15.12.2014

Compliance (1): Die Organisationspflicht

Landgericht München I setzt Maßstäbe auch für kommunale Unternehmen

Compliance (1): Die Organisationspflicht

Landgericht München I setzt Maßstäbe auch für kommunale Unternehmen

Auch in kommunalen Unternehmen ist für eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation zu sorgen. | © iQoncept - Fotolia
Auch in kommunalen Unternehmen ist für eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation zu sorgen. | © iQoncept - Fotolia

Das Thema „Compliance” und „Compliance-Organisation” in kommunalen Unternehmen ist ein Thema, welches zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Compliance” bedeutet in diesem Zu­sammen­hang in etwa „Einhaltung, Befolgung, Übereinstimmung, Einhaltung bestimmter Gebote” (vgl. Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2.Aufl., § 1 Rn. 2). Insoweit muss sichergestellt sein, dass sich Unternehmen und deren Gesellschaftsorgane im Einklang mit geltendem Recht bewegen – einschließlich, aber nicht abschließend, strafrechtlicher Vorschriften, insbesondere Regelungen der Korruptionsdelikte.

Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht München I mit Urteil vom 10. 12. 2013 (Az.: 5 HK O 1387/10) eine Entscheidung zu der Haftung eines Vorstandes eines international agierenden und börsennotierten Unternehmens getroffen. Im ersten Teil des Beitrags stellen wir Ihnen das Urteil sowie die Auswirkungen für kommunale Unternehmen kurz dar. Im zweiten Teil, der in der Januar-Ausgabe 2015.1 des PUBLICUS erscheint, gehen wir dann auf die mögliche Absicherung von Haftungsrisiken durch D&O-Versicherungen ein.

Zum Sachverhalt

Ausgangspunkt für das Verfahren vor dem Landgericht München I war, dass ein Unternehmen einen seiner Vorstände wegen einer nicht hinreichenden Compliance-Organisation in Anspruch genommen hat. Mit den übrigen Vorständen hatte das Unternehmen zuvor entsprechende Haftungsvergleiche geschlossen. Dem Vorstand wurde dabei von dem Unternehmen vorgeworfen, seine Pflicht dadurch verletzt zu haben, dass er, trotz wiederholter Anzeichen von Rechtsverletzungen im Unternehmen, namentlich von Schmiergeldzahlungen, keine adäquaten und effektiven Gegenmaßnahmen ergriffen hatte. Vielmehr würden die implementierten Compliance-Regeln nur „Lippenbekenntnisse” darstellen, welche nicht zu entsprechenden Konsequenzen führten.


Der beklagte Vorstand verwies in seinem Vortrag darauf, dass er als Leiter der Zentralabteilung „Corporate Finance” nicht die Ordnungsgemäßheit einzelner Zahlungen zur Vermeidung der Schmiergeldzahlungen hätte prüfen können. Zudem habe er aufgrund seiner funktionalen Zuständigkeit lediglich entsprechende Regeln erstellen können; weitere Maßnahmen hätten jedoch außerhalb seiner Zuständigkeit gelegen.

Wesentliche Grundsätze der Entscheidung

Die wesentlichen Grundsätze der Entscheidung des Landgerichts München I lassen sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

Im Rahmen seiner Legalitätspflicht hat ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße erfolgen.

Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. Entscheidend für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit.

Die Einhaltung des Legalitätsprinzips und demgemäß die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehören zur Verantwortung jedes einzelnen Vorstandsmitgliedes.

Liegt die Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds in einer Unterlassungshandlung, beginnt die Verjährung im Falle der Nachholbarkeit der unterlassenen Handlungen im Übrigen nicht schon dann, wenn die Verhinderungshandlung spätestens hätte erfolgen müssen, sondern erst dann, wenn die Nachholbarkeit endet.

Auswirkungen des Urteils für kommunale Unternehmen

Zwar ist das klagende Unternehmen im Verfahren vor dem Landgericht München I ein international agierendes und börsennotiertes Unternehmen. Jedoch gelten die Grundsätze des Urteils gleichwohl auch für kommunale Unternehmen.

Das Landgericht München I hat mit seinen Ausführungen unmissverständlich und umfassend verlangt, dass ein Vorstand bzw. ein Geschäftsführer, um seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nachzukommen, verpflichtet ist, eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation vorzuhalten, die Einhaltung der Compliance-Regeln zu kontrollieren und bei Verstößen oder sich ändernden Gefährdungslagen das System entsprechend anzupassen.

Dabei hat das Landgericht München I klargestellt, dass bei der Compliance-Organisation Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch etwaige Verdachtsfälle aus der Vergangenheit von zentraler Bedeutung sind. Insoweit sind die Anforderungen, welche an die Compliance-Organisation des im entschiedenen Fall klagenden Unternehmens gestellt werden, nicht unmittelbar auf kommunale Unternehmen anzuwenden.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Größe und Struktur der kommunalen Unternehmen ist sicher eine derart umfassende Struktur, wie sie bei einem international agierenden börsennotierten Unternehmen erforderlich ist, nicht notwendig. Gleichwohl ergibt sich aus dem Urteil, dass jeder Geschäftsleiter verpflichtet ist, zumindest ein gewisses Maß an Regelungen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um über sämtliche wichtigen und gefährdeten Bereiche informiert zu sein. Dies ist gerade im Hinblick auf die Stellung der kommunalen Unternehmen in der Region, deren Betätigungsfelder und deren Verbindung zur Verwaltung zu sehen. Denn gerade daraus ergibt sich durchaus eine Gefährdungslage, aus welcher sich Risiken für Regelverstöße ergeben.

Wichtig ist dabei, wie sich aus der zentralen Argumentation des Landgerichtes ergibt, dass weder eine „Proforma”-Organisation noch einfache Muster-Richtlinien ausreichend sind, um eine Enthaftung des Geschäftsführers herbeizuführen. Vielmehr bedarf es einer konkreten Analyse der Situation der Gesellschaft zur Bestimmung etwaiger Risikobereiche, der dann die individualisierte Umsetzung und Implementierung der entsprechenden Regelungen sowie die anschließende Überwachung und Durchsetzung der Regelungen folgt.

 

Frank Kaspar

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Versicherungsrecht, PricewaterhouseCoopers AG, Düsseldorf
 

Jan Gerd Möller

Rechtsanwalt/Steuerberater
 

Dr. Frank Westphal

Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Steuerberater
n/a