10.05.2018

Finanzgeschäfte im Visier

Kommunale Haushaltswirtschaft als Strafbarkeitsrisiko

Finanzgeschäfte im Visier

Kommunale Haushaltswirtschaft als Strafbarkeitsrisiko

Auch kommunale Finanzgeschäfte bergen Risiken. | © Christoph Hähnel - Fotolia
Auch kommunale Finanzgeschäfte bergen Risiken. | © Christoph Hähnel - Fotolia

Wer mit fremdem Vermögen umgeht, begibt sich stets in ein persönliches Risiko. Denn was nach einer vielversprechenden Chance aussieht, kann sich Jahre später als teurer Fehler herausstellen. Und zum Anlass für strafrechtliche Ermittlungen werden. Dies haben in der jüngeren Vergangenheit nicht nur kommunale Finanzgeschäfte gezeigt. Auch manches öffentlich finanzierte Großvorhaben, das zum Millionengrab wurde, ließ Rufe nach dem Staatsanwalt laut werden.

Strafbarkeitsfalle Untreue

Diese Situation ist nicht ungefährlich. Denn das Strafgesetzbuch (StGB) hält mit der Untreue in § 266 einen Tatbestand bereit, der so weit formuliert ist, dass er scheinbar immer passt. Wegen Untreue wird bestraft, wer das Vermögen eines anderen – auch öffentliches Vermögen – dadurch schädigt, dass er eine Pflicht zur Vermögensbetreuung verletzt. Solche Pflichten haben etwa Landräte, Bürgermeister, Kämmerer oder andere Verantwortliche öffentlicher Körperschaften. Die persönlichen Risiken sind einschneidend. Sie umfassen Geld- oder Haftstrafen. Im einfachen Fall bis zu fünf Jahren, im besonders schweren Fall bis zu zehn Jahren. Diesen kann ein Gericht grundsätzlich annehmen, wenn der Schaden die Betragsgrenze von 50.000 Euro übersteigt. Und auch wenn am Ende oftmals keine Verurteilung steht: Wirtschaftsstrafverfahren greifen in das berufliche und soziale Leben ein. Da sie häufig komplexe Sachverhalte betreffen und deshalb zumeist mehrere Jahre andauern, stellen sie für Betroffene und deren Umfeld oftmals eine immense Belastung dar.

In der Privatwirtschaft ist das latente Verfolgungsrisiko für tatsächliches oder vermeintliches Missmanagement seit langem bekannt. Die kommunale Verwaltung stand hingegen über viele Jahre nicht im Zentrum des Interesses von Staatsanwälten. Unterdessen fanden jedoch eine Reihe von Strafprozessen statt und zahlreiche Strafverfahren sind anhängig. Diese legen den Schluss nahe, dass für die öffentliche Verwaltung künftig ähnliche Grundsätze gelten wie für die Privatwirtschaft.


Finanzgeschäfte als Anlass zu neuer Rechtsprechung

Sichtbar wurde dies insbesondere, als Staatsanwaltschaften und Gerichte begannen, nach der Finanzkrise von 2008 kommunale Finanzgeschäfte aufzuarbeiten. Neben den zivilrechtlichen Fragen nach Schadensersatz ging es den Staatsanwaltschaften darum, ob sich kommunale Verantwortungsträger wegen Untreue strafbar gemacht hatten, indem sie Finanzgeschäfte (z.B. sog. Spread-Ladder-Swaps) eingingen. Denn viele dieser Finanzinstrumente erwiesen sich spätestens in der Finanzkrise für die Beteiligten als hochriskant und mit spekulativem Charakter. In mancher Kommune führten sie zu Verlusten in Millionenhöhe und gefährdeten die Aufgabenerfüllung der Kommunen. Es kam zu einer großen Zahl von Strafanzeigen, weil Bürger den als unsachgemäß empfundenen Umgang mit öffentlichen Geldern kritisierten. Allerdings folgt aus dem Eintritt eines Schadens nicht bereits die Strafbarkeit. Auch dann nicht, wenn der Schaden sehr hoch ist. Vielmehr ist anerkannt, dass auch die öffentliche Verwaltung Risiken eingehen muss, wenn und soweit sie ähnlich wie ein Wirtschaftsunternehmen tätig wird. Die entscheidende Frage lautet dann, wo das erlaubte Maß endet und wann die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wird.

Aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21.02.2017
(1 StR 296/16) ergeben sich nun einige Leitlinien.

Zulässigkeit von Finanzgeschäften

Für Finanzgeschäfte einer Kommune entschied der BGH, dass Finanzgeschäfte einen sachlichen und zeitlichen Bezug (sachliche und zeitliche Konnexität) mit einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag (Grundgeschäft) haben müssen.  Voraussetzung ist, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert ist oder optimiert wird. Der verantwortliche Entscheidungsträger der Kommune (meist der Kämmerer) handelt beim Abschluss eines solchen Geschäfts dann pflichtwidrig, wenn es entweder überhaupt keinen Bezug zum Grundgeschäft hat oder wenn das Geschäft nicht geeignet ist, genau seine Risiken abzusichern. Auch wenn es nach Höhe und Dauer (Betrags- und Laufzeitkongruenz) dem Grundgeschäft – in der Regel ein Darlehen – nicht entspricht, wäre ein Geschäft pflichtwidrig. Dies ist für jedes Finanzgeschäft einzeln zu prüfen. Geschäfte, die bestehende finanzielle Risiken nicht abdecken oder zumindest minimieren, dienen nicht der Zinssicherung oder Zinsoptimierung. Zinsbezogene Finanzgeschäfte für erst künftig geplante, noch nicht abgeschlossene Kreditgeschäfte kommen nicht in Betracht

Grundsätzliche Anforderungen an Entscheidungsverfahren

Die Bedeutung des genannten BGH-Urteils ist nicht auf kommunale Finanzgeschäfte begrenzt. Vielmehr lassen sich ihr ganz grundsätzliche Anforderungen entnehmen, denen das Handeln öffentlicher Verwaltung entsprechen muss, um nicht als pflichtwidrig zu gelten und den Verdacht strafbaren Handelns zu erzeugen. Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorgaben und Prinzipien können nach ständiger Rechtsprechung eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB darstellen.

Keine Spekulation

Als pflichtwidrig gelten Geschäfte, die als spekulativ einzustufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn das Risiko des Verlustes die Chance des Gewinns deutlich übersteigt. Besteht keine günstige Relation zwischen angestrebtem Zweck und dafür eingesetzten Mitteln, und wird dadurch die öffentliche Aufgabenbindung erheblich gefährdet, besteht ein erhebliches Risiko, dass Behörden und Gerichte eine strafbare Pflichtverletzung der Entscheidungsträger annehmen. Ab wann die Grenze überschritten ist, ob also bereits eine Verlustwahrscheinlichkeit von 60 Prozent oder erst von 80 Prozent unangemessen ist, sagt der BGH nicht. Angesichts der Vielgestaltigkeit des denkbaren Verwaltungshandelns und der möglichen Sachverhalte ist das auch nicht möglich. Im Zentrum steht vielmehr das der Entscheidung vorausgehende Verfahren.

Zureichende Informationsgrundlage

Insbesondere darf die verwaltungsinterne Abwägung von Chancen und Risiken nicht an Informationsdefiziten oder einer mangelhaften Sachverhaltserfassung leiden. Die Entscheidungsträger müssen vor dem Abschluss des Geschäfts über eine ausreichende Informationsgrundlage verfügen und es darf nicht zu einer Wissensasymmetrie zwischen beispielsweise Bank und kommunalem Entscheider kommen. Hierzu kann es zudem erforderlich sein, die Aufsichtsbehörden einzubinden oder anderweitig fachkundige Beratung einzuholen. Auf dieser Grundlage kann eine sorgfältige Analyse der Chancen und Risiken erfolgen.

Keine sachfremden Erwägungen

Auch darf die Entscheidung nicht auf Erwägungen beruhen, die der öffentlichen Haushaltswirtschaft fremd sind. So wäre etwa der Abschluss von Finanzgeschäften zur Gewinnerzielung mit kommunalen Grundsätzen unvereinbar und deshalb prinzipiell pflichtwidrig. Ebenso ist zu beachten, dass etwaige Anweisungen von Aufsichtsbehörden nicht missachtet werden dürfen, um bessere wirtschaftliche Konditionen zu erreichen.

Transparenz

Als Indiz für eine Pflichtverletzung sieht die Rechtsprechung an, wenn zur Aufsicht berufene Stellen umgangen werden – oder zumindest dieser Eindruck entsteht. Dies gilt auch für die Frage, ob dem Handelnden bewusst war, dass er sich pflichtwidrig verhält.

Praxishinweis

Vor diesem Hintergrund kommt es zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken entscheidend darauf an, das Entscheidungsverfahren rechtssicher auszugestalten. Es ist sicherzustellen, dass die von der Rechtsprechung der Strafgerichte aufgestellten Anforderungen beachtet werden. Ist das Entscheidungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden, spricht das entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Für die verantwortlichen Personen bedeutet das, dass es einen sicheren Hafen gibt, innerhalb dessen auch solche Entscheidungen keinen Strafbarkeitsvorwurf tragen, die sich nachträglich als teure Fehlentscheidungen herausstellen. Auch der BGH betont, dass ein Geschäft im Fall einer nach strafrechtlichen Kriterien ordnungsgemäßen Abwägung unabhängig von seinem Ausgang nicht pflichtwidrig ist. Sowohl für die präventive Minimierung von Vorwurfsrisiken als auch für eine erfolgreiche Verteidigung kommt es auch darauf an, die Einhaltung dieser Kriterien nachvollziehbar zu dokumentieren.

 

Dr. Markus Adick

Sozietät Rettenmaier & Adick, Bonn
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