15.11.2012

Europa und die Erneuerbaren Energien

Eine Bilanz der letzten Jahre und Trends für die Zukunft

Europa und die Erneuerbaren Energien

Eine Bilanz der letzten Jahre und Trends für die Zukunft

Die Umsetzung der Energiewende geht schleppend voran. | © chris-m - Fotolia
Die Umsetzung der Energiewende geht schleppend voran. | © chris-m - Fotolia

Für Ende dieses Jahres wird von der Europäischen Kommission ein Bericht zu den Fortschritten der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie erwartet. Auch wenn bisher der Ausbau der Erneuerbaren regelmäßig als Erfolgsgeschichte dargestellt wurde, so scheint das Erreichen der Mindestziele für 2020 doch noch ein gutes Stück Arbeit zu sein, zumal einige Mitgliedstaaten in den letzten Monaten heftig zurückrudern, dabei vor allem die Rezession als Grund nennend. Die Potenziale und gesellschaftlichen Vorteile durch die Erneuerbaren werden oft unterbewertet. Die Bekanntgabe der absoluten EEG-Umlage in Deutschland verschweigt, wie hoch etwa der Anteil der Kosten für den Verbraucher ist, der durch den steigenden Kreis der insoweit begünstigten, energieintensiven Industrien bedingt ist, die wiederum von der EEG-Umlage befreit sind. Auch ist der Wert der Erneuerbaren Energien als wirksamer Billigmacher des Börsenstrompreises nicht verdeutlicht, von der Bürde des Steuerzahlers über Subventionen an die herkömmliche Energiewirtschaft ganz zu schweigen. Ein CO2-Preis, der so niedrig ist, dass Effekte auf dem Markt nicht erfolgen, und das Versagen in Bezug auf erhofften Rückgang der Emissionen durch Handel mit Verschmutzungsrechten ist eine weitere Facette der Medaille „Energiesystemwandel und Erneuerbare Energien“.

Erneuerbare-Energien-Richtlinie und Ziele

Am 25.06.2009 ist die Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen in Kraft getreten, und die Mitgliedstaaten hatten demnach bis zum 05.12.2010 Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie schreibt jedem Mitgliedstaat ein verbindliches Ziel in Form eines bestimmten Prozentsatzes für die Nutzung von Erneuerbaren Energien im Energiemix vor, das es (mindestens) bis 2020 zu erreichen gilt. Zudem sollten die Mitgliedstaaten einen Nationalen Erneuerbare-Energien-­Aktionsplan einreichen und unterstehen nach Artikel 22 der Richtlinie einer umfassenden regelmäßigen Berichterstattungspflicht. So hatten sie zum 31.12.2011 der Kommission von ihren Fortschritten zu berichten. Die Kommission wird bis Ende 2012 darauf basierend Bilanz ziehen.

Zwei Jahre nach Verstreichen der Umsetzungsfrist – eine Bilanz

Insgesamt kann man schließen, dass die verbindlichen Ziele wirken. In der Vorgängerrichtlinie, der Richtlinie 2001/77/EG, waren indes auch Ziele vorgegeben worden: Diese waren jedoch nicht verbindlich und hier zeigten die Mitgliedstaaten weit weniger Bemühungen in der Umsetzung. Doch es gibt auch mit der Umsetzung der neuen Richtlinie Probleme. Zwar hatten viele Mitgliedstaaten die Vorgaben des indikativen Zielpfades für 2011/2012 bereits vorab erreicht, aber bei weitem sind noch nicht alle Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren aus dem Weg geräumt. Insbesondere haben nicht alle Mitgliedstaaten die Bestimmungen zum Netzzugang in Artikel 16 der Richtlinie umgesetzt und eine Mehrheit der Mitgliedstaaten schneidet bezüglich der Vereinfachung der Verwaltungsverfahren nach Artikel 13 der Richtlinie schlecht ab. Auch ein wichtiger Faktor sind die immer noch bestehenden Subventionen für fossile und nukleare Energie, die weltweit die Subventionen für Erneuerbare bei weitem überschreiten.


Insgesamt scheint es derzeit, als würden mit Estland, Schweden und Österreich nur drei der 27 Mitgliedstaaten ihre Mindestziele für 2020 erreichen, was auch das Erreichen des EU-20%-Ziels in Frage stellt. In diesen Fällen ist zu sagen, dass gerade Österreich und Schweden bei der Diskussion um die Richtlinie Sieger waren in der Darstellung recht kläglicher erneuerbarer Potenziale. Darum verwundert es nicht, dass sie nun ihre Ziele bequem erreichen. Insgesamt müssten die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen verstärken. Jedoch bringen gerade in den letzten Monaten Länder wie Spanien oder Portugal mehr und mehr „die Krise“ – will sagen: die Rezession, die schlechte wirtschaftliche Lage und ihre finanziellen Probleme … – als Grund vor, um die Förderung der Erneuerbaren zurückzufahren oder gar ganz auszusetzen.

So gilt in Spanien und Portugal seit Anfang des Jahres ein Moratorium, sodass keinerlei neue Anlagen für Förderung in Frage kommen. Auch in Bulgarien und Lettland liegt de facto die Förderung lahm, da entweder keine neuen Anlagen ans Netz angeschlossen werden oder aber schlichtweg keine neuen Ausschreibungsrunden abgehalten werden, eine Situation mit drastischen Konsequenzen.

Zudem soll in Spanien eine neue Steuer eingeführt werden, die zunächst allgemein für alle Energieerzeugungen gilt, jedoch aufgrund der festgesetzten Einspeisevergütung für Erzeuger Erneuerbarer Energien so nicht auf die Endenergieverbraucher umlegbar ist, im Gegensatz zu der Steuer an die Atom- und Kohleindustrie, die durchgereicht werden kann.

Alleine in Deutschland hat der Sektor mehr als 380.000 nachhaltige Jobs geschaffen, es werden jährlich um rd. 22 Milliarden Euro in den Bau von Anlagen investiert, mit deren Betrieb rd. 14 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Kosten aus dem Import fossiler Energieträger werden vermieden. Die EU wendet derzeit ca. 470 Milliarden Euro jährlich für den Import von Kohle und Gas auf.

Von der Europäischen Kommission ist Anfang 2013 eine Kommunikation zu erwarten, in der basierend auf den Erfahrungen der letzten Jahre Hilfestellung bei der Ausgestaltung und Anpassung der Fördersysteme gegeben werden soll. Dabei distanziert sich die Kommission in letzter Zeit ausdrücklich von der noch vor wenigen Jahren angestrebten Harmonisierung der Fördersysteme in Europa und setzt auf Erfahrungsaustausch, Kooperation und Konvergenz.

Energiewende – mehr als nur Einspeisetarife und Prämien

Bei der Energiewende, wie sie in Europa und nicht zuletzt in Deutschland auf dem Weg ist, geht es um mehr als nur um die Frage, wie hoch ein Einspeisetarif für eine bestimmte Technologie sein darf. Die EEG-Umlage besteht beispielsweise nur zu weniger als der Hälfte aus tatsächlichen Förderkosten für Erneuerbare. Vielmehr geht es um eine tatsächliche Systemwende in einem Umfang, der gesellschaftlich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einmalig ist. Deutschland hat hier mit dem Ziel von 80% Erneuerbarer Energie in 2050 einen klaren Kurs eingeschlagen. Es gilt nun von diesem Szenario aus zurückzurechnen und klar die Maßnahmen zu definieren, derer es dazu bedarf. Dazu gehört neben einer angemessenen Förderung, um die noch stets bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der fossilen und nuklearen Energieträger auszugleichen, eben auch der Infrastrukturumbau. Während oft nur vom Netzausbaubedarf gesprochen wird, so ist es doch ebenso wichtig, die bestehende, oft lokale Infrastruktur effizient zu nutzen, beispielsweise durch das Schaffen von Smart-Grid-Systemen auf Verteilnetzebene, wobei auch insbesondere Eigenverbrauchslösungen interessant sein können. Die Frage der fairen Behandlung der Bereitstellung von Reservelast, mit offenbar weniger als 200 Einsatzstunden pro Jahr, ist für die Zeit nach 2020 nun zu beantworten und planvoll zu lösen.

Denn um tatsächlich eine Energiewende zu bewerkstelligen und ein nachhaltiges Energieversorgungssystem zu schaffen, sind Effizienzaspekte nicht nur beim Verbrauch, sondern auch in der Erzeugung und dem Transport ungemein wichtig. Nicht umsonst hat die Europäische Union sich nicht ausschließlich zum Ausbau der Erneuerbaren bekannt, sondern das 20%-Mindestziel mit noch jeweils einem Mindestziel von 20% gesteigerter Energieeffizienz und 20% eingesparter Treibhausgasemissionen zu einem ganzheitlichen Energie- und Klimapaket zusammengeschnürt.

Was Industrie und Wirtschaft betrifft, so hat EU Industriekommissar Tajani kürzlich ein viertes 2020-Ziel geschaffen, demgemäß bis dahin 20% des europäischen Bruttoinlandproduktes aus der verarbeitenden Industrie kommen soll, wobei Europa in der Erneuerbaren Technologie Vorreiter ist, und dies auch bleiben will. Denn die Erneuerbaren Energien sind nicht nur die Basis der Energieversorgung der Zukunft, sondern auch ein wichtiger Wirtschafts- und Innovationsfaktor und somit – anstatt des Kostenfaktors, als der sie teils deklamiert werden – ein Weg aus der Krise.

 

Dr. Dörte Fouquet

Rechtsanwältin, Partner, Becker Büttner Held, Brüssel
 

Jana V. Nysten, LL.M.

Attorney at Law, New York State Bar/Rechtsanwaltskammer New York, Becker Büttner Held, Brüssel
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