte der Wasserrahmenrichtlinie ergibt sich allerdings, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Analyse geeignete Maßnahmen zur Anwendung des Grundsatzes der Kosten-deckung festzulegen. Da die Bepreisung v. a. von Dienstleistungen der Wasserversorgung und der Abwasserbehandlung sehr unterschiedlich in den einzelnen Mitgliedstaaten ist, sah der Unionsgesetzgeber eine Förderung ohne Ausdehnung auf alle Wasserdienstleistungen vor.

Ziele der Wasserrahmenrichtlinie

Nichts anderes ergibt sich aus den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie. Insbesondere bestehen diese nicht in einer vollständigen Harmonisierung der wasserrechtlichen Vorschriften. Vielmehr legt die Wasserrahmenrichtlinie gemeinsame Grundsätze und einen allgemeinen Handlungsrahmen für den Gewässerschutz fest. Zudem stellt sie die Koordinierung, die Integration und die langfristige Weiterentwicklung der grundlegenden Prinzipien und Strukturen für den Schutz und einen ökologisch nachhaltigen Gebrauch von Wasser in der EU sicher. Die Mitgliedstaaten müssen auf dieser Grundlage besondere Maßnahmen weiterentwickeln. Dabei sollen sich die Maßnahmenprogramme an den regionalen und lokalen Bedingungen orientieren.

Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten

Nach Ansicht der Richter können die Mitgliedstaaten mit Maßnahmen zur Kostendeckung der Wasserdienstleistungen für eine qualitative Wasserbewirtschaftung sorgen. Dabei können die in der Wasserrahmenrichtlinie aufgezählten Tätigkeiten, wie die Entnahme oder die Aufstauung, zwar Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers haben. Allerdings ist durch das Fehlen einer Bepreisung solcher Tätigkeiten nicht zwingend die Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährdet.

Ergebnis und Fazit

Der EuGH kommt so zu dem Ergebnis, dass nicht alle Wasserdienstleistungen dem Grundsatz der Kostendeckung unterworfen werden. Voraussetzung ist, dass dadurch die Zwecke der Richtlinie und die Verwirklichung ihrer Ziele nicht in Frage gestellt werden. Die Richter folgen damit nicht den Ansichten der EU-Kommission und sehen in der erfolgten Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in deutsches Recht keinen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen EU-Recht.

Das Urteil ist zu begrüßen. Insbesondere trägt es der Tatsache Rechnung, dass es angesichts der geografischen und klimatischen Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten keine sinnvolle homogene Anwendung des Grundsatzes der Gebührenfestsetzung geben kann. Ferner berücksichtigt es, dass die EU-Länder unterschiedliche Wasserbewirtschaftungsmodelle haben.

 

Natalie Häusler

Leiterin des Europabüros der bayerischen Kommunen, Brüssel
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